Kommunale Erfassung

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Revisionsurteil nochmals klargestellt, nach welchen Kriterien sich eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bemisst. Hintergrund ist ein Rechtsstreit um eine gewerbliche Alttextilsammlung.

BVerwG weist Kriterien des OVG Münster zurück


Vor gut einem Jahr hatte das Bundesverwaltungsgericht in einem viel beachteten Urteil klargestellt, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit eine gewerbliche Sammlung die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (örE) gefährdet. Damals hatte das Gericht entschieden, dass gewerbliche Altkleidersammlungen nicht schon deshalb untersagt werden können, weil der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger für Alttextilien ein hochwertiges Erfassungssystem bereitstellt. Vielmehr bedürfe es der eingehenden Prüfung, inwieweit sich die gewerbliche Sammlung auf die Sammlung des örE auswirkt.

Das Bundesverwaltungsgericht argumentierte, dass sich die Beeinträchtigung in erster Linie nach dem Anteil der Sammelmenge richte, die dem örE durch die neue hinzutretende gewerbliche Sammlung unter Berücksichtigung auch anderer angezeigter Sammlungen und bei Einbeziehung gemeinnütziger Sammlungen voraussichtlich entzogen wird. Dabei nannten die Richter eine Schwelle von 10 bis maximal 15 Prozent bezüglich der entzogenen Abfallmengen. Oberhalb dieser Schwelle sei von einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit des örE auszugehen.

Nun hat das Bundesverwaltungsgericht diese Kriterien nochmals bestätigt (BVerwG, Urt. v. 11. Juli 2017, BVerwG 7 C 35.15 / 7 C 36.15). Anlass waren Untersagungsverfügungen eines Kreises und einer kreisfreien Stadt in Nordrhein-Westfalen gegen ein internationales Entsorgungsunternehmen, welches gewerbliche Sammlungen von Alttextil- und Schuhabfällen aus privaten Haushaltungen auf dem Gebiet des zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers angezeigt hatte.

Der Kreis und die kreisfreie Stadt begründeten die Untersagungsverfügungen damit, dass durch die Sammlung Abfälle erfasst würden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bereits ein hochwertiges Sammelsystem eingerichtet habe. Daraufhin reichte der private Entsorger Klage ein. Nachdem das Verwaltungsgericht Köln in erster Instanz den Klagen gegen die Untersagung stattgegeben hatte, hatte das OVG Münster das Urteil des VG geändert und die Klagen abgewiesen.

Faustgrößen für Einzelfallbetrachtung

In seinem Urteil hatte das OVG dargelegt, unter welchen Voraussetzungen die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers aufgrund der gewerblichen Sammlung gefährdet ist. Das OVG Münster entwickelte dazu gewisse Faustgrößen zur Strukturierung der erforderlichen Einzelfallbetrachtung, wie der Kölner Rechtsanwalt Ralf Gruneberg erklärt:

  • Gewerbliche Sammelmengen, die dem örE weniger als 10 Prozent entziehen, stellen keine Beeinträchtigung dar;
  • Entzieht die gewerbliche Sammlung mehr als die Hälfte der örE-Sammelmengen, ist ein Schädigungspotenzial zu vermuten,
  • Im verbleibendem Zwischenraum von etwa 10 bis 50 Prozent obliegt es dem örE, konkrete Auswirkungen auf seine Funktionsfähigkeit und auf seinen Blickwinkel der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung plausibel zu machen. Gemeinnützige Sammlungen seien bei dieser Auswirkungsprognose.

Den Kriterien des OVG Münster ist das Bundesverwaltungsgericht nunmehr deutlich entgegengetreten. Wenn das OVG Münster eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers erst anerkenne, wenn die gewerbliche Sammlung mehr als 50 Prozent der Gesamt-Sammlung entziehe, verstoße dieses gegen Bundesrecht, erklärten die Richter nach Grunbergs Darstellung. Vielmehr sei eine Irrelevanzschwelle von 10 bis 15 Prozent zu berücksichtigen, unterhalb derer wesentliche Änderungen der Entsorgungsstruktur typischerweise nicht zu erwarten seien. Sei die Irrelevanzschwelle jedoch einmal überschritten, bliebe es bei der Regelvermutung der Beeinträchtigung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers.

Zudem seien bei der Gegenüberstellung der durch den örE erzielten Sammelmenge und der Gesamtbelastung durch andere Sammlungen auch gemeinnützige Sammlungen zu berücksichtigen. Maßgeblicher Zeitpunkt sei dabei nicht die vollständige Anzeige der Sammlung, sondern die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht.

Beachtenswert ist laut Gruneberg, der vor dem Bundesverwaltungsgericht die kommunale Seite vertreten hat, auch die Klarstellung, dass die Regelvermutung einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung nicht dadurch widerlegt werden kann, dass der örE Jahr für Jahr höhere Sammelmengen verzeichne. Denn bei der Beurteilung der Veränderungen für den örE sei grundsätzlich auf einen festen Zeitpunkt abzustellen, in dem die möglichen Entwicklungen Berücksichtigung finden.

Im Übrigen hätten die Richter darauf hingewiesen, dass eine Untersagungsverfügung auch später als drei Monate nach der Anzeige erlassen werden kann. Denn die in Paragraf 18 Abs. 1 KrWG genannte Frist, wonach Sammlungen spätestens drei Monate vor ihrer beabsichtigten Aufnahme anzuzeigen seien, sei keine Entscheidungsfrist. Die Frist sei vielmehr eingeführt worden, um eine angemessene Beteiligung der betroffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und einen ausreichenden Zeitraum zur Überprüfung der Zulässigkeit der Sammlung zu gewährleisten.

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