Streit um Systemumstellung

In Teilen Berlins wurde die Altglassammlung auf ein Bringsystem umgestellt. Dadurch soll die Altglasqualität gesteigert werden. Doch ob die aktuellen Maßnahmen ausreichen, ist fraglich.

Berlin und sein Altglasproblem


Für Daniel Buchholz war es eine „überstürzte und chaotische Umstellung“. „Wir haben in den letzten Monaten in Berlin in drei Bezirken im Ostteil der Stadt etwas erlebt, was schon sehr ungeheuerlich ist, um es ganz deutlich zu sagen.“ In den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick sei praktisch die Hälfte der Altglastonnen ohne Vorwarnung abgezogen worden, kritisiert der Berliner SPD-Politiker. Und auch der CDU-Politiker Danny Freymark zeigt sich bestürzt: „Ein bewährtes Verfahren wird hier über Nacht geköpft – in einem Verfahren, das nicht nachvollziehbar ist.“

In Berlin wird derzeit hitzig über die Umstellung der Altglasentsorgung diskutiert. Auf Antrag der SPD- und CDU-Fraktion wurde das Thema Mitte Januar auch zum Gegenstand einer Anhörung im Umweltausschuss des Senats. Eingeladen waren neben Buchholz und Freymark auch Vertreter von DSD, der Berlin Recycling GmbH sowie der Berliner Wohnungsverbände. Durch die Anhörung wurde zwar nichts wirklich geklärt, aber die verschiedenen Positionen der Beteiligten und Betroffen sind dadurch nochmal deutlich geworden.

Worum es eigentlich geht, ist die Qualität des Altglases. In Berlin wird vielerorts nicht nach drei Farben, sondern nur nach weiß und bunt getrennt. Deshalb haben Senat und die dualen Systeme beschlossen, die Erfassung über die dreifarbgetrennten Depotcontainer in den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick zu erhöhen. Zum Jahreswechsel wurden daher all jene Gefäße aus dem Holsystem abgezogen, die im Radius von 300 Metern um einen solchen Depotcontainerstandplatz herum stehen. Das waren etwa 8.000 Behälter. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass die Depotcontainer tatsächlich besser genutzt werden.

Abschaffung des Holsystems löst Probleme nicht

Ob diese Maßnahmen ausreichen, ist fraglich. Denn es gibt noch andere Faktoren, die die Qualität des Berliner Altglases beeinträchtigen. Ein wesentliches Kriterium für die Sortierfähigkeit von Recyclingglas ist beispielsweise die Größe der Scherben. Deshalb kommt es entscheidend auf die Art und Weise an, wie das Altglas umgeschlagen wird. „Die Art der eingesetzten Müllwagen scheint aus meiner Sicht ein ganz großes Problem bei der Altglaserfassung zu sein, weil diese einfach Kleinholz aus allem machen, was man reinschmeißt, und das ist bei Glas sehr gefährlich“, erklärte Burkhard Dreier von der Glashütte Ardagh Glass bei der Anhörung. So zerspringe eine Porzellantasse im Container beispielsweise lediglich in ein paar Teile, bei einem Müllpresswagen hingegen komme nur noch Sand heraus – das kann eine gesamte Altglasladung unbrauchbar machen.

Auch Rüdiger Oetjen-Dehne, Gutachter bei U.E.C. Umwelt- und Energie-Consult pflichtete bei der Anhörung bei. „Unsere Untersuchung zeigt, dass das Problem bei der – leider unverzichtbaren – Umladung liegt“, sage er. „Die Reduzierung oder Abschaffung des Holsystems löst das Problem keineswegs.“

Die Berlin Recycling GmbH hat darauf bereits reagiert. Das Unternehmen ist für die Abholung des Altglases aus den betroffenen drei Bezirken zuständig. Seit der Entsorger Alba seine Sortieranlage in Velten im Winter 2012 geschlossen hatte, hätten die neu beauftragten Sortieranlagen die Qualität der Altglaslieferungen verstärkt reklamiert, berichtete Berlin Recycling-Vertreter Hanno Thielmann. Inzwischen hat der Recycler die internen Richtlinien für die Ladegewichtsbegrenzung und die Fallhöhenreduzierung geändert, um damit den scherbenschonenden Transport und Umschlag zu gewährleisten. Außerdem habe das Unternehmen einen neuen Umschlagplatz gefunden, der bessere Voraussetzungen für den Glasumschlag und für einen scherbenschonenden Umgang gewährleiste.

Abgeordnete planen noch weitere Maßnahmen

Doch auch damit sind noch nicht alle Probleme gelöst. Denn hinzu kommt noch ein weiterer Umstand, nämlich die zunehmende „Vermüllung“ der Glascontainer. Nach Angaben von Berlin Recycling hatte das Unternehmen im Jahr 2012 etwa 1.000 Fälle, bei denen die Glascontainer so vermüllt waren, dass Berlin Recycling eine Entsorgung über den Restmüll veranlasst hat. Im Jahr 2013 jedoch habe sich die Zahl vervierfacht: Rund 4.000 Mal habe Berlin Recycling den Behälter wegen Vermüllung nicht geleert.

Das Ergebnis ist also unterm Strich eine Altglas-Qualität, die aus Sicht der Abnehmer nicht ausreicht. „Das Problem, das wir in Berlin seit Jahren haben, ist, dass es nicht möglich war, aus dem Glas, das in Berlin gesammelt wurde, wirklich gut verwertbares Glas für die Glasindustrie zu erzeugen“, erklärte Burkhard Dreier bei der Anhörung . Auch DSD-Vertreter Bernd Schneider stößt in das gleiche Horn: „Das System, das wir haben, ist schlecht.“ Es bringe schlechtes Glas. Deshalb habe man reagieren müssen. „Die Alternative wäre gewesen, dass die Glasindustrie uns den Stöpsel zieht und das Glas nicht mehr annimmt.“

Die Glasindustrie hatte auf die Probleme schon im April 2012 in einem Schreiben an den Berliner Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Müller, hingewiesen. Anfang 2013 wurde daraufhin eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Senatsverwaltung, der Berliner Stadtreinigung, der dualen Systeme und der Glasindustrie eingerichtet. Aufgabe der Gruppe war es zu untersuchen, wie die Qualität des Altglases verbessert werden kann. Dabei wurde beschlossen, in einem ersten Schritt in den besagten Bezirken das Holsystem abzuschaffen und auf ein Bringsystem umzustellen.

Für die Bürger der drei Berliner Bezirke bedeutet das, dass sie ihr Altglas nun zu den Containerstandorten bringen müssen. Das stößt auf wenig Gegenliebe. In einer Umfrage der „Berliner Woche“ haben sich 93 Prozent der befragten Personen dafür ausgesprochen, die Altglasbehälter zu behalten. Die Berliner Politikerin Marion Platta von der Partei Die Linken ist sich sicher, dass die Umstellung zu weniger Recycling führen wird. „Je weiter die Tonne entfernt ist, in der ich meinen Abfall verbringen kann, desto weniger wird getrennt“, glaubt sie.

Wie es nun in Berlin weitergeht, ist unklar. Die Abgeordneten fordern auch andere Maßnahmen, um die Qualität der Scherben zu verbessern, beispielsweise verschließbare Tonnen im Hof. Von dem ursprünglichen Plan, das Bringsystem sukzessive auszuweiten, ist man erstmal abgerückt. Nun soll abgewartet werden, was die Umstellung in den drei Bezirken bewirkt. Doch klar ist auch: Mit der Umstellung in nur drei Bezirken wird sich die Qualität des Berliner Altglases nicht wesentlich verbessern.

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