Jahresrückblick

Auch das zweite Halbjahr hält für die Recyclingbranche einige Überraschungen bereit. Auf einigen Teilmärkten gibt es erste Erholungstendenzen und für viele rückt das Thema China immer näher. Das Streitthema Verpackungsgesetz wird abgelöst durch die vier Buchstaben HBCD. Unser Rückblick für die Monate Juli bis Dezember.

Das war 2016 – Teil II


JULI

Für die Altholzbranche ist der Juli ein schwarzer Monat. Der Bundestag verabschiedet die EEG-Novelle – allerdings ohne die geforderte Übergangslösung. Damit verlieren die ersten Kraftwerke ab 2020 ihre Förderung. Der BAV befürchtet, dass Altholzverbrennungskapazität von fast 4 Millionen Jahrestonnen wegbrechen werden.

Familienunternehmen haben in Deutschland Tradition. Unter den 50 größten befinden sich auch drei Unternehmen, die mit der Recyclingwirtschaft zu tun haben. Remondis belegt mit einem Umsatz von 6,4 Milliarden Euro Platz 34. Rhenus und Liebherr sind die beiden anderen Unternehmen. Einem weiterem Familienunternehmen hingegen entgleitet die Kontrolle über die eigene Firma: Chiho-Tiande wird der größte Einzelgläubiger des Metallrecyclers Scholz. Einen Monat später wird Scholz zu einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft des chinesischen Metallrecyclers – für einen symbolischen Kaufpreis von 1 Euro .

Gegen Monatsende legt das Umweltministerium einen Entwurf für das Verpackungsgesetz vor. Die betroffenen Akteure sind meist unzufrieden. Zu viel Macht für die dualen Systeme, heißt es von den Kommunen; zu wenige Anforderungen an die Qualität, kritisieren private Entsorgerverbände; existenzbedrohend, sagt ein duales System; zu ambitionslos, urteilen Umweltverbände. Auch das Bundeskartellamt meldet Bedenken an.

AUGUST

Im traditionell eher ruhigen August atmet die gebeutelte Stahlbranche erstmal vorsichtig auf. Zahlen zum zweiten Quartal zeigen, dass die deutschen Walzstahlwerke deutlich mehr Aufträge als noch im Vorjahr bekommen. Die Zahlen spiegeln die robuste Entwicklung der Stahlverarbeiter wider, kommentiert der Verband WV-Stahl. Auch die Altpapierbranche befindet sich weiter im Aufwind: Schon seit Jahresbeginn steigen die Preise nahezu stetig, die Papierfabriken aber kündigen an, verstärkt auf die Notierungen drücken zu wollen. Sie werden damit aber nur mäßigen Erfolg haben.

Freuen dürfen sich auch die Müllmänner in Deutschland: Eine Umfrage zeigt, dass in den vergangenen zehn Jahren keine andere Berufsgruppe so viel Ansehen hinzugewonnen hat. Im Ranking der wichtigsten öffentlichen Einrichtungen belegt die Müllabfuhr sogar den ersten Platz. Weniger erfolgreich hingegen läuft die seit Ende Juli verpflichtende Rücknahme von Elektroaltgeräten im Handel. Testkäufe haben gezeigt, dass die Rückgabe alter Geräte vielerorts durch zusätzliche Kosten, lange Wartezeiten und einen hohen Packaufwand erschwert wird.

SEPTEMBER

Mehr als eineinhalb Jahre nach der Einführung der Biotonnenpflicht, gibt es noch zahlreiche weiße Flecken auf der Biotonnenkarte, kritisiert der NABU. Am schlimmsten sei es in Brandenburg, wo nur drei Kilogramm Bioabfälle pro Bewohner jährlich gesammelt werden – der Bundesdurchschnitt liegt bei 57 Kilogramm. Der Umweltverband fordert die Landesregierungen auf, mehr Druck auf ihre Gebietskörperschaften auszuüben.

Trotz der nicht enden wollenden Querelen um die Verpackungsentsorgung scheint diese immer noch ein lukratives Geschäft zu sein. Mit Noventiz Dual erlangt ein weiteres duales System die bundesweite Systemfeststellung und plant ab Anfang 2017 den Betrieb aufzunehmen. Ein anderes System hingegen wird aufgelöst, allerdings nicht wegen fehlender Aufträge: Reclay stellt das 2012 übernommene System Vfw ein, da Recylay mit Redual ein eigenes System betreibt und die Vfw-Lizenzierungen übernimmt.

Ein einschneidendes Verbot, das zum Ende des Monats wirksam wird, wird die Branche noch länger beschäftigen: Abfall, der das mittlerweile überwiegend verbotene Flammschutzmittel HBCD enthält, wird als gefährlich eingestuft. In der Folge müssen große Mengen Dämmmaterial in Sondermüllverbrennungsanlagen entsorgt werden. Das wird zu massiven Entsorgungsengpässen führen, warnen die Betroffenen. Sie sollen Recht behalten, einige Bundesländer werden in den folgenden Wochen Übergangsregeln für die Entsorgung formulieren.

OKTOBER

Tatsächlich sorgt die Einstufung von HBCD-Dämmstoffen als gefährlichen Abfall für großen Wirbel. Die Entsorgerverbände fordern die Landesministerien auf, die Änderungen in der Abfallverzeichnisverordnung rückgängig zu machen oder wenigstens kurzfristig Einzelfallentscheidungen zu treffen. Mehre Bundesländer legen tatsächlich fest, dass besagter Abfall – zumindest in Baumischabfällen – wie bisher verbrannt werden darf.

Auf nationaler Ebene beschließt der Bundesrat Mitte Oktober die Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung, damit kann diese Mitte 2017 rechtskräftig werden. Die private Entsorgungswirtschaft spricht von Überregulierung und warnt vor Zusatzkosten. Parallel dazu kommt ein weiterer Gesetzgebungsprozess in Gang: die Novellierung der Gewerbeabfallverordnung. Bei der Notfizierung in Brüssel werden bis Ende Oktober keine Einwände laut – das parlamentarische Verfahren kann gestartet werden. Da weder im Bundestag noch im Bundesrat große Einwände erwartet werden, könnte das Verfahren Anfang 2017 abgeschlossen werden.

Zum einem Abschluss ist die Investorensuche bei Alba gekommen: Wie zuvor bei Scholz und beim Müllverbrenner EEW, steigen auch hier Chinesen ein: Ein Fonds übernimmt Teile der Berliner Unternehmensgruppe. Ebenfalls einig ist sich die Branche bei dem sensiblen Thema Rückwärtsfahren bei der Abfallsammlung geworden. Mit einer neuen Branchenregel wird festgelegt, dass Rückwärtsfahren zwar vermieden werden soll, aber unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen weiterhin erlaubt ist. Kurz darauf hat auch die Altholzbranche ein neues Branchenpapier: Der VDI veröffentlicht die VDI-Richtlinie 4087 für Altholz.

NOVEMBER

Anfang November verliert die Kreislaufwirtschaft einen herausragenden Vertreter: Karl Thomé-Kozmiensky stirbt am 3. November im Alter von 80 Jahren. Der Abfallwirtschaftsprofessor war einer der renommiertesten Experten auf diesem Gebiet, lehrte viele Jahre an der TU Berlin und organisierte nach seiner Emeritierung Fachkongresse, bis er sich 2015 aus gesundheitlichen Gründen zurückzog.

Wenige Tage später schreckt nicht nur die Entsorgungsbranche, sondern die ganze Welt auf. Die Amerikaner haben Donald Trump zu ihrem Präsidenten gewählt. Viele Rohstoffpreise sacken ab, die meisten aber nur kurzfristig. Denn Trumps angekündigtes Investitionsprogramm könnte den Metallmärkten und damit auch den Schrottpreisen Auftrieb geben. Doch bislang bleiben die Pläne des Republikaners im Ungefähren. Welche Auswirkungen tatsächlich resultieren werden, lässt sich schwer abschätzen.

Welche Auswirkungen hingegen das geplante Verpackungsgesetz haben wird, hat eine Studie im Auftrag des Grünen Punkts herausgefunden: Die Folgenabschätzung fällt unterm Strich positiv aus. Die Sammelmenge von Verpackungen könnte um bis zu 8 Prozent ansteigen. In der Summe könnten Produktivitätsgewinne und diverse Einsparungen den Mehraufwand durch das Verpackungsgesetz ausgleichen. Allerdings berufen sich die Autoren der Studie noch auf den ersten Entwurf des Verpackungsgesetzes. Gegen Monatsmitte veröffentlicht das BMUB eine leicht überarbeitete Version. Dabei werden unter anderem die geforderten Recyclingquoten für die einzelnen Materialien für einen Übergangszeitraum bis 2021 etwas gelockert.

DEZEMBER

Das Jahresende scheint einige Akteure zu animieren, mit der Abfallwirtschaft hart ins Gericht zu gehen. Während der Naturschutzbund NABU alle wichtigen Bereiche der Abfallpolitik kritisiert, werfen neun private Entsorgerverbände der Politik vor, dass sich eine aggressive Staatswirtschaft in das „Fleisch der Unternehmen“ fresse. Die Interessensvertreter entwerfen ein Manifest zur Bundestagswahl im kommenden Jahr. Sie fordern unter anderem die Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und ein Ende des Steuervorteils für Kommunen.

Die in der Dauerkritik stehenden dualen Systeme starten unterdessen einen weiteren Versuch, um Schlupflöcher bei den Vereinbarungen zur haushaltsnahen Verpackungsentsorgung zu stopfen – zumindest vier von ihnen. Sie veröffentlichen einen gemeinsamen Vorstoß, der verhindern soll, dass gemeldete Verpackungen ohne Kundenwissen in andere Verpackungsarten umdefiniert werden.

Weitere Bewegung kommt in die Diskussion um HBCD-Dämmstoffe. Die Umweltministerien in Saarland und Sachsen scheitern zwar auf der Umweltministerkonferenz mit ihrem Vorschlag, die Einstufung als gefährlichen Abfall rückgängig zu machen, aber kurze Zeit später reichen sie eine entsprechende Bundesratsinitiative ein. Diese steht nun an diesem Freitag auf der Agenda. Für den Bundesrat ist es die letzte Sitzung in diesem Jahr. Weihnachten steht vor der Tür und das Jahr neigt sich dem Ende zu. Das neue 2017 wartet bereits: Auf dass es viel Gutes und wenig Schlechtes bereithält.

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