Verdacht auf fehlenden Wettbewerb

Kaum Anbieterwechsel und merkwürdige Unternehmensallianzen: die Abfallwirtschaft steht unter dem Verdacht, Wettbewerb zu verhindern. Das Bundeskartellamt plant, die Ausschreibungen der vergangenen Jahre zu überprüfen. Der VKU warnt vor voreiligen Schlüssen.

Bundeskartellamt untersucht Hausmüllentsorgung


Das Bundeskartellamt will eine sogenannte Sektoruntersuchung Hausmüllentsorgung einleiten. Einen entsprechenden Bericht der Tageszeitung Welt bestätigte ein Sprecher gegenüber 320°.

In dem Artikel heißt es, dass immer weniger Entsorger an Ausschreibungen teilnehmen würden und die Höhe der Müllgebühren in den einzelnen Kommunen sehr unterschiedlich seien – ohne dass dafür nachvollziehbare Gründe vorliegen. Die Monopolwächter hätten daher den Verdacht, dass „der Wettbewerb in der Abfallwirtschaft nicht mehr richtig funktioniert“.

Nach Auffassung des Bundeskartellamts käme es bei den Entsorgungsdienstleistungen relativ selten zu Anbieterwechseln. „Möglicherweise bewerben sich viele Unternehmen erst gar nicht auf Ausschreibungen, weil sie ohnehin keine Chance sehen oder im Vorfeld gar eingeschüchtert werden“, wird eine Mitarbeiterin des Kartellamts in dem Bericht zitiert. Im Fokus der geplanten Untersuchung stünden die Ausschreibungen von Entsorgungsleistungen, sowohl durch die Kommunen als auch über die Dualen Systeme.

Verkappte Monopole?

Das Kartellamt wolle auch untersuchen, warum sich in einigen Regionen große Entsorgungsunternehmen gemeinschaftlich an Ausschreibungen beteiligen, obwohl sie das auch alleine könnten, heißt es in dem Artikel weiter. Ob diese Arbeitsgemeinschaften „verkappte Monopole“ seien, die Wettbewerb verhindern und entsprechend die Müllgebühren unnötig verteuern, solle nun geprüft werden. Genannt wird das Beispiel von Remondis und Sita, die sich in der Vergangenheit gemeinschaftlich an einer Ausschreibung im Schwarzwald beteiligt hätten.

„Die in dem Welt-Artikel angesprochenen Fragen werden sicherlich eine Rolle spielen, es ist aber noch unklar, wie und in welchem Umfang“, sagte ein Sprecher des Kartellamts gegenüber 320°. Für die Einleitung einer Sektoruntersuchung sei immer eine intensive Vorbereitung notwendig, bei der auch regelmäßig Vorgespräche mit der Branche geführt werden. Die weitere zeitliche Planung sei bislang noch offen.

Der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) begrüßt die geplante Untersuchung. “Wir weisen schon seit geraumer Zeit auf die zunehmenden Konzentrationstendenzen in der Entsorgungsbranche hin, die die Luft für fairen Wettbewerb immer dünner werden lässt“, sagt Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. Es müsse auf allen Wertschöpfungsebenen gewährleistet werden, dass der Mittelstand am Markt teilnehmen kann, bekräftigt der Verband.

„Nicht die Gesamte Hausmüllentsorgung in Frage stellen“

Auch der Kommunalverband VKU begrüßt die Überprüfung, warnt aber davor, nun die gesamte Organisation der Hausmüllentsorgung in Frage zu stellen. Das gehe an der Sache vorbei, erklärte Hauptgeschäftsführerin Katharina Reiche.

Das Bundeskartellamt sei zuständig für die Überwachung der Angebote von Entsorgungsleistungen, soweit Kommunen Dritte mit der Entsorgung oder Teilen davon beauftragen. Das Kartellamt wolle mit der Sektoruntersuchung untersuchen, ob private Anbieter bei diesen Ausschreibungen wettbewerblich agieren und die Angebotskonditionen der Ausschreibungen so gestaltet sind, dass sich Wettbewerb entfalten kann. „Von einer `Überprüfung der Müllgebühren´ zu sprechen, ist in diesem Zusammenhang falsch“, betont Reiche. „Abfallgebühren unterliegen als solche nicht der Überprüfung durch das Bundeskartellamt und werden nicht untersucht.“

Dass die Müllgebühren unterschiedlich hoch sind, liege nicht nur an den Intervallrhythmen der Abholung oder an den Behältergrößen. Differenzen ergäben sich auch durch unterschiedliche Leistungsangebote. In einigen Kommunen seien etwa Holservices für die Sperrmüllentsorgung durch die Gebühren abgedeckt, während diese Leistungen in anderen Kommunen kostenpflichtig sind. Eine weitere Rolle spiele die Einwohnerdichte. In weniger dicht besiedelten Gebieten müssten lange Wege zurückgelegt werden, was die Entsorgung erschwert.

„Es gibt eine Reihe von Faktoren, die die Zusammensetzung von Müllgebühren beeinflussen“, erklärt Reiche. „Die Ausgestaltung der Ausschreibungen ist ein Faktor neben vielen anderen.“

 

320°/db

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