Reaktion auf Abfallwirtschaftsplan in NRW

Der geplante Abfallwirtschaftsplan NRW stößt auf immer mehr Kritik. Insbesondere das Vorhaben, die Müllverbrennungskapazitäten abzubauen, trifft auf Unverständnis. Bei der Anhörung Ende August dürften noch weitere Einwände zur Sprache kommen.

AGR und AWG lehnen MVA-Stilllegungspläne ab


Kritik am Vorhaben von Landesumweltminister Johannes Remmel (Grüne) gab es bereits reichlich. Schon im vergangenen Jahr hatte der Bund der Steuerzahler mehr Wettbewerb für die Hausmüllentsorgung eingefordert. Die 31 Kreise und 23 kreisfreien Städte in NRW sollten nach EU-weiter Ausschreibung selbst entscheiden dürfen, in welcher Verbrennungsanlage sie den anfallenden Hausmüll entsorgen wollen, forderte der Verband.

Im Frühjahr regte sich dann auch Widerstand im Rhein-Kreis Neuss. Dessen Umweltdezernent sprach von „Planwirtschaft statt Wettbewerb“. Der Abfallwirtschaftsplan der Landesregierung sei ein „nicht akzeptabler staatlicher Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung“, schimpfte er.

So oder so ähnlich wird es sich vermutlich auch am 31. August anhören. Dann findet im Düsseldorfer Landtag die öffentliche Anhörung zum Abfallwirtschaftsplan statt. Vor allem zwei zentrale Vorhaben sind es, die den Unmut kommunaler Entsorger hervorrufen: der Abbau von Müllverbrennungskapazitäten und die Einführung einer regionalen Entsorgungsautarkie.

Auslastung zu über 90 Prozent

Den Rückbau der Verbrennungskapazitäten begründet die Landesregierung mit einem angeblichen Überschuss, der sich ihrer Ansicht in der Zukunft noch erhöhen wird. So geht das Umweltministerium in Düsseldorf davon aus, dass das Aufkommen an behandlungsbedürftigen Siedlungsabfällen bis 2025 um rund 560.000 Tonnen auf dann 4,42 Millionen Tonnen sinken wird. Weil aber die nordrhein-westfälischen Hausmüllverbrennungsanlagen über eine Gesamtkapazität von mehr als 6 Millionen Tonnen pro Jahr verfügen, will Umweltminister Remmel die errechnete Überkapazität von rund einem Drittel schrittweise abbauen.

Parallel dazu plant das Umweltministerium die Einführung einer regionalen Entsorgungsautarkie. Dadurch sollen alle in NRW anfallenden Abfälle im eigenen Bundesland und möglichst regional entsorgt werden. Der aktuelle Plan sieht vor, Nordrhein-Westfalen in 5 Entsorgungsregionen einzuteilen, innerhalb derer der jeweilig anfallende Abfall verarbeitet werden soll. Die Städte und Kreise sollen gegebenenfalls Kooperationen oder Zweckverbände eingehen.

Die Pläne sind durchaus umstritten – auch bei der AGR. Nach Auffassung des kommunalen Entsorgers und Betreibers der Müllverbrennungsanlage Herten gibt es in Nordrhein-Westfalen gar keine Überkapazitäten an Hausmüllverbrennungsanlagen, zumindest dann nicht, wenn man auch die Entsorgung von Gewerbeabfällen mitberücksichtigt. „Tatsache ist, dass die HMVA-Kapazitäten in NRW derzeit zu über 90 Prozent ausgelastet sind“, so Ronge.

Ein Abbau der Kapazitäten sei deshalb sachlich nicht gerechtfertigt. Auch unter rechtlichen Aspekten meldet der AGR-Geschäftsführer Zweifel an. Eine Stilllegungsplanung könne nicht auf Paragraph 30 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gestützt werden, schreibt er. Der von der Landesregierung angestrebte koordinierte Abbau von Verbrennungskapazitäten sei kartellrechtlich bedenklich.

Wettbewerb wird eingeschränkt

Eine ähnliche Auffassung vertritt Thomas Grundmann, Geschäftsführer der Abfallwirtschaftsgesellschaft des Kreises Warendorf (AWG). Für eine Stilllegung von Anlagen oder einzelner Verbrennungslinien bestehe keine Grundlage, erklärt er.

Grundmann lehnt auch die geplanten Entsorgungsregionen ab. „Die nun angedachte Unterteilung konterkariert die funktionierenden Kooperationen und schränkt den Wettbewerb ein“, befürchtet er. „Zudem steigt mit der weiteren Beschränkung die Gefahr der Steigerung von Entsorgungskosten, da möglicherweise der kostengünstigste Anbieter nicht mehr berücksichtigt werden kann.“

Auch das Argument, die Einführung von Entsorgungsregionen helfe Transportwege zu reduzieren, lässt er nicht gelten. „Vor allem an den Grenzen einer Entsorgungsregion kann der Fall eintreten, dass die nächstgelegene Anlage nicht mehr genutzt werden kann.“ Ausnahmen hiervon gebe es zwar – aber nur für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger. Abfallbetriebe, die in Abfallwirtschaftsgesellschaften ausgegliedert sind, könnten die Ausnahmeregelung nicht in Anspruch nehmen.

Verbrennungsmarkt hat sich gedreht

Geschäftserwartung_BetreiberDie aktuelle Entwicklung am Abfallverbrennungsmarkt scheint den Kritikern Recht zu geben. Schon seit einigen Monaten berichten Anlagenbetreiber über eine zunehmende Kapazitätsauslastung und anziehende Verbrennungspreise. Nach einer aktuellen Studie des Kölner Marktforschungsunternehmens ecoprog bezeichnen drei Viertel der befragten Anlagenbetreiber die aktuelle Auslastung ihrer Anlage als verhältnismäßig hoch. Das hat dazu geführt, dass die Verbrennungspreise für gewerbliche Abfälle zur Verwertung um 10 bis 20 Euro pro Tonne höher liegen als im vergangenen Jahr, wie der Informationsdienst Euwid in einer aktuellen Umfrage ermittelt hat. Und laut ecoprog rechnen über 40 Prozent der Anlagenbetreiber mit weiter steigenden Verbrennungspreisen.

Für das Umweltministerium in Düsseldorf dürfte es daher schwieriger werden, die Notwendigkeit des beabsichtigten Kapazitätsabbaus zu begründen. Das gilt umso mehr, seit auch das Bundeskartellamt die Existenz von Überkapazitäten in Deutschland verneint. Die Behörde habe bei ihren Marktuntersuchungen im vergangenen Jahr keine Hinweise auf Überkapazitäten erhalten, stellte das Kartellamt erst vor kurzem klar.

Die Aussage des Kartellamts hat Gewicht – das zeigt auch die Stellungnahme der AGR, die gleich an mehreren Stellen auf die Aussagen der Wettbewerbsbehörde zurückgreift. Dabei hat die AGR eigentlich eine ganz andere Sorge. Denn im Abfallwirtschaftsplan ist die Müllverbrennungsanlage Herten mit einer Kapazität von 300.000 Tonnen aufgeführt. Doch genehmigt ist sie für 600.000 Tonnen. Da im Abfallwirtschaftsplan die erforderlichen Mengen erfasst werden, hieße das, dass nur eine Kapazität von 300.000 Tonnen erforderlich wäre, die andere Hälfte könnte also stillgelegt werden. Die AGR fordert daher dringend eine Korrektur.

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