Interview

Sinkende Erlöse, steigende Kosten und immer komplexere Produkte: Die Aufbereitung von E-Schrott wird in Zukunft noch schwieriger werden, sagt E-Schrott-Experte Manfred Fahrner im Interview. Der Alba-Vertreter warnt davor, dass E-Schrott zum problematischen Sonderabfall wird.

„Das klassische Recyclinggeschäft wird sich ändern“


Manfred Fahrner, Vertriebsleiter der Alba Electronics Recycling GmbH, ist seit über 20 Jahren im E-Schrott-Geschäft tätig. Im Jahr 2003 hatte er die Gründung der Branchenorganisation EERA initiiert, deren Vorsitzender er zehn Jahre lang war. Neben der klassischen operativen Vertriebstätigkeit hat Fahrner auch in Verbänden und etlichen Projekten mitgearbeitet. In den letzten beiden Jahren gehörte dazu vor allem die Mitarbeit in den Arbeitskreisen des Umweltbundesamtes zur geplanten Behandlungs-Verordnung. Im Herbst geht er in den Ruhestand.

Herr Fahrner, Sie sind seit über 20 Jahren im E-Schrott-Geschäft tätig und werden im Herbst in Ruhestand gehen. Angenommen, der Sohn eines Freundes würde Sie fragen, was Sie von seiner Überlegung halten, ebenfalls in die E-Schrott-Branche einzusteigen. Was würden Sie ihm antworten?

„Alba Group / Amin Akhtar“
„Alba Group / Amin Akhtar“

Auf der einen Seite ist es ein stark regulierter Markt, auf der anderen Seite haben wir leider mit einem großen Bereich im Unsichtbaren, sprich Illegalen, zu kämpfen. Er muss sich also im Klaren sein, dass es ein sehr schwieriger Markt ist.

Also würden Sie ihm eher abraten, in diesen Markt einzusteigen?

Nein, nicht unbedingt. Wer sich für das Thema interessiert, ist in der Branche sicherlich gut aufgehoben. Man muss sich für das Recycling interessieren – dann ist es auf jeden Fall eine Branche, in der man gut arbeiten kann.

Wie sieht es generell mit den Beschäftigungschancen in der E-Schrott-Branche aus?

Es gibt durchaus gute Beschäftigungschancen. Momentan gibt es beispielsweise sehr viele Akteure in der Branche, die in meiner Generation sind. Diese werden in absehbarer Zeit ebenfalls in den Ruhestand treten. Allein in unserem Unternehmen werden wir in den kommenden Jahren einen richtigen Generationswechsel durchmachen.

Wird das für Unternehmen zu einem Problem werden?

Wenn man sich nicht rechtzeitig darauf vorbereitet, ja. Aber wer ein bisschen vorausschauend plant, dürfte keine Probleme bekommen.

Unsere Eingangsfrage zielt auch auf die wirtschaftliche Zukunft des E-Schrott-Recyclings ab. Schon heute klagen viele Recycler über eine abnehmende Rentabilität. Wird sich das E-Schrott-Recycling in der Zukunft noch lohnen?

Das ist schwer zu sagen. So wie sich die Marktlage abzeichnet, werden die Recycler in Zukunft mit sinkenden Erlösen und steigenden Kosten zu kämpfen haben. Zumal sich die Elektroprodukte generell noch dramatisch ändern werden– und damit auch der Input bei den Recyclern. Von daher befürchte ich, dass der E-Schrott immer mehr zum problematischen Sonderabfall wird.

Das klingt nicht verlockend.

Ja, leider. Aber der Anteil der Geräte, die an sich minderwertig sind, aber einen Akku haben, steigt rapide. Schauen Sie sich nur einmal den ganzen Lifestyle-Kram und die Billig-Konsumgüter an. Diese bestehen nur noch aus Kunststoff und einem Akku. Ich würde mir wünschen, dass sich der Gesetzgeber bei seinen Vorgaben schneller an diese Entwicklungen anpassen könnte.

Wie werden sich aktuelle Trends wie die Miniaturisierung, Cloud-Computing im privaten und öffentlichen Bereich etc. künftig auf das Geschäft auswirken?

Erst einmal: DAS Geschäft gibt es so nicht. Wenn wir die gesamte Bandbreite des E-Schrotts betrachten, von den Haushaltsgroßgeräten, über Kühlgeräte, über Bildschirmgeräte bis hin zu den Kleingeräten und professionelles IT-Equipment – da läuft nichts parallel und es findet auch keine einheitliche Entwicklung statt. Viele denken beim Elektrorecycling zuvorderst ans Mobiltelefon. Aber das ist gar nicht unser Hauptgeschäft. Wir als Anlagenbetreiber unterhalten ein Massengeschäft. Soll heißen, wir verarbeiten Geräte, die von der kommunalen Sammelstelle kommen. Da gibt es ganz unterschiedliche Entwicklungen. Im IT-Bereich werden sich Trends wie die Miniaturisierung natürlich stark auswirken. Anders sieht es im wichtigen und großen Bereich der Haushaltsgeräte aus. Hier wird es keine Miniaturisierung geben. Eine Waschmaschine bleibt eine Waschmaschine. Von der Größe her wird sich nichts ändern.

Was wird sich dann ändern?

Die Zusammensetzung der Geräte. Durch die zunehmende Vernetzung der Haushaltsgeräte wird aus der Waschmaschine quasi eine Waschmaschine 4.0. Auch Kühlgeräte werden nicht kleiner. Sie werden eher größer und luxuriöser. Aber auch der Kühlschrank wird elektronisch vernetzt sein, was das Gerät komplexer macht. Die Geräte verändern sich in diesem Bereich also mehr von der Komplexität und vom Inhalt her.

Das heißt, dass auch die Aufbereitung schwieriger wird?

Davon ist auszugehen. In jedem Fall wird sich das klassische Recyclinggeschäft der Metallrückgewinnung ändern. Die Geräte werden leichter, der Kunststoffanteil erhöht sich. Die metallischen Inhalte werden im Gegenzug weniger und weniger wichtig. Auch Edelmetalle wie Gold werden in der Elektronik immer weniger eingesetzt. Heute kann die Industrie beispielsweise sehr dünne Schichtstärken produzieren, die vor 20 Jahren noch gar nicht vorstellbar waren. Die Anteile an den Wertstoffen werden also immer geringer. Teilweise werden Kupferkabel durch Glasfaserkabel ersetzt.

Vor einigen Jahren hat ein Vertreter der IT-Industrie vorhergesagt, dass ein Computer dereinst nur noch aus Kunststoff und Glasfasern bestehen wird.

Das war sicherlich überspitzt dargestellt. Aber tendenziell ist das schon richtig. Das traditionelle Wertschöpfungsgeschäft des „Metallefindens“ im Elektronikschrott wird sich ändern. Aber auch das Geschäft mit den Kunststoffen ist nicht so einfach. Die aktuelle Entwicklung in China zeigt deutlich, dass man nicht einfach Kunststoffe separieren und vermarkten kann. Denn das ist ein sehr komplexer Markt. Ich befürchte, dass ein Teil des bisherigen Recyclings eher eine Entsorgungsaktivität werden wird.

Wie kann man die Wertschöpfung im „Metallefinden“ verbessern?

Das Recycling klassischer Metalle und von Edelmetallen steuert sich über die Nachfrage und den Wert. Aber es sind immer noch technische Verbesserungen möglich. Vielleicht sollten die Akteure wie beispielsweise Zerleger, Aufbereiter, Hütten etc. sich noch besser über die Schnittstellen im Gesamtprozess austauschen. Bei den sogenannten Strategischen Metallen gibt es sehr viel Diskussion, aber noch keine echte Nachfrage. Daher führen Weiterentwicklungen und neue Prozesse noch nicht zwangsläufig zum regelmäßigen Einsatz.

Trotz alledem werden die Recycler in Zukunft vom wachsenden E-Schrott-Aufkommen sicherlich profitieren können. Welche Nationen beziehungsweise Regionen werden das sein?

Für denjenigen, der über die richtige Technik verfügt, ist es eigentlich egal, ob er seine Anlage in Europa, Afrika oder Asien baut. Ich glaube schon, dass wir in Europa die Chance haben, eine nachhaltige und positive Entwicklung unserer Industrie mitzuerleben. Aber man wird in Asien ganz klar profitieren. Nicht nur von den Mengen an Altgeräten her, die aus Amerika oder Europa dorthin fließen. Dort entwickelt sich auch ein regionaler Markt. Denn Asien ist in zunehmendem Maße selbst ein großer Produzent von elektronischen Abfällen. Das größte Wachstum qua Menge wird daher sehr wahrscheinlich in Asien stattfinden.

Bedeutet das, dass sich die Situation in Europa verschlechtern wird?

Nicht unbedingt. Wir haben selbst genügend Mengen, die verarbeitet werden können. Aber wichtig ist, dass wir technologisch am Ball bleiben.

Wenn Sie auf Ihre Zeit in der E-Schrott-Branche zurückblicken: Was wird Ihnen am besten in Erinnerung bleiben?

Die Entwicklung, die wir in unserem Unternehmen innerhalb von 15, 20 Jahren mitgemacht haben, war schon sehr beeindruckend: Aus einem kleinen Unternehmen mit einer ersten kleinen Anlage, die einen Durchsatz von 6.000 Tonnen an Kleingeräten hatte, ist eines der großen Unternehmen in Deutschland geworden. Wir verfügen nun über eine Kapazität von ungefähr 50.000 Tonnen an Kleingeräten und 500.000 Kühlgeräten und jeder Menge weißer Ware. Das war ein enormes Wachstum, das kaum eine andere Branche in der Recyclingindustrie je mitgemacht hat.

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