Interview zum Leitfaden KAS 25

bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock über den Streit um KAS 25 und die Folgen für das Genehmigungsverfahren, wenn der Leitfaden in der aktuellen Form tatsächlich umgesetzt wird.

„Da kann man den Laden dichtmachen“


KAS 25 heißt der neue Leitfaden, den die Kommission für Anlagensicherheit (KAS) erstellt hat und der seit Monaten die Entsorgungsbranche in Aufruhr versetzt. Das Schriftstück soll in Genehmigungsverfahren oder im Rahmen der behördlichen Überwachung bei der Entscheidung helfen, ob eine Anlage oder ein Betrieb aufgrund der vorhandenen Abfälle unter den Geltungsbereich der Störfall-Verordnung (12. BImSchV) fällt. Abfälle mit einem gefährlichen Abfallschlüssel werden hierfür den Stoffkategorien der Störfall-Verordnung zugeordnet. Von dieser Entscheidung ist dann abhängig, welche Pflichten der jeweilige Betreiber zu erfüllen hat.

Quelle: bvse
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Herr Rehbock, die Aufregung um KAS 25 ist groß. Nun gerät der bvse selbst in die Kritik. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), der Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit ist, wirft Ihnen Versagen vor. Was haben Sie falsch gemacht?

Über diese Aussage seitens des BBU muss man sich schon sehr wundern. Fakt ist doch: Da wurde im stillen Kämmerlein ein Leitfaden ausgemacht, ohne dass irgendjemand aus unserer Branche informiert oder eingebunden war. Selbst die Verantwortlichen im Bundesumweltministerium hatten davon keine Kenntnis. Ich denke, das sagt doch alles.

Der BBU kritisiert, dass die Entsorger sich weigern, Daten über gefährliche Abfälle zur Verfügung zu stellen.

Der BBU hat uns vorgeworfen, dass wir für ein angebliches Vollzugsdefizit bei der Anwendung der Störfall-Verordnung verantwortlich seien. Das ist absolut nicht wahr. Es ist seit vielen Jahren geübte Praxis, dass im Genehmigungsverfahren alle betroffenen Fachbehörden beteiligt werden und dann untersucht wird, welche Gefahren von welchem Abfall ausgehen. Und darauf basiert dann die Beurteilung, ob es sich um einen Störfallbetrieb handelt oder nicht. Das geht im Abfallbereich auch gar nicht anders, weil jeder Abfall anders ist. Da muss man eine Einzelfallbetrachtung durchführen.

Und das will der BBU nun ändern?

Offenkundig. Der BBU vertritt die Auffassung, dass jeder Abfall mit einem Gefahrenpotenzial automatisch unter die Störfallverordnung fallen sollte. Aber das ist Unsinn. Es ist nicht möglich, eine Pauschalisierung für alle 405 bestehenden Abfallschlüssel vorzunehmen und im nächsten Schritt all diese gefährlichen Abfälle unter die Störfallverordnung fallen zu lassen. Kein Abfall ist wie der andere. Das gilt auch für gefährliche Abfälle.

Angenommen, diese Pauschalregelung setzt sich dennoch durch. Welche Konsequenzen hätte das für die betroffenen Entsorgungsunternehmen?

Zum einen entstünde natürlich ein finanzieller und organisatorischer Mehraufwand, weil beispielsweise ein extra Berichtswesen eingeführt werden müsste. Noch viel schlimmer wiegt aber, dass wir ein riesiges Problem im Genehmigungsverfahren hätten. Es gibt bereits Berichte über Kommunen, die ihre Bebauungspläne auf Basis von KAS 25 ändern und als Störfallbetriebe deklarierte Unternehmen in ihrer Region nicht mehr zulassen wollen. Das heißt, man bekommt einen Entsorgungsbetrieb oder eine Erweiterung gar nicht mehr genehmigt. Auf diese Weise entzieht man den Unternehmen die wirtschaftliche Grundlage und gefährdet gleichzeitig die Entsorgungssicherheit.

Das Bundesumweltministerium ist nun bereit, den Leitfaden zu überarbeiten. Welche Änderungen stehen konkret im Raum?

Das ist schwer zu sagen, weil es noch keine wirklich konkreten Äußerungen dazu gibt. Das BMU will offenbar an einigen ausgesuchten Abfallschlüsselnummern Korrekturen vornehmen. Aber links und rechts ein bisschen was zu ändern, hilft uns bei der Grundproblematik überhaupt nicht.

Aber was genau ist mit Korrekturen gemeint?

Das könnte beispielsweise heißen, dass ausgesuchte Abfälle zwar als gefährlich gelten, aber nicht als so gefährlich, dass sie unter die Störfallverordnung fallen. Den Beweis dafür sollen allerdings wir erbringen. Man will also einfach die komplette Last auf unsere Unternehmen legen. Und deshalb kommen wir da nicht weiter. Manche Unternehmen haben 100 bis 200 gefährliche Abfallschlüssel genehmigt. Stellen Sie sich mal vor, Sie müssen für jede Abfalllieferung den Beweis erbringen, dass der Abfall nicht gefährlich im Sinne der Störfallverordnung ist. Da kann man seinen Laden gleich dichtmachen.

Was wäre denn nun die Alternative?

Es muss ein komplett neuer Ansatz her. Dazu gehört, dass für die Bewertung des Gefährdungspotenzials nicht der gesamte Input zählt. Wenn jemand fünf Tonnen E-Schrott auf dem Hof liegen hat, kann es nicht sein, dass er automatisch ein Störfallbetrieb ist. Für die Bewertung ist vielmehr heranzuziehen, wie viele gefährliche Stoffe im E-Schrott enthalten sind. In der Regel macht das weniger als 1 Prozent aus.

Sie wollen also die bestehende Praxis beibehalten?

Ja, warum sollten wir etwas ändern, was Sinn macht und sich bewährt hat? Für die Beurteilung, ob die Störfallverordnung greift oder nicht, kann man nicht einfach den gesamten Input zugrunde legen. Das kann man im Stoffrecht tun, wo ein Stoff in reiner Form vorliegt. Das ist aber bei kaum einem Entsorgungsbetrieb der Fall. Die Störfallverordnung wurde ja auch nicht für die Entsorgungswirtschaft entwickelt, sondern für die Chemische Industrie.

Und dennoch werden Sie sich einigen müssen. Zu welchem Kompromiss sind Sie bereit?

Der Kompromiss läuft dahingehend, dass wir gerne bereit sind, an der Überarbeitung von KAS 25 mitzuarbeiten. Das hätten wir auch schon im Vorfeld getan, wenn wir darüber informiert gewesen wären. Aber klar ist auch: Eine Pauschalisierung ohne Betrachtung der einzelnen Inhaltsstoffe werden wir sicher nicht akzeptieren.

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