Höhere Strom- und Wärmeproduktion

Experten haben das Strom- und Wärmepotenzial errechnet, das sich aus der Kaskadennutzung von Bioabfällen ergeben würde. Um das Potenzial auszuschöpfen, sollten bestehende Anlagen umgerüstet werden. In Einzelfällen kann das jedoch teuer werden.

Bioabfälle: Das große Potenzial der Kaskadennutzung


In Deutschlands Privathaushalten fielen 2012 etwa 21,1 Millionen Tonnen Gartenabfälle und Bioabfälle an. Davon entfallen 14,5 Millionen Tonnen auf Gartenabfälle und 6,6 Millionen Tonnen auf Küchenabfälle. Das geht aus einer aktuellen Stoffstrommodellierung hervor, die Peter Krause und Rüdiger Oetjen-Dehne vom Berliner Ingenieurbüro u.e.c. auf der Konferenz „Waste-to-Resources“ vergangene Woche in Hannover vorgestellt haben.

Der Studie zufolge teilten sich die Entsorgungswege für Gartenabfälle auf in:

  • 3,5 Millionen Tonnen Grüngut der örE
  • 7,8 Millionen Tonnen Eigenkompostierung und privatwirtschaftliche Bioabfallentsorgung
  • 0,4 Millionen Tonnen illegale Entsorgung, Verbrennung

Die Entsorgungswege für die 6,6 Tonnen Küchenabfälle verliefen wie folgt:

  • 4,0 Millionen Tonnen Biogut
  • 4,5 Millionen Tonnen Restabfall
  • 0,8 Millionen Tonnen Sonstiges (u.a. Kanalisation)

Folglich wurden 7,5 Millionen Tonnen oder knapp ein Drittel der Bioabfälle aus privaten Haushalten von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (örE) erfasst. Die Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass mit der flächendeckenden Einführung der Biotonne künftig statt der 4 Millionen Tonnen jährlich zwischen 6,4 und 9,4 Millionen Tonnen Biogut erfasst und verwertet werden können. Dazu müssten aber auch die Nachzügler-Landkreise die Tonne einführen.

Denn zum Stichtag 1. Januar 2015 hatten 67 Landkreise noch keine Möglichkeit der Getrenntentsorgung von Küchenabfällen angeboten, wie es seitens des Ingenieurbüros heißt. Sechs dieser Landkreise wollten dies bis 2016 und weitere zwei Kreise bis 2018 nachholen. Die Experten gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2020 auch die letzte Kommune das geforderte Sammelsystem einführen wird.

Fünf Mal so viel Wärme und Strom

Das Ingenieurbüro hat keine Zweifel, dass die Kaskadennutzung mit einer Kombination von Vergärung und Kompostierung der ausschließlichen Kompostierung eindeutig vorzuziehen ist. Die Experten verdeutlichen das Potenzial mit einer Rechnung: Demnach wurden im Jahr 2012 mit 1,1 Millionen Tonnen Biogut jährlich etwa 300 GWh Strom und 360 GWh Wärme produziert. Wenn künftig etwa 85 Prozent der neu gesammelten Gesamtmenge an Biogut auch energetisch genutzt wird, so können damit pro Jahr etwa 1.484 GWh Strom und 1.780 Gwh Wärme hergestellt werden – mehr als fünf Mal so viel. Aufgrund dieses Potenzials erwägt die Bundesregierung in der Neufassung der Bioabfallverordnung auch die Aufnahme „stoffstromspezifischer und –lenkender Anforderungen an die Hochwertigkeit der Verwertung (…) einschließlich möglicher Kaskadennutzung“.

Um das Potenzial auch auszuschöpfen und die steigenden Sammelmengen verarbeiten zu können, raten die Wissenschaftler den Anlagenbetreibern je nach Voraussetzung zu unterschiedlichen Maßnahmen:

Ergänzung bestehender Kompostieranlagen:
Laut u.e.c. haben bereits drei Kompostierungsanlagen in Schleswig-Holstein ihre Anlagen mit einer Vergärungsstufe erfolgreich nachgerüstet. Eine Machbarkeitsstudie habe gezeigt, dass in einem Fall die geschätzten Mehrkosten von 20 Euro pro Tonne und damit 1,60 Euro je Einwohner und Jahr sogar unterschritten wurden. Im Rhein-Neckar-Kreis sei ebenfalls die Umstellung auf Kaskadennutzung geplant. Hier stieg seit der Einführung der „BioEnergietonne“ die erfasste Biogut-Menge zwischen 2011 und 2014 von 6.000 Tonnen auf 40.000 Tonnen jährlich.

Umnutzung von MBA-Anlagen:
Da die Betreiber von mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen (MBA) durch sinkende Restmüllmengen ohnehin unter Druck stehen, könnte mancherorts die biologische Verfahrensstufe (Intensivrotte oder Fermenter) auf die Behandlung von Bioabfällen umgestellt werden, so die Autoren der Studie. Beispielsweise wurde bereits ein Teil der MBA in Lübeck für die Verarbeitung von Bioabfall umgerüstet. Die MBA Freienhufen plant, den Nass-Vergärungsanteil vollständig für die Biogutverwertung zu nutzen.

Ist die MBA als aerobe Anlage ausgeführt worden, kann der Rottetunnel für die Kompostierung weitergenutzt werden. Denkbar sei ebenso, die Anlage um eine Vergärungsstufe zu erweitern und die Rottetunnel zur Nachkompostierung zu nutzen. Die Autoren warnen aber vor möglichen hohen Behandlungskosten. Im Schnitt würde die Nutzung zur Kompostierung zwischen 25 und 40 Euro pro Tonne netto kosten, die Variante Kaskadennutzung netto etwa 70 Euro pro Tonne. Das wären etwa 2 Euro pro Gebührenzahler im Jahr.

Anlagenneubau:
Da das Aufkommen an Bioabfällen steigen wird, kommt auch der Neubau von Behandlungsanlagen in Frage. Dabei hat sich nach Angaben der Wissenschaftler gezeigt, dass große Anlagen einen deutlichen Kostenvorteil haben. Kleine örE, in deren Gebieten keine großen Inputmengen zur Verfügung stehen, sollten die Verwertung also ausschreiben oder mit anderen Kommunen kooperieren. Wenn ausreichend Abfallmengen zur Verfügung stehen, sollte neu gebaut werden. Dies beabsichtigt beispielweise der Landkreis Ludwigsburg. Der ZAKB im Kreis Bergstraße hat bereits eine Anlage mit Trockenvergärung durch Boxenfermentation mit nachgeschalteter Intensivrotte für 32.000 Tonnen jährlich errichtet. Weitere Neubauten sind zwar geplant, einige Projektträger wollen aber erstmal die Novelle der Düngemittelverordnung abwarten.

Wie die beiden Experten abschließend betonen, ist der flächendeckende Ausbau der getrennten Erfassung von Biogut vor allem dann sinnvoll, wenn die Biomasse auch hochwertig verwertet wird. Solange keinen anderen Verfahren die Betriebsreife nachgewiesen haben, sollte deshalb die kombinierte energetische und stoffliche Nutzung weiter ausgebaut werden. Von daher liege es nahe, von der Gestaltungsmöglichkeit des Paragrafen 8 Abs. 2 Kreislaufwirtschaftsgesetz Gebrauch zu machen und die Rahmenbedingungen, unter denen eine hochwertige Verwertung von Biogut gegeben ist, bundeseinheitlich festzulegen.

© 320°/ek | 12.05.2015

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