Interview

Die Verhandlungen über den neuen Flächentarifvertrag in der Entsorgungsbranche haben begonnen. Aus Sicht des Arbeitgeberverbands BDE gibt es nur wenig verteilen, aus Sicht der Gewerkschaft Verdi allerdings schon. Die Verdi-Vertreterin Katrin Büttner-Hoppe erklärt im Interview mit 320°, was Verdi fordert und welchen Stellenwert der Tarifvertrag noch hat.

„Dann werden wir den Flächentarifvertrag in Frage stellen“


Die Verhandlungen für den neuen Flächentarifvertrag in der Entsorgungswirtschaft haben am vergangenen Montag (23. Januar) begonnen. Der Entsorgerverband BDE hatte bereits im Vorfeld erklärt, dass er schwierige Verhandlungen erwartet. Die gegenwärtigen Forderungen von ver.di seien „aus dem Wolkenkuckucksheim und mit der Realität auf den Höfen unserer Mitglieder vor Ort nicht in Einklang zu bringen“, erklärte BDE-Vizepräsident Oliver Gross in seiner Funktion als Besonderer Vertreter des Verbands in Tarifangelegenheiten.

Auf BDE-Seite verhandelt neben Gross auch das BDE-Vorstandsmitglied Frank-Steffen Meinhardt und Frank Dohmen von Remondis. In letzter Minute hinzugestoßen ist außerdem Jürgen Richlitzki, Geschäftsführer der Berlin Recycling GmbH. Auf Seiten von ver.di werden die Verhandlungen von Katrin Büttner-Hoppe, Leiterin der Bundesfachgruppe Abfallwirtschaft, und Gerd Walter, Gewerkschaftssekretär und dort zuständig für die Abfallwirtschaft in NRW, geführt.

Frau Büttner-Hoppe, der BDE stellt sich bereits auf schwierige Verhandlungen ein. Sie auch?

ver.di
ver.di

Die Verhandlungen mit dem BDE waren schon immer schwierig (lacht). Aber wir werden uns nicht in irgendeiner Form abspeisen lassen. Wir haben in der Vergangenheit stets versucht, den BDE als Arbeitgeberverband zu erhalten, und deshalb immer unterstützt, dass Unternehmen in den Arbeitgeberverband eintreten. Aber in den letzten Jahren ist da einfach nichts mehr passiert.

Wie viele Unternehmen haben noch eine Tarifbindung zum BDE?

Nur noch eine Hand voll. Der BDE bildet längst nicht mehr die Fläche der Entsorger ab. Jahrelang war der BDE-Tarifvertrag die Referenz, aber die hat er über die Jahre verloren, da der Vertrag nicht aktualisiert wurde. Veolia ist zum Beispiel längst mit uns im Gespräch bezüglich eines eigenen Manteltarifvertrags. Fast alle Unternehmen, die Mitglied in dem Arbeitgeberverband sind, stellen im Rahmen von eigenen Betriebsvereinbarungen neue Mitarbeiter nicht mehr in den vorgesehenen Stufen ein.

Für wie viele Arbeitnehmer führen Sie die Verhandlungen noch?

Das wissen wir nicht, weil der BDE die Zahlen nicht offenlegt. Von daher diskutieren wir bei ver.di schon seit vielen Jahren, ob sich hier der Flächentarifvertrag noch lohnt. Zumal es nicht mal mehr beim Mindestlohn eine Abhängigkeit zum BDE gibt. Da bekommen wir auch über die Großunternehmen in der Fläche Unterstützung, da der Mindestlohn auch für Stabilität in der Branche sorgt.

Was fordern Sie in den Tarifverhandlungen?

Wir fordern sechs Prozent mehr Gehalt im Volumen.

Was heißt „im Volumen“?

Das bedeutet vor allem nicht, dass wir sechs Prozent mehr Lohn fordern. Sondern zuallererst eine Neustrukturierung des Tarifvertrags. Wir haben vollkommen veraltete Strukturen, die nachweislich nach Befragung der Beschäftigten ohnehin nicht mehr gelebt werden.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Eigentlich müsste ein Müllwagenfahrer, der neu eingestellt wird, in der Entgeltstufe 1 anfangen. Allerdings werden Sie niemanden finden, der für dieses Geld fährt. Aus diesem Grund wurde das aufgeweicht und die Leute werden anders eingestuft. Dann kann man auch gleich die Struktur ändern. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass in den vergangenen 15 Jahren nur die Entgelttabellen angepasst wurden. Die Struktur ist gleichgeblieben.

Wie könnte eine neue Struktur aussehen?

Zunächst wollen wir, dass die Vergütungsstufen 1 und 2 komplett gestrichen werden. Dort werden in vielen Fällen Sortierkräfte oder einfache Helfer eingestuft. Da diese Arbeit aber meist ausgelagert wird, befinden sich dort kaum noch Beschäftigte. Und die wenigen, die es dann noch betrifft – nach unseren Berechnungen sind das vielleicht noch 3 Prozent – die rücken gleich in die Stufe 3 auf. Das macht für einen Beschäftigten in der Gruppe 1 dann etwa 5 Prozent und für die aus Gruppe 2 dann 2,5 Prozent mehr Lohn aus. Wir haben ausgerechnet, dass das die Arbeitnehmer etwa 0,6 Prozent mehr kostet.

Haben Sie noch weitere Forderungen?

Ja, und zwar mit Blick auf die Entgeltstufen. Im Jahr 2011 wurde festgelegt, dass alle Neueingestellten in der privaten Entsorgung keine Stufensteigerung haben – sie wandern also nicht alle paar Jahre automatisch gehaltsmäßig nach oben. Hier wollen wir auch die ersten beiden Stufen streichen und alle Betroffenen würden in die dritte Stufe rutschen. Genau wie bei den Vergütungsstufen bedeutet das je nach Stufe 5 oder 2,5 Prozent mehr Geld. Auch hier sind das für die Arbeitgeber etwa 0,6 Prozent mehr Kosten.

Was passiert mit denjenigen, die in der Entgeltstufe 3 und höher sind?

Die Stufensteigerung soll wieder in Gang gesetzt werden und jeder Beschäftigte eine Stufe weiterrutschen. In Bezug auf unsere Volumenforderung macht das etwa 2 Prozent aus. Für diejenigen Beschäftigten, für die die Stufensteigerung noch gilt, oder diejenigen, die schon in der höchsten Stufe 8 sind, soll das Entgelt prozentual angehoben werden. An der Volumenforderung macht das nochmal 2,4 Prozent aus.

Dann fehlen aber noch Aspekte, um auf die geforderten 6 Prozent zu kommen.

Ja, durchaus. Denn hinzu kommt noch unsere Forderung, dass die Stundenlöhne im Osten an die westlichen Löhne bei Beibehaltung von 171 Stunden angepasst werden – das macht nochmal 0,4 Prozent aus. Allerdings betrifft das nur die Dresdener Stadtreinigung. Und zuletzt fordern wir, dass Auszubildende 100 Euro mehr bekommen.

Was passiert, wenn der BDE sich gegen Ihre Forderungen sperrt?

Wenn wir uns auf den kommenden Treffen am 15. Februar und 8. März nicht einigen können, dann werden wir den Flächentarifvertrag in Frage stellen und die Verhandlungen abbrechen.

Das könnte in der Konsequenz bedeuten, dass Sie mit jedem Unternehmen einen Haustarifvertrag verhandeln müssten.

Ja, aber das würden wir in Kauf nehmen. Denn, wie gesagt: Der BDE bildet längst nicht mehr die Fläche der Entsorger ab.

© 320°/ek | 26.01.2017

Mehr zum Thema
Die neue Abfall­­­verbringungsverordnung kann kommen
Erstes deutsches Unternehmen für Schiffsrecycling
Verpackungsmüll: Warum bayerische Kommunen weiterhin auf das Bringsystem setzen
Zu viel Bürokratie: „Das macht manche Firmen verrückt“
Regierung in Sachsen beschließt Förderung der Kreislaufwirtschaft
Videoüberwachung an Containern ist „schwieriges Thema“
Circular Economy: München hat die meisten Start-ups
Voestalpine will Buderus Edelstahl verkaufen
Wertstofftonne: Karlsruher hadern mit privatem Entsorger
EU-Länder unterstützen Verpackungs­verordnung
„Das größte Bürokratie­entlastungspaket, das es je gab“
Videoüberwachung an Containerstellplätzen?