Abfallverbrennung

3,2 Millionen Tonnen Ersatzbrennstoffe verließen im vergangenen Jahr Großbritannien, um in anderen Ländern der EU verbrannt zu werden. Doch wie sieht es nach dem Brexit aus, wenn womöglich Steuern und Zölle aufgeschlagen werden? Und welche Auswirkungen hat das auf die Exporte nach Deutschland?

Brexit und die Frage nach den EBS-Exporten


Im vergangenen Jahr wurden in deutschen Verbrennungs-Anlagen etwas unter 700.000 Tonnen Ersatzbrennstoffe (EBS) aus Großbritannien eingesetzt. Für die Briten sind die Anlagen in Deutschland eine kostengünstige Entsorgungsalternative, denn im eigenen Land fehlt es an Kapazitäten und die Deponierung wird jährlich teurer.

Mit den Lieferungen könnte es nach dem Brexit aber bald vorbei sein – denn mit dem EU-Austritt verliert Großbritannien auch Steuervorteile und andere Privilegien, wie Dirk Lechtenberg, Geschäftsführer der Lechtenberg Projektentwicklungs- und Beteiligungsgesellschaft, am Mittwoch beim Abfallforum in Kassel erklärte. Ob es zu einem kompletten Stillstand der Exporte kommt, sei allerdings nicht abzuschätzen.

Insgesamt verließen im vergangenen Jahr etwa 3,2 Millionen Tonnen Ersatzbrennstoffe die Insel in Richtung Europa – mehr als ein Fünftel davon wurde in Deutschland verbrannt. Die Mengen wurden in der Vergangenheit immer mehr: 2011 wurden beispielsweise nur rund 15.000 Tonnen EBS in die Bundesrepublik geliefert.

Laut Lechtenberg kostet es die Briten derzeit im Schnitt 55 Euro pro Tonne, wenn sie ihren EBS in Deutschland entsorgen lassen. Im eigenen Land bleibt aufgrund von fehlenden Verwertungsmöglichkeiten oft nur die Deponierung. Dort liegt die Deponiesteuer aber mittlerweile bei zirka 84,40 Pfund pro Tonne, hinzu kommen noch die eigentlichen Deponiekosten, die zwischen 20 und 50 Pfund betragen – die Ausfuhr der Abfälle ist also deutlich billiger.

Exporteure wollen neue Verträge aushandeln

Doch der Kostenvorteil könnte nach dem Brexit massiv schmelzen. Schon jetzt führt das gefallene Pfund dazu, dass mehrere britische Abfallexporteure aus Altverträgen aussteigen wollen – denn die meisten Verträge werden in Euro abgerechnet, sagte Lechtenberg.

Wird Großbritannien zum Drittland, bedeutet das für die Unternehmen unter anderem etwaige Zölle und Einfuhrumsatzsteuern. Außerdem müssten unternehmensinterne Prozesse angepasst, neue Steuerschlüssel verwendet und andere Belegnachweise geführt werden – all das verursacht Kosten.

Verlässt Großbritannien den EU-Binnenmarkt, kann das auch Einfluss auf die grenzüberschreitende Abfallverbringung haben. Allerdings glaubt Lechtenberg nicht, dass es zu einem derart „harten Brexit“ kommen wird.

Bei den vielen Unwägbarkeiten kommt der Abfallexperte zu dem altbekannten Fazit, dass der Abfall sich immer den günstigsten Entsorgungsweg suchen wird. Er glaubt, dass ein Großteil des britischen Abfalls wohl künftig in den Niederlanden verbleiben wird. Schon jetzt sei der Entsorgungsweg – der meist über Lkw und dem Landweg erfolgt – dorthin deutlich billiger. Außerdem wolle die Niederlande die Überkapazitäten der Verwertungsanlagen vor allem mit Material aus Großbritannien füllen. Die deutschen Verwertungsanlagen müssten sich also langfristig nach neuen Inputquellen umsehen – Brexit hin oder her.

© 320°/ek | 27.04.2017

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