Kommentar

Für Oliver Scholz ist der Verlust des Familienunternehmens ein bitterer Moment. Noch ist offen, ob er unter dem neuen Eigentümer eine berufliche Zukunft haben wird. Doch das ist bei Übernahmen eigentliches nichts Außergewöhnliches. Warum also die Bezeichnung als „Interim-CEO“?

Bittere Pille


Von Stephan Krafzik

Der Sommer hatte es in sich, zumindest für den Metallrecycler Scholz. Monatelang kämpfte der bisherige Firmenchef Oliver Scholz um das wirtschaftliche Überleben der Firma, nun kann er einen Schlusstrich ziehen. Seit voriger Woche gehört das Unternehmen gehört nicht mehr ihm, sondern der chinesischen Metallrecycling-Gruppe Chiho-Tiande, Oliver Scholz selbst ist nur noch Angestellter und das auch nur unter erklärtem Vorbehalt.

Der Absturz des Unternehmens Scholz ist dramatisch. Die Recyclingfirma wurde 1872 gegründet, Oliver Scholz übernahm das Unternehmen im Jahr 2013 in fünfter Generation von seinem Vater Berndt-Ulrich Scholz. Schon damals schrieb das Unternehmen Verluste von rund 350 Millionen Euro. Drei Jahre später ist die Firma endgültig am Ende, hoffnungslos verschuldet, daran änderte auch der Einstieg des japanischen Investors Toyota Tsusho nichts.

Über die Gründe wird viel spekuliert. Expandierte die Firma zu schnell, zu stark und im blinden Vertrauen auf einen fortwährend starken Markt? Machte das Management kapitale Fehler oder war es einfach der Markt, der einen dicken Strich durch die Rechnung machte? Wie auch immer die Antworten lauten, es ändert nichts daran, dass nun Chinesen das Sagen haben.

Für Oliver Scholz ist der Verlust des Familienunternehmens eine bittere Pille. Zu allem Überdruss legt nun der neue Eigentümer noch eins drauf: Im neuen Management ist Oliver Scholz der Einzige, der explizit einen Interim-Titel trägt. Scholz ist ein CEO auf Probe, einer, dem Chiho-Tiande offenbar nicht so recht vertraut. Und damit das jeder weiß, nennt Chiho-Tiande ihn explizit „Interim-CEO“.

Doch warum nur? Jeder weiß, dass ein Geschäftsführer oder CEO bei einer Übernahme latent gefährdet ist, seinen Job zu verlieren. Es ist auch nachvollziehbar, dass der neue Eigentümer eine Person seines Vertrauens an der Führungsspitze benötigt. Besitzt oder gewinnt der bisherige CEO das Vertrauen des neuen Eigentümers nicht, so wird er abgelöst. Diese Vorgehensweise muss nicht explizit kommuniziert werden.

Tut man es dennoch, wie bei Chiho-Tiande, führt man die betreffende Person vor. Fragt sich nur, was Chiho-Tiande damit bezweckt. Sollte Chiho-Tiande der Meinung sein, dass Oliver Scholz für die Aufgabe nicht der Richtige ist, müssen sich die Eigentümer von ihm trennen. Haben Sie Zweifel an seiner Eignung, müssen sie das kommunizieren – aber intern.

Die Wahl der Bezeichnung „Interim-CEO“ erscheint daher als unnötiges Machtgehabe oder ist schlicht ungeschickt. Denn letztlich schüren die neuen Eigentümer vor allem Unsicherheit in der Belegschaft: Unsicherheit über die künftige Ausrichtung und Unsicherheit über die neue Unternehmenskultur. Doch gerade von dieser Unsicherheit gibt es bei einem solchen Eigentümerwechsel eigentlich schon genug.

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