Altreifen-Pyrolyse

Betreiber von Pyrolyse-Anlagen für Altreifen tun sich schwer mit dem Absatz von recyceltem Carbon Black. Dabei dient der Industrieruß als Grundstoff für viele Industriebereiche. Doch es gibt Möglichkeiten, die Marktfähigkeit der Produkte zu steigern, sagen zwei Unternehmensberater.

Carbon Black: „Noch ein weiter Weg“


Der Hochtechnologie-Werkstoff Carbon Black dient in vielen Industriebereichen als Grundstoff. Der größte Absatzmarkt ist die Fahrzeugindustrie, wo der Ruß vor allem bei der Herstellung von Reifen und Gummi eine Rolle spielt. Aber auch in der Farbstoff- und Kunststoffproduktion steigt der Bedarf am Industrieruß. Experten rechnen mit einem jährlichen Marktwachstum von mindestens 4 Prozent. Allein in jedem Pkw-Reifen stecken rund zwei bis drei Kilogramm Carbon Black.

Das Problem ist jedoch, dass die Herstellung dieses technischen Rußes rohstoff- und energieintensiv ist. Denn für jede Tonne Carbon Black müssen rund 1,7 Tonnen fossile Brennstoffe, also Öl und Gas, aufgewendet werden. Die Folge sind relativ hohe Kosten: Je nach Qualität und Ölpreis kostet eine Tonne des Industrierußes über 1.000 Euro.

Eine Alternative wäre es, den bei der Altreifen-Pyrolyse zurückgewonnenen Carbon Black zu verwenden. Das würde der Industrie helfen, Energie und Kosten zu sparen. Doch die potenziellen Abnehmer halten sich bislang noch zurück. „Bis die Industrie davon überzeugt ist, dass recovered Carbon Black (rCB) genauso gut ist wie neuer Carbon Black, ist es noch ein weiter Weg“, sagte François Terrade bei der Altreifenkonferenz der European Tyre Recycling Association (ETRA) vergangene Woche in Brüssel. „Noch herrscht bei vielen die Meinung, dass rCB nur Asche ist“, erklärte der Gründer des Beratungsunternehmens Pro2Act Management.

Akzeptanzprobleme gibt es dabei weniger hinsichtlich der Dispersität von rCB. Hier sind bereits etliche Hürden genommen worden, um eine möglichst gleiche Verteilung der Substanz und damit eine möglichst hohe Reaktionsfähigkeit zu erhalten. Probleme bereiten eher die Oberflächenstruktur, die Porosität und die Aktivität des rCB. Dadurch wird die Fähigkeit des zurückgewonnenen Carbon Black eingeschränkt, einen chemischen Verbund mit dem Gummi einzugehen.

Um Abhilfe zu schaffen, schlägt Terrade die Behandlung des wiedergewonnenen Carbon Black mit Ätznatron, Salz oder freiem Schwefel vor. Dadurch würde die Aktivität angekurbelt. Um außerdem die Oberflächenpolarität zu verbessern, bietet sich die Verwendung eines Bindemittels an. „Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass die Polarität des Siliziumdioxids mit seiner großen inneren Oberfläche beim Vermischungsvorgang den Gebrauch des apolaren Silan – einem aus Silizium und Wasserstoff bestehenden Gas – erfordert“, erklärte der Carbon-Black-Experte.

Teamwork mit anderen Industrien

Darüber hinaus sollten sich die Betreiber von Pyrolyse-Anlagen nicht scheuen, die Carbon-Black- und Reifenindustrie um Hilfestellung zu bitten. „Auch wenn jeder sein eigenes Ding durchziehen könnte, im Team könnte die Forschungs- und Entwicklungsarbeit erheblich verkürzt werden und zu einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten führen“, sagte Terrade. „Anstatt miteinander im Wettbewerb zu liegen, könnten alle Blending-Aktivitäten viel besser in einer von der Carbon-Black-Industrie gesteuerten aktiven Partnerschaft mit den rCB-Produzenten als neue Produktlinien durchgeführt werden.“

Eine industrieübergreifende Zusammenarbeit zur Entwicklung maßgeschneiderter Carbon Blacks empfiehlt auch der unabhängige Berater Martin von Wolfersdorff. Denn nur wenn der rCB hundertprozentig zu den verschiedenen Anwendungen passe, könne eine möglichst hohe Wertschöpfung erzielt werden. Inspirationsquellen für die Verwendung von rCB könnten die Anwendungsgebiete von fabrikneuem Carbon Black in Kunstoffen, Beschichtungen oder Zement sein. Damit rät von Wolfersdorff von der alleinigen Fokussierung auf die Reifenindustrie ab. „Schauen Sie sich nach anderen Anwendungsgebieten um. Denn der Weg von rCB in die Hightech-Technologie der Reifen ist ein sehr steiniger.“

Diese Erfahrung dürfte im Laufe der Jahre bereits einige Unternehmen gemacht haben. „Viele dachten, dass die Rückgewinnung von Carbon Black eine ‚Alice im Wunderland‘-Geschichte ist. Dieses Wunderland habe ich bislang allerdings nicht entdeckt“, sagte von Wolfersdorff. Viele Unternehmen, darunter auch große Firmen, befänden sich noch immer in der Förderphase oder in einem frühen Stadium der Vermarktung. Ebenso wie die Produktentwicklung von rCB.

Wichtig sei in jedem Fall, eine klare Vorstellung vom Geschäftsmodell und eine vorausschauende und vor allem realistische Marktvision zu haben, betonte der Berater. Darüber hinaus müssten komplexe Verkaufsprozesse gemeistert werden. Die Unternehmen müssten die gesamte Wertschöpfungskette bewerten und dafür planen. Sie müssten zudem auf jeder Wertschöpfungsstufe die Buying Center identifizieren und abdecken. „Aus technischer Sicht ist die Branche voll ausgereift, allerdings verfügen viele nicht über ausreichende Kompetenz, um diese komplexe Marktstruktur zu beherrschen“, sagte von Wolfersdorff. „Das ist auch ein Grund für den schwerfälligen Markteintritt, weshalb sie noch immer nicht auf dem Markt präsent sind.“

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