Verfahren vor EuGH

Unter welchen Voraussetzungen muss ein örE ausschreiben, wenn er seine Aufgaben einem Zweckverband überträgt? Mit dieser Frage hat sich der Generalanwalt des EuGH beschäftigt. Er hat drei Kriterien aufgestellt, die für die Beantwortung heranzuziehen sind.

3 Kriterien für ausschreibungsfreie Aufgabenübertragung


Im konkreten Fall geht es um den Rechtsstreit zwischen Remondis und der Region Hannover. Die Region Hannover hatte den Zweckverband aha gegründet und ihm Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ausschreibungsfrei übertragen. Dagegen hatte Remondis geklagt. Inzwischen ist der Fall beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig; am 30. Juni hatte Generalanwalt Paolo Mengozzi seine Schlussanträge in dem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH vorgelegt (AZ: C-51/15).

Wie die Rechtsanwaltskanzlei avocado, die Remondis vor dem EuGH vertritt, berichtet, kommt der Generalanwalt zu dem Schluss, dass die Gründung eines Zweckverbands sowie die Aufgabenübertragung per se weder dem Vergaberecht unterliegt noch von diesem ausgeschlossen ist. Nach Auffassung des Generalanwalts seien daher drei Kriterien heranzuziehen, um eine ausschreibungsfreie Vergabe von einer ausschreibungspflichtigen abzugrenzen:

  • Es muss eine vollständige Übertragung von Kompetenzen erfolgen, damit die Vergabe ausschreibungsfrei sein kann. Das schließe unter anderem aus, dass sich der Hoheitsträger (in zugrunde liegenden Fall die Region Hannover) seine Kompetenzen zurückholen kann, wenn die übertragene Aufgabe schlecht erfüllt wird.
  • Dem Zweckverband muss es möglich sein, die ihm übertragenen Aufgaben und Befugnisse in voller Autonomie zu erfüllen.
  • Der Zweckverband muss auch finanziell autonom sein, er darf also nicht finanziell vom Hoheitsträger abhängen.

Wie avocado weiter erläutert, bewertet der Generalanwalt nicht, ob diese Voraussetzungen durch den Zweckverband aha erfüllt werden. Dies sei Sache des OLG Celle. Dabei müsse das Gericht anhand der Bestimmungen der Verbandssatzung prüfen, ob der Einfluss der Region Hannover auf den Zweckverband aha über die Verbandsversammlung tatsächlich lediglich institutionelle Fragen betrifft oder auch die konkrete Ausführung der übertragenen Aufgaben. Nur, wenn sich der Einfluss lediglich auf institutionelle Fragen bezieht, wäre aha völlig autonom hinsichtlich seiner Aufgabenwahrnehmung.

Nach Ansicht von avocado erfüllt der Zweckverband aha die Voraussetzungen für eine ausschreibungsfreie Vergabe nicht. Vor allem die Tatsache, dass die Region Hannover letztlich sämtliche Entscheidungen des aha gemäß gelebter Verbandsordnung „durchregieren“ könne, lasse eine Aufgabenwahrnehmung in voller Autonomie nicht zu. Ebenso bezweifelt avocado die finanzielle Autonomie des Zweckverbands.

Ein Termin zur Verkündung des Urteils des EuGH wurde laut avocado noch nicht bestimmt. Aller Voraussicht nach werde die Urteilverkündung innerhalb der nächsten drei bis vier Monate erfolgen.

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