Hohe Kosten für Biogasanlagen

Der Fachverband Biogas warnt die Politik vor überzogenen Anforderungen an den Betrieb von Biogasanlagen. Der Einsatz von Abfall- und Reststoffen werde damit nahezu unmöglich gemacht.

„Angriff durch die kalte Küche“


Der Koalitionsvertrag hat die Abfall- und Reststoffvergärung zur Biogaserzeugung noch stärker in den Fokus gerückt. Nachdem der Einsatz von Energiepflanzen erst auf der Kippe stand, einigten sich CDU, CSU und SPD dann doch darauf, den Einsatz von Energiepflanzen in neuen Biogasanlagen zu ermöglichen. Doch „überwiegend“ sollen Abfall und Reststoffe zum Einsatz kommen, stellt der Koalitionsvertrag klar.

Das klingt einfacher als es ist. Seit Anfang 2012 werden neben wenigen Biogaseinspeiseanlagen fast ausschließlich kleinere Biogasanlagen gebaut, die vor allem Gülle und Reststoffe aus der Landwirtschaft sowie einen kleinen Teil Energiepflanzen einsetzen. Zusätzlich wird die anfallende Wärme genutzt, um eine Wirt­schaftlichkeit zu erreichen. „Der Einsatz von Gülle, Mist, Abfall- und Reststoffen wird jedoch durch überzogene Anforderungen nahezu unmöglich gemacht“, mahnte Claudius da Costa Gomez, Hauptgeschäftsführer des Verbandes, auf der Biogas-Jahrestagung in Nürnberg. So schreibe beispielsweise der Entwurf der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) die doppelwandige Ausführung aller unterirdischen Bauteile vor, sobald neben Gülle andere tierische Nebenprodukte, z.B. aus der Lebensmittelproduktion, zur Biogaserzeugung einge­setzt werden. Es passe nicht zusammen, dass auf den Einsatz von Reststoffen gepocht werde und gleichzeitig zu hohe Anforderungen deren Nutzung unmöglich machten.

Gewässerschutz, Immissionsschutz und Anlagensicherheit seien unbestritten wichtige An­liegen, erklärte der Verbandsgeschäftsführer, doch die Anpassungen müssten im Rahmen der fixen EEG-Vergütungen wirtschaftlich darstellbar bleiben. „Ein Angriff auf den Bestandsschutz durch die kalte Küche ist nicht akzeptabel und konterkariert die Energiewende.“

Folie1Wie der Fachverband betont, setzt die Biogasbranche sowohl im Anlagenbestand wie im Neubau auf Qualität statt Quantität. In der gesamten Erzeugungskette sollen weitere Effizienzpotenziale gehoben werden, um die erhöhten Anforderungen zumindest teilweise wirtschaftlich zu kompensieren. Die anstehende EEG-Reform werde wichtige Weichen stellen, warnt der Fachverband. Deshalb sollte der Rahmen so gestaltet werden, dass eine weitere Entwicklung der Biogasbranche in Deutschland möglich ist, um technologisches Know-how, Innovationskraft und Arbeitsplätze zu erhalten sowie das Exportpotenzial der Biogastechnologie auch zukünftig zu nutzen.

Biogas sei ein wichtiges Element in der Energiewende, betonte der Präsident des Fachverbands Biogas, Horst Seide. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Kohleverstromung in Deutschland und der dadurch auf einen Höchststand gestiegenen CO2-Emissionen sei es nötig, alte systemrelevante Kohlekraftwerke sukzessive durch flexible Biogas- und andere KWK-Anlagen zu ersetzen. „Wir können mit Biogasanlagen, die durch Gasspeicher und zu­sätzliche Motorkapazität flexibilisiert sind, Systemdienstleistungen für das Stromnetz er­bringen und wollen das auch“, erklärte Seide. Dafür seien auch Biomethan-Blockheizkraft­werke (BHKW) prädestiniert.

Auch beim Thema Energiepflanzen sieht der Fachverband Potenzial. „Über den Energiepflanzenanbau kann die Vielfalt auf dem Acker deutlich erhöht werden“, erklärte Hendrik Becker, Vizepräsident des Fachverbandes Biogas. Um dies zu erreichen, hat der Fachverband Biogas verschiedene Vorschläge für das neue EEG erarbeitet. So soll der Anteil einer Fruchtart an den Einsatzstoffen einer Anlage begrenzt werden und kein Umbruch von Dauergrünland erfolgen. Um Alternativen zum Mais zu stärken, schlägt der Fachverband Biogas vor, ausgewählte ökologisch vorteilhafte Kulturarten aus der Einsatzstoffklasse 1 in Klasse 2 des EEG zu überführen, beispielsweise mehrjährige Gräser, Mischkulturen und Sonnenblumen.

„Gleichzeitig brauchen wir einen gewissen Anteil ertragsstarker Pflanzen­arten, wie z.B. Zuckerrüben und Getreide für Ganzpflanzensilage, um die Wirtschaftlichkeit neuer Biogasprojekte und die Weiterentwicklung von Alternativen zum Mais für Bestands­anlagen zu sichern“, ergänzte der Vizepräsident. Ein kompletter Ausschluss dieser Pflanzen versperre den Weg zu mehr Artenvielfalt. Dies würde den Zielen des Koalitionsvertrags zuwiderlaufen.

Union und SPD wollen bis Ostern einen Entwurf für eine Reform des EEG vorlegen. Ein neues EEG soll nach einhelliger Meinung den Erneuerbaren Energien mehr Systemverantwortung übergeben. Wie der Fachverband betont, erbringt Biogas als einziger erneuerbarer Energieträger schon heute Systemdienstleistungen für die Netzstabilität. Biogas könne zukünftig die fluktuierende Stromerzeugung aus Sonne und Wind ausgleichen und so für eine stabile und kosteneffiziente erneuerbare Stromproduktion sorgen.

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