Recyclingbranche

Die mageren Jahre scheinen sich dem Ende zu nähern: Nach langem Stillstand bei Gesetzgebung und Investitionen kommt wieder Schwung in die deutsche Recyclingwirtschaft. Gleiche mehrere Gesetze stehen vor dem Abschluss, die Firmen sind wieder bereit zu investieren. Ist das die Trendwende?

Aufrappeln, Krone richten, durchstarten


Die vergangenen Jahre waren schwierig, keine Frage. Niedrige Erlöse, ein harter Konkurrenzkampf und ausbleibende Aufträge haben tiefe Spuren in der Recyclingwirtschaft hinterlassen. Aber nicht nur die kleinen und mittleren Unternehmen mussten Federn lassen, auch große Player waren gezwungen, sich Investoren zu suchen. Etliche Firmen schlitterten sogar in die Insolvenz.

Doch diese Zeiten könnten nun bald vorbei sein.

Denn in diesem Jahr kommen verschiedene Faktoren zusammen, die das Zeug haben, die Trendwende einzuläuten. So deutet einiges darauf hin, dass der Preisverfall bei Rohstoffen sein Ende gefunden haben dürfte. Außerdem sind wichtige Gesetzesvorhaben zur Stärkung des Recyclings in Deutschland weitestgehend abgeschlossen. Und auch auf europäischer Ebene sind mit dem EU-Abfallpaket die Weichen gestellt, um die Recyclingwirtschaft auf einen höheren Wachstumspfad zu hieven.

Unternehmen rüsten sich

Für den größten Auftrieb dürfte die beschlossene Novelle der Gewerbeabfallverordnung sorgen. Sie wird große Mengen an nicht getrennt gesammelten Abfällen in die Sortieranlagen spülen. Denn diese Abfälle müssen künftig vorbehandelt und zu 85 Masseprozent separiert werden. Ab dem Jahr 2019 müssen dann obendrein mindestens 30 Prozent dieser Abfälle recycelt werden. Die bestehenden Anlagenkapazitäten werden dafür nicht ausreichen, auch die Technik muss ausgebaut werden. Das bedeutet: Mehr Aufträge sowohl für die Betreiber als auch die Anlagenbauer.

Letztere haben bereits die Aussichten für 2017 nach oben korrigiert – die Branche strebt mittlerweile ein Umsatzplus von 1,5 Prozent an. „In Gewerbeabfällen stecken unterschiedlichste Ressourcen mit großem Recyclingpotenzial. Mit den erstmals in der Verordnung festgeschriebenen technischen Mindestanforderungen an Vorbehandlungsanlagen wird nun endlich eine vollziehbare gesetzliche Grundlage geschaffen, um diese Potenziale auch nutzen zu können“, sagt Naemi Denz, Geschäftsführerin des VDMA Fachverbandes Abfall- und Recyclingtechnik.

Auch die größeren Akteure der Branche rüsten sich bereits. Unternehmen wie Veolia und Alba wollen in neue Anlagen und Standorte investieren, und auch Remondis wird seinen Expansionskurs fortsetzen. Dazu ermuntert auch das Verpackungsgesetz, das nach jahrelangem Streit endlich kurz vor dem Abschluss steht.

„Zukunftsweisender Schritt“

So werden die höheren Recyclingquoten im neuen Verpackungsgesetz die Branche weiter beflügeln, sind Vertreter der dualen Systeme überzeugt. „Auf dieser Basis können wir das Verpackungsrecycling weiterentwickeln“, kommentiert Michael Wiener, CEO vom Grünen Punkt. „Allein die Erwartung neuer Recyclingziele hat in der Branche einen Knoten gelöst und für eine positive Stimmung gesorgt.“

Auch der bvse spricht beim Verpackungsgesetz von einem „zukunftsweisenden Schritt“ und „wichtigen Weichenstellungen“. Und die Bundesregierung zeigt sich ebenfalls zufrieden: „Nach jahrelangem Ringen haben wir heute im Bundestag ein Gesetz beschlossen, das uns auf dem Weg zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft und den Umweltschutz insgesamt einen großen Schritt voranbringt.“

Deutsche Firmen profitieren von EU-Gesetzgebung

Doch nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene kommt deutlich Schwung in die Recyclingwirtschaft. Die gesamte Abfallgesetzgebung der EU mit all ihren Richtlinien wird derzeit überarbeitet. Ob der strengere Parlamentsbeschluss oder die Vorgaben der EU-Kommission in Kraft treten werden – in jedem Fall werden die Quoten, die die EU-Mitgliedstaaten einhalten müssen, für viele Länder bedeuten, dass sie sie kräftig aufrüsten und investieren müssen. Deutsche Vorreitertechnik und -Firmen werden davon profitieren.

Entsprechend rechnet ein Großteil der VDMA-Mitglieder für den EU-Markt mit einem Wachstum von 2 Prozent und mehr. Für die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Ulrike Lunacek, steht ebenfalls fest: „Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die neue Lösungen für Abfallvermeidung oder Recycling entwickeln, werden von den neuen Regeln – vor allem von den verbindlichen Zielen für Recycling – profitieren.“

Freilich gibt es nicht nur Applaus zu den neuen Entwicklungen. Doch die Kritik an einzelnen Punkten täuscht nicht darüber hinweg, dass die groben Weichen für einen Aufschwung mittlerweile gestellt sind und wieder Planungssicherheit entsteht. Hinzu kommt, dass die Preise auf Einzelmärkten, etwa im Schrott- und Altpapierbereich, wieder Auftrieb bekommen.

Und nicht zuletzt läuft auch der Konjunkturmotor wie geschmiert. Erst im Februar haben Analysten der KfW-Bank die gesamtwirtschaftliche Konjunkturprognose für 2017 um 0,1 Prozentpunkte auf 1,4 Prozent angehoben. Dass sich deshalb auch die Erlössituation in der Recyclingwirtschaft verbessern wird, ist damit noch nicht ausgemacht. Doch immerhin: Die Voraussetzungen haben sich seit Jahresbeginn deutlich verbessert. Im Vergleich zu den vergangenen beiden Jahren ist das ein großer Fortschritt.

© 320°/ek | 04.04.2017

Mehr zum Thema
100 Prozent recycelte Edelmetalle: Umicore führt „Nexyclus“ ein
Wird die Energie- und Antriebswende ausgebremst?
Alternative Papiersorten: Wie gut sind die Top Ten wirklich?
Der längste Streik in der Geschichte der IG Metall
Dopper führt digitalen Produktpass ein
Rohstoffimporte: „Höchste Zeit für einen Kurswechsel“
Gute Nachfrage lässt Altpapierpreise steigen
Deutsche Industrie weiter im Plus
„Wir bieten moderne Büroräume und günstige grüne Energie“