Abfallverbrennung

Müllverbrennungsanlagen werden auch in Zukunft benötigt, das ist relativ unstrittig. Die Frage ist aber, welche Kapazitäten noch nötig sein werden, wenn in der EU das Recycling wie geplant forciert wird. Deutlich weniger? Keineswegs, meinen Abfallverbrenner, sondern eher mehr.

„Dann ist da eine Riesenlücke“


Betrachtet man die Zahlen von Eurostat für 2014, dann zeigt sich folgendes Bild: In Europa sind 2014 rund 240 Millionen Tonnen Siedlungsabfall angefallen. Geht man davon aus, dass in Zukunft die erklärte Ziel-Recyclingquote von 65 Prozent auch tatsächlich erreicht wird, kommt man grob berechnet auf eine benötigte Abfallverbrennungskapazität von rund 80 Millionen Tonnen in Europa.

Zieht man noch weitere Zahlen zu Rate, dann erkennt man, dass in den kommenden Jahren voraussichtlich rund 75 Millionen Tonnen Monoverbrennungs- und Mitverbrennungskapazität für Siedlungsabfälle zur Verfügung stehen werden. Geht man ferner noch davon aus, dass die Bemühungen zur Abfallvermeidung noch stärker greifen werden, passen Aufkommen und Verbrennungskapazität relativ gut zusammen. Also kein Korrekturbedarf? Und wenn, dann höchstens eine Anpassung der Verbrennungskapazitäten nach unten?

Das kann man so sehen. Aber man kann es auch anders sehen. Carsten Spohn, Geschäftsführer des MVA-Betreiberverbands ITAD, zählt zu denjenigen, die es anders sehen. „Wir haben nicht nur den Siedlungsabfall, sondern auch den Gewerbemüll“, sagte er vergangene Woche bei der Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz. Gewerbeabfälle würden in Industriestaaten erfahrungsgemäß 90 bis 100 Prozent des anfallenden Siedlungsabfalls ausmachen, erklärte er. Zusammengerechnet käme man also auf ein Gesamtaufkommen von rund 440 Millionen Tonnen.

Nötige Verbrennungskapazität von 120 Millionen Tonnen

Die Rechnung, die Spohn sodann aufmachte, sieht wie folgt aus: Er geht davon aus, dass bis zum Jahr 2040 rund 40 Millionen Tonnen weniger Siedlungsabfall sowie 60 bis 70 Millionen Tonnen weniger Gewerbeabfälle anfallen werden. Deponiert werden zu diesem Zeitpunkt 7 Prozent der Abfälle. Außerdem unterstellt er, dass die Sortierreste von aktuell 60 bis 65 Millionen Tonnen um 20 Millionen Tonnen zurückgehen, weil „wir einfach effizienter werden“.

Bei einer angenommenen Recyclingquote von 70 Prozent bliebe somit unterm Strich eine notwendige Verbrennungskapazität von rund 120 Millionen Tonnen, sagte Spohn. Tatsächlich stünden derzeit für Siedlungsabfall und Gewerbemüllabfall aber nur 90 Millionen Monoverbrennungskapazität und 11,5 Millionen Tonnen Mitverbrennungskapazität zur Verfügung. „Dann ist da eine Riesenlücke.“

Aus Spohns Sicht ist es deshalb verwunderlich, warum darüber diskutiert wird, den Anlagenpark in Europa abzubauen. Er glaubt aber, die Antwort zu kennen. „Das passiert deshalb, weil sich alle immer nur auf die Siedlungsabfälle konzentrieren, weil da die Statistiken sehr gut sind.“

„Geschlossener Stoffkreislauf ist eine Vision“

„Ich denke, wir werden thermische Abfallbehandlungsanlagen noch eine ganze Zeit lang brauchen“, sagte der Verbandsvertreter. Ein geschlossener Stoffkreislauf sei eine Vision. Die Realität sehe anders aus und es werde auch weiterhin einen großen Anteil an Schadstoffen geben, für den es eine Schadstoffsenke brauche. „Ich glaube auch nicht, dass es unsere Industrie schaffen wird, in den nächsten 10 bis 15 Jahren auf bestimmte Stoffe verzichten zu können.“

Spohn machte auch deutlich, bei wem er die Verantwortung für die Existenz von Schadstoffen sieht. Nämlich bei den Herstellern und den Verbrauchern. „Was nicht sein kann, ist, dass diejenigen, die den Dreck beseitigen oder verwerten, den die Gesellschaft hinterlässt, dafür verantwortlich gemacht werden, was die oben in der Prozesskette versäumt haben“, sagte er. „Das, was bei uns landet, ist das, was die Gesellschaft schlecht gemacht hat.“

Mehr zum Thema
Wird die Energie- und Antriebswende ausgebremst?
Kreislaufwirtschaft: Deutschland und China vereinbaren Aktionsplan
Alternative Papiersorten: Wie gut sind die Top Ten wirklich?
Mehr Fernwärme aus Abfällen: Neue Technologie in MVA Borsigstraße
Rohstoffimporte: „Höchste Zeit für einen Kurswechsel“
Gute Nachfrage lässt Altpapierpreise steigen
Deutsche Industrie weiter im Plus