Aus von GemIni

Jahrelang hat GemIni die dualen Systeme vor sich hergetrieben. Die Initiative hat viel bewirkt, aber das eigentliche Ziel nicht erreicht: Statt die dualen Systeme abzuschaffen, stellt sie nun selbst ihre Tätigkeit ein. Sie ist ein Opfer des Opportunismus geworden.

Die ausgebremste Revolution


Von Stephan Krafzik

Eine Revolution hat meist ein klares Ziel: In der Regel geht es um die Beseitigung eines Zustandes, der von den Revolutionären als ungerecht empfunden wird. Meist ist die Revolution ein Aufbegehren gegen etablierte Gesellschaftsschichten, mit dem Ziel, die Machtverhältnisse neu zu ordnen. Die Wahl der Mittel zur Durchsetzung der Forderungen ist abhängig von der Eskalationsstufe. In vielen Fällen ist es Gewalt.

GemIni hat das Wort Revolution nie verwendet. Zu Recht, denn der Begriff ist traditionell mit gesellschaftlichen Missständen verbunden – mit einem Aufstand im vorigen Jahrhundert darf man das Vorhaben von GemIni selbstredend nicht vergleichen. Aber im modernen Sprachgebrauch wird der Begriff Revolution auch für einen Umbruch in Wissenschaft und Technik verwendet. Eine Revolution findet stets in einem alten Rechtsrahmen statt, um in einem neuen Rechtsrahmen die Ziele des Aufstands zu erreichen. Im modernen Sinne war das Vorhaben von GemIni eine Revolution.

Viele Gegner geschaffen

GemIni ist 2014 angetreten, um die dualen Systeme abzuschaffen. Es war ein Aufbegehren gegen ein etabliertes privatwirtschaftlich organisiertes System der Verpackungsentsorgung, das bislang von den dualen Systemen organisiert wird, den so genannten Systembetreibern. Es ging GemIni darum, einen neuen Rechtsrahmen für die Verpackungsentsorgung zu schaffen und darin die Machthaber auszutauschen. Nicht mehr die dualen Systeme sollten die Organisationsverantwortung für die Entsorgung haben, sondern die Kommunen. Doch dieses Ziel hat die Gemeinschaftsinitiative nicht erreicht.

Ist GemIni somit gescheitert? Gemessen an dem Ziel der Gemeinschaftsinitiative: Ja. Die dualen Systeme werden nicht abgeschafft. Und dennoch hat GemIni viel bewirkt.

Die Initiative hat mit einer Handvoll kommunaler Unterstützer die Revolution gegen die dualen Systeme begonnen. Damit hat sich GemIni nicht nur mit 10 dualen Systemen angelegt, sondern auch mit dem mächtigen Handel in Deutschland. Und letztlich hat GemIni das Vorhaben des Bundesumweltministeriums torpediert, ein Wertstoffgesetz unter privater Verantwortung zu erreichen. Wer den Mut hat, sich so viele Gegner zu schaffen, braucht dringend einen Verbündeten.

GemIni hat dafür den prominesten Vertreter der privaten Entsorgungswirtschaft gewonnen – Remondis. Fortan konnte GemIni-Sprecher Hartmut Gaßner darauf verweisen, dass selbst Remondis, der größte Recyclingkonzern in Deutschland, die Abschaffung der dualen Systeme befürwortet. Remondis hat damit der privaten Entsorgungswirtschaft einen Bärendienst erwiesen. Doch das hat Remondis hingenommen. Denn Remondis hatte mit dem eigenen dualen System, Eko-Punkt, keine Aktien mehr im Geschäft mit den dualen Systemen, wohl aber in Form von Public-Private-Partnerships mit Kommunen.

Umstrittene Strategie des VKU

Dass GemIni dennoch gescheitert ist, liegt am Opportunismus der Unterstützer. Den Anfang hat der Kommunalverband VKU gemacht. Mit seiner Zustimmung zu einem Kompromisspapier zur Aufgabe des Wertstoffgesetzes und zur Weiterentwicklung des Verpackungsrechts – unter Ausschluss der stoffgleichen Nichtverpackungen – hat er den Weg zum Verpackungsgesetz geebnet.

Der VKU reklamiert für sich, einen Ausweg aus dem festgefahren Disput um die Organisationsverantwortung gefunden zu haben, aber nebenbei hat er damit den Wind aus den Segeln von GemIni genommen. Und nicht nur von GemIni, sondern auch von den Unterstützern der von den Grünen geführten Landesumweltministerien, die über den Vorstoß des VKU nicht informiert waren.

Ob der VKU mit dieser Strategie gut gefahren ist, ist fraglich. Immerhin hat der VKU die Bundestagsabgeordneten jüngst aufgefordert, das Verpackungsgesetz abzulehnen. Demnach hat sich die Hoffnung auf mehr Rechtssicherheit mit dem Verpackungsgesetz nicht erfüllt. Allerdings kann nun auch der Beweis nicht mehr geführt werden, dass der VKU mit der Beibehaltung der Blockadehaltung mehr erreicht hätte. Positiv gewendet bleibt dem VKU das Argument, dass er der dringend notwendigen Erhöhung der Recyclingquoten für Verpackungen nicht im Wege stand.

Unterstützer gingen von Bord

Den zweiten starken Befürworter hat GemIni verloren, als das Verpackungsgesetz schon auf dem legislativen Weg war. Remondis hatte urplötzlich die Gelegenheit erkannt, den Grünen Punkt, Deutschland größtes duales System, zu übernehmen. Damit erschien das privatwirtschaftliche duale System der Verpackungsentsorgung aus Sicht von Remondis in einem anderen Licht. Es ist kein Zufall, dass Remondis-Geschäftsführer Herwart Wilms kurz darauf öffentlich für eine Verabschiedung des Verpackungsgesetzes plädierte. Am Ende ist sich jeder selbst am nächsten.

Als schließlich auch der Bundesrat dem Projekt von GemIni die Unterstützung versagte, weil der Spatz in der Hand besser erschien als die Taube auf dem Dach, gingen der Gemeinschaftsinitiative schließlich die namhaften Unterstützer aus. Mit einigen Kommunalunternehmen als Unterstützer lässt sich eine Revolution ausrufen, aber durchsetzen lässt sie sich nicht. Somit wird der Machtwechsel nicht stattfinden. Statt einem Wertstoffgesetz wird es nun ein Verpackungsgesetz geben, das das alte Regime in der Organisationsverantwortung belässt.

GemIni hatte einen ordnungspolitischen Systembruch zum Ziel. Doch die Ordnungspolitik war nie die eigentliche Motivation. Es ging um Partikularinteressen. Der VKU wollte das Beste für die Kommunalunternehmen herausholen, Remondis das Beste für sich und der Bundesrat am Ende für höhere Recyclingquoten sorgen.

Für GemIni bleibt die Erkenntnis, dass es keinen Sinn mehr macht, die Auseinandersetzung weiterzuführen. Die Gemeinschaftsinitiative kann sich auf die Fahne schreiben, die Defizite der dualen Systeme schonungslos offengelegt und die Systembetreiber in die Enge getrieben zu haben. Für mehr hat es nicht gereicht.

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