Interview zu Schiebereien auf Münchner Wertstoffhöfen

Helmut Schmidt, Zweiter Werkleiter des AWM, über die Folgen aus den aufgedeckten Schiebereien auf Münchner Wertstoffhöfen, die Arbeitsweise der Schieberbande und warum Assessment-Center für Müllwerker auch kein Allheilmittel sind.

„Brotzeit und Taschengeld“


Mitte März kam es in München zu einer Großrazzia auf den Wertstoffhöfen. 180 Polizisten durchkämmten zeitgleich 26 Objekte. Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass der Verdacht begründet war: Vier Mitarbeiter des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM) wurden wegen Hehlerei von Elektroaltgeräten verhaftet, am gleichen Tag jedoch wieder freigelassen.

Herr Schmidt, vor gut zwei Monaten kam es zur Großrazzia auf mehreren Münchner Wertstoffhöfen. Woher kam der Hinweis, dass Elektroaltgeräte illegal verschoben werden?

AWM
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Wir haben kurz vor dem 13. März von der Polizei die Information erhalten, dass sie bei Ermittlungen zum Menschenhandel im Rotlichtmilieu auf die Information gestoßen ist, dass Wertstoffhof-Mitarbeiter offensichtlich illegale Geschäfte in größerem Umfang betreiben. Daneben ist auch ein privates Export/Import-Unternehmen in Verdacht geraten.

Sie selbst hatten zuvor keine Hinweise, weil beispielsweise Mengen gefehlt haben?

Leider nicht. Das Problem ist, dass man ja nie weiß, wie viele Mengen die Bürger auf den Wertstoffhöfen anliefern. Wir haben keine Registrierung, das genau ist unsere Schwachstelle.

Welche Erkenntnisse haben Sie bislang über die Arbeitsweise der Schieberbande?

Soweit wir wissen, kam ein privater Sammler auf den Hof, hat sich die Elektroaltgeräte ausgesucht und dann dem Wertstoffhof-Mitarbeiter „Brotzeit und Taschengeld“ gespendet. Betroffen waren insgesamt 9 unserer 12 Wertstoffhöfe. In einem Fall wissen wir, das der Mitarbeiter morgens von 7 bis 8 Uhr alleine auf dem Wertstoffhof war. In dieser Zeit lief dann das Geschäft.

Und was ist danach mit der Ware passiert?

Das kann ich Ihnen nicht sagen, da wir hierüber keine Informationen besitzen.

Wie viele Mitarbeiter des AWM sind darin verwickelt?

Bei der Polizei werden 24 Mitarbeiter als Beschuldigte geführt. Von 11 Personen haben wir uns bereits getrennt, bei den übrigen müssen wir noch warten, bis wir Einsicht in die Polizeiakten bekommen.

Das heißt, knapp ein Viertel aller Mitarbeiter, die auf den AWM-Wertstoffhöfen arbeiten, war an den illegalen Geschäften beteiligt?

So, wie es derzeit aussieht, ja.

Wie hoch ist der wirtschaftliche Schaden für die AWM?

Das können wir nicht genau abschätzen, weil wir nicht wissen, wie lange diese Geschäfte schon betrieben wurden. Wir haben nur die Halle gesehen, wo die Altgeräte zwischengelagert wurden. Das war schon beeindruckend viel.

Wie wollen Sie sich künftig vor solchen Machenschaften schützen?

Wir haben inzwischen ein Überwachungskonzept ausgearbeitet, das wir in den kommenden Monaten umsetzen werden. Dazu gehört die Videoüberwachung rund um die Uhr, die Installation von elektronischen Schließanlagen und auch die Einführung von Kontrollanlieferungen, um die Mitarbeiter zu testen.

Planen Sie auch eine sorgfältigere Auswahl der Mitarbeiter?

Die haben wir schon. Bereits seit Jahren müssen bei uns auch Müllwerker ein Assessment-Center durchlaufen, bevor sie eingestellt werden. Aber wir werden nun auch die Meisterebene verstärken. Dadurch werden wir die Präsenz der Vorgesetzten vor Ort verbessern.

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