Verwertung von Altreifen

Wissenschaftler haben bewiesen, dass bestimmte Bestandteile in Altreifen für die Herstellung von hochwertigem Beton wiederverwendet werden können. Die recycelten Fasern sollen die Leistung herkömmlicher Fasern sogar übertreffen. Die Wissenschaftler fordern nun ein Ende der Verbrennung.

Altreifen-Bestandteile machen Gebäude erdbebensicher


Allein in Europa fallen pro Jahr 3,3 Millionen Altreifen an. Das meiste davon geht in die Verbrennung. Besonders beliebt sind Altreifen in der Zementindustrie. Allerdings ist der Umweltaspekt hierbei nicht endgültig geklärt: Die Verbrennung von einem Kilo Gummi bringt die gleiche Energieausbeute wie die Verbrennung von einem Kilo Öl. Zugleich werden für die Herstellung von einem Kilo Reifen aber auch sechs Kilo Öl verbraucht.

Wissenschaftler der Universität in Sheffield und des Imperial College in London halten die Verbrennung von Altreifen für eine Verschwendung wertvoller Rohstoffe. In einem Forschungsprojekt, das sie Anagennisi getauft haben, suchten sie nach besseren Lösungen. Gemäß dem griechischen Namen des Projekts, der so viel bedeutet wie Wiedergeburt, wollen sie alle Bestandteile von Altreifen in hochwertigen Betonanwendungen wiederverwerten. Neben dem Gummi also auch Stahl- und Textilfasern.

statistic_id223866_reifenproduktion-in-europa-bis-2013Stahl- und Textil-/Polymerfasern machen einen Anteil von insgesamt 20 Prozent am Reifen aus. Beide Bestandteile wurden bislang aber als unedle Komponenten betrachtet, für die es nur wenige Möglichkeiten für eine Aufwertung gibt. „Aber das ist nicht wahr“, sagt Kypros Pilakoutas, Professor am Fachbereich Bauingenieurwesen und Bautechnik der Universität in Sheffield und Projektkoordinator.

Hochelastische Gummi-Beton-Mischungen

Inzwischen liegt die erste Hälfte des auf dreieinhalb Jahre angelegten, von der EU finanzierten Projekts bereits hinter den Forschern. „Einige unserer Ziele haben wir auch bereits erreicht“, erzählt Pilakoutas. „So haben wir aus zerkleinertem Altreifengummi hochelastische Gummi-Beton-Mischungen hergestellt, die für integrale Brückensegmente und Fundamentabdichtungssysteme gebraucht werden können.“ Durch die Dämpfung von Vibrations- oder seismischen Wellen würden diese Bauten erdbebensicher gemacht.

Das Recyclinggummi mache zudem eine Ausdehnung in der Längsrichtung von Gebäuden und anderen Strukturen von bis zu zehn Prozent möglich. Das sei 50-mal mehr als Strukturen, die aus herkömmlichem Beton hergestellt seien.

Um die richtige Gummi-Beton-Mischung zu finden, wurden über 50 Mischungen auf ihre Frischbeton- und mechanischen Eigenschaften untersucht. „Die unerwünschten Effekte von gummiertem Beton konnten wir durch einen optimierten Mischungsprozess abmildern“, sagt Pilakoutas. Bei den vielversprechendsten Mischungen hätten je 60 Volumenprozente von groben und feinen Zuschlagstoffen durch Recyclinggummi ersetzt werden können.

Erstmalig Altfasern für faserverstärkte Betonmischungen nutzbar

Des Weiteren wurden Mischungen aus sortierten und klassifizierten Altreifenstahlfasern erzeugt, die herkömmliche Stahlfasern an Leistung übertreffen sollen. Mit einer Mischung aus aufbereitetem Reifendraht, der extrem stark ist, und neuen Stahlfasern konnten die Wissenschaftler die Biegezugfestigkeit von Beton erhöht. „Da diese Fasern auch dünner als herkömmliche Fasern sind, können mehr davon dem Beton zugegeben werden. Damit können feinste Risse auf Mikroebene kontrolliert werden“, schildert Pilakoutas weitere Vorteile. Denkbare Anwendungen für diese Fasermischung sind beispielsweise energieabsorbierende, stoßdämpfenden Fahrbahn- und

Die dritte Reifenkomponente, die Polymerfaserstoffe, weisen ebenfalls eine hohe Qualität und Belastbarkeit auf. Diese Fasern bestehen laut Pilakoutas hauptsächlich aus Polyethylenterephthalat (PET). Sie haben eine durchschnittliche Länge von rund 8 Millimetern und Durchmesser zwischen 10 und 33 Mikrometer. „Unser Ziel war, erstmalig faserverstärkte Betonmischungen aus diesen Altpolymerfasern herzustellen“, erklärt Pilakoutas.

Die Polymerfaserstoffe lassen sich demnach problemlos in Mörtel und Beton verarbeiten und verringern das anfängliche plastische und autogene Schwinden des Betons. Das bedeutet, dass sie neue Polypropylen-Fasern ersetzen könnten. Bei speziellen Tests haben die Forscher herausgefunden, dass die recycelten Reifenpolymerfasern das Biegeverhalten von Beton verbessern. Aber nicht nur dass, sie verhindern auch ein explosives Abplatzen von Beton unter Brandbelastung. Es seien bereits Anwendungen aus diesem Material für den Tunnel- und Gebäudebau entwickelt worden.

Im weiteren Projektverlauf sollen nun die neuen Mischungen weiter verbessert werden. Daneben ist geplant, die neuen Betonmaterialien in erdbebensicheren Gebäuden als auch zur Schwingungsisolierung und in Brückenlagern einzusetzen. „In mehreren EU-Ländern werden wir Demonstrationsprojekte durchführen, um Bauunternehmer und Infrastruktureigentümer von den Vorteilen dieser Materialien zu überzeugen“, kündigt Pilakoutas an.

Mehr zum Thema
So lassen sich Lederreste upcyceln
Recycling von Solarmodulen: Jetzt auch für Silber
KI sortiert Kunststoffe für Lebensmittel­verpackungen
Forscher entwickeln Lkw-Front, die Leben retten soll