Interview

Wohin mit Asphaltschichten, die teer- oder pechhaltige Bestandteile enthalten? Auf die Deponie? Theoretisch wäre das möglich, in der Praxis aber geben Ausschreibungen einen anderen Entsorgungsweg vor, erklärt BDE-Vertreterin Sandra Giern im Interview. Sie warnt vor negativen Folgen für die Entsorgungswirtschaft.

„Dann hätten wir keine Entsorgungs-sicherheit mehr“


Seit Anfang des Jahres dürfen Asphaltgemische mit teer-/pechhaltigen Bestandteilen nicht mehr in Tragschichten von Bundesfernstraßen eingebaut werden. Hintergrund ist ein Allgemeines Rundschreiben des Bundesverkehrsministeriums, das den Einsatz dieser Materialien untersagt. Theoretisch könnte das Material auf der Deponie verwertet oder beseitigt werden. In der Praxis zeichnet sich jedoch zunehmend die thermische Behandlung ab, wie Sandra Giern, Referentin des Entsorgerverbandes BDE, erläutert. In einigen Bundesländern werde die thermische Behandlung in den Ausschreibungen explizit gefordert – sehr zum Missfallen mancher Entsorgungsunternehmen.

Frau Giern, teer- oder pechhaltige Asphaltgemische dürfen seit Jahresbeginn nicht mehr in Tragschichten von Bundesfernstraßen eingebaut werden. Sie müssen deponiert oder thermisch behandelt werden. Dagegen ist eigentlich wenig einzuwenden, oder?

BDE
BDE

Ja, absolut. Wir können die Intention der Bundesregierung, schadstoffhaltige Materialien aus dem Kreislauf auszuschleusen, gut nachvollziehen. Damit haben wir auch kein Problem.

Was stört Sie dann?

Uns stört, dass in aktuell laufenden Ausschreibungen die thermische Behandlung als alternativlose Entsorgung vorgegeben wird. Diese Vorgabe findet sich in allen neuen Ausschreibungen, die wir kennen. Das Problem dabei ist, dass es in Deutschland keine Anlage gibt, die teerhaltige Asphaltgemische thermisch behandeln kann. Es gibt nur eine Anlage, die in der Lage ist, diese Asphaltgemische thermisch zu behandeln, und die steht in den Niederlanden.

Und die Entsorgung in dieser Anlage ist teurer als die Deponierung?

Das hängt natürlich vom Einzelfall ab. Es geht dabei nicht nur um die Behandlungskosten, sondern auch um die Logistikkosten sowie ökologische Aspekte. Wenn beispielsweise Asphaltgemische aus dem Süden oder Osten Deutschlands in die Niederlande gebracht werden müssen, stellt sich nicht nur die Kostenfrage, sondern auch die Frage nach der Umweltbelastung durch solch lange Transportwege.

Für welche Bundesländer stellen Sie die erwähnte Ausschreibungsvorgabe fest?

Wir sehen diese Entwicklung unter anderem in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Und wir gehen davon aus, dass andere Bundesländer diesem Beispiel folgen werden.

Die Anlage in den Niederlanden, die von der Firma Recycling Kombinatie REKO betrieben wird, hat eine Behandlungskapazität von 750.000 Tonnen pro Jahr. In Deutschland fallen jedes Jahr rund 2,7 Millionen Tonnen teerhaltiges Material an. Davon werden auf der Deponie circa 688.000 Tonnen beseitigt und circa 768.000 Tonnen verwertet. Kann die Anlage in den Niederlanden überhaupt das ganze Material aus Deutschland aufnehmen?

Das ist die Frage, die wir uns auch stellen. Wir befürchten, dass wir mit der alternativlosen Festlegung auf die thermische Behandlung ein Nadelöhr in den Niederlanden erzeugen. Nach unserem Kenntnisstand ist für Deutschland keine thermische Behandlungsanlage dieser Art geplant. Von daher stellt sich die Frage, wie viel Kapazität in der niederländischen Anlage künftig noch zur Verfügung stehen wird.

Sie rechnen mit steigenden Behandlungspreisen?

Zumindest ist es zu befürchten. Das alleine wäre schon schlimm, aber noch viel schlimmer ist das Szenario, dass wir gegebenenfalls auf einen Entsorgungsengpass zusteuern, wenn die Kapazität in den Niederlanden nicht ausreichen wird. Dann hätten wir keine Entsorgungssicherheit mehr.

Haben Sie das Bundesverkehrsministerium bereits auf die Problematik aufmerksam gemacht?

Ja, schon vor einiger Zeit. Eine schriftliche Antwort liegt uns zwar noch nicht vor, aber das Bundesverkehrsministerium hat uns mündlich mitgeteilt, dass wir uns an den Bundesrechnungshof wenden sollen, was wir mittlerweile auch getan haben.

Warum an den Bundesrechnungshof?

Weil es der Bundesrechnungshof war, der im Jahr 2013 geprüft hatte, ob der Bund im Straßenbau die Finanzmittel richtig einsetzt. Dabei kam der Bundesrechnungshof zum Ergebnis, dass der Wiedereinbau in der Straße nicht erlaubt ist und der teerhaltige Straßenaufbruch einer thermischen Behandlung zuzuführen ist. Das Bundesverkehrsministerium war nach eigener Aussage also nur der Überbringer schlechter Nachrichten. Das Ministerium selbst, so lautete die mündliche Auskunft, habe keine Befugnis, gegen die Prüfung des Bundesrechnungshofes vorzugehen.

Wenn der Bundesrechnungshof so entschieden hat, hält er die thermische Behandlung offenbar für kostengünstiger als die Deponierung.

Davon könnte man ausgehen, ja. Aber die Entscheidung des Bundesrechnungshofes folgte einem ganz anderen Grundsatz, nämlich den Einbau belasteter Mengen zu verhindern und somit bei zukünftigen Sanierungsmaßnahmen eine Mengenmehrung kontaminierten Materials zu vermeiden. Denn dieses Material wäre zu einem späteren Zeitpunkt auch zu höheren Kosten zu entsorgen. Das ist absolut nachvollziehbar, aber der zweite Step, die thermische Behandlung als Entsorgungsvorgabe zu setzen, muss mit heutigen Kenntnissen hinterfragt werden. Heute stellt sich der Entsorgungssachverhalt gegenüber 2013 möglicherweise neu dar. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sämtliche Mengen aus Deutschland und vielleicht auch aus anderen Ländern in der thermischen Behandlungsanlage in den Niederlanden entsorgt werden müssen und es keine vergleichbaren Anlagen in Deutschland gibt und auch keine geplant sind. Unter diesen Umständen werden wir sehr wahrscheinlich auf die Verteuerung der thermischen Behandlung zulaufen und dies widerspricht der ursprünglichen Intention des Bundesrechnungshofes, nämlich kostensparend Straßen zu bauen und zu sanieren.

Wie beurteilen Sie die Chancen, dass es zu einem Gespräch mit dem Bundesrechnungshof kommen wird?

Das ist schwer zu sagen. Wir haben den Bundesrechnungshof in der vergangenen Woche angeschrieben, mit der Bitte um ein Gespräch zu diesem Thema. Wir müssen die Reaktion abwarten.

Mehr zum Thema
Fragen und Antworten zum PET-Markt in Europa
Institute senken Konjunkturprognose – Nur noch Miniwachstum
Nur ein Prozent der Bauabfälle in NRW gehen in den Hochbau
„Noch wenig Hinweise auf konjunkturelle Belebung“
UN-Bericht: Die Welt produziert Jahr für Jahr mehr Elektroschrott
Neue DK-0-Deponie in Nordrhein-Westfalen