Interview

Das Vertrauen in den Vollzug der Gewerbeabfall-VO ist vielfach gering. Vor allem bei Abfallerzeugern wird es nahezu keine Kontrolle des Vollzugs geben, erklärt Branchenexperte Uwe Görisch im Interview. Die Folge: Statt mehr Getrennthaltung wird es tendenziell weniger geben.

„Getrennthaltung wird tendenziell abnehmen“


Am 1. August tritt die Novelle der Gewerbeabfall-Verordnung in Kraft. Dann gilt für Unternehmen eine Getrennthaltungspflicht für PPK (mit Ausnahme von Hygienepapier), Glas, Kunststoffe, Metalle, Holz, Textilien und Bioabfälle. Darüber hinaus müssen auch im Bereich Bau- und Abbruchabfälle folgende Fraktionen getrennt gesammelt werden: Glas, Kunststoff, Metalle, Holz, Dämmmaterial, Bitumengemische, Baustoffe auf Gipsbasis, Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik. Die Pflicht zur Getrennthaltung entfällt, wenn „die getrennte Sammlung der jeweiligen Abfallfraktion technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist“, wie es in der neuen Verordnung heißt. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn nicht genug Platz zur Verfügung steht oder die Kosten aufgrund geringer Mengen sehr hoch sind.

Wird nicht getrennt gesammelt, müssen Gemische, die überwiegend Kunststoffe, Metalle, einschließlich Legierungen, oder Holz enthalten, an eine Vorbehandlungsanlage geliefert werden. In den Vorbehandlungsanlagen muss im Schnitt mindestens eine Sortierquote von 85 Masseprozent erreicht werden. Die Sortierquote muss monatlich festgestellt und unverzüglich dokumentiert werden. Ab dem 01. Januar 2019 muss eine Recyclingquote von mindestens 30 Masseprozent erreicht werden.

Professor Uwe Görisch ist Inhaber des gleichnamigen Ingenieurbüros in Karlsruhe. Görisch ist seit 29 Jahren in der Entsorgungsbranche tätig. Zu seinen Schwerpunkten zählt das Genehmigungsmanagement in der Abfallwirtschaft, insbesondere in den Bereichen Metallschrott, Bauabfälle und Altholz.

Herr Professor Görisch, in weiten Teilen der Entsorgungsbranche gibt es Stimmen, die am Vollzug der Gewerbeabfall-Verordnung zweifeln. Woher kommen diese Stimmen: aus der Ecke der Nörgler oder der Realisten?

Görisch
Görisch

Das sind eindeutig Realisten. Schon die alte Gewerbeabfall-Verordnung aus dem Jahr 2002 ist am mangelnden Vollzug gescheitert. Ganz einfach deshalb, weil die öffentliche Verwaltung im Vollzug nicht genügend Personal hat. Schließlich gibt es auf Seiten der Abfallerzeuger rund 3,6 Millionen abfallwirtschaftsrelevante Industrie- und Gewerbeunternehmen in Deutschland. Wenn man 500.000 Kleinstbetriebe abzieht, bleiben noch 3,1 Millionen Betriebe. Es stellt sich die berechtigte Frage, ob die öffentliche Verwaltung, die in der Zwischenzeit in vielen Bereichen noch weiter abgebaut wurde, den Vollzug beim Erzeuger kontrollieren kann.

Und, kann sie es?

Nein, aus meiner Sicht wird es kaum eine Kontrolle des Vollzugs beim Erzeuger geben können. Das war so bei der alten Gewerbeabfall-Verordnung und wird bei der neuen ebenfalls so sein.

Welchen Bereich meinen Sie konkret, wenn Sie von Vollzug sprechen?

Ich meine die Getrennthaltungspflicht der Erzeuger. Auf Entsorgerseite hingegen ist davon auszugehen, dass die etwa 200 Anlagen in Deutschland kontrolliert werden. Das war im Übrigen auch bei der alten Gewerbeabfall-Verordnung so: Die alte Verordnung wurde beim Abfallerzeuger nicht vollzogen, bei den Sortieranlagen dagegen sehr wohl.

Immerhin werden schon heute 80 Prozent der gewerblichen Siedlungsabfälle getrenntgehalten. So schlecht scheint also der Vollzug nicht zu funktionieren.

Mag sein, aber kontrollieren lässt sich der Vollzug dennoch nicht. Und eines darf man nicht vergessen: Mit der Novelle der Gewerbeabfall-Verordnung werden neue Marktmechanismen in Gang gesetzt. Und genau diese werden dazu führen, dass sogar weniger getrenntgehalten wird.

Warum?

Weil nun Sortieranlagen aus dem Boden gestampft werden, die alle Material benötigen werden. Die neuen Anlagen werden alle hungrig sein. Und deshalb werden Entsorger den Industrieunternehmen attraktive Angebote machen, die dazu führen, dass Industrieunternehmen die Getrennthaltung reduzieren, um ihre Gemische zu günstigen Konditionen an die Entsorger zu geben. Es wäre naiv zu glauben, dass solche Mechanismen nicht entstehen werden. Folglich wird die Getrennthaltung abnehmen statt zuzunehmen. Und eine Kontrolle der Erzeuger ist aus den genannten Gründen kaum zu erwarten.

Für die Zielrichtung der Gewerbeabfall-Verordnung wäre das kontraproduktiv…

… ja, aber dabei bleibt es nicht. Kontraproduktiv ist nämlich auch die Vorgabe der Verordnung, dass die Vorbehandlungsanlagen über eine bestimmte Technik verfügen müssen. Die Verordnung sieht einen Vorzerkleinerer vor, der die Materialien zunächst zerkleinert. Das Problem ist aber, dass sich die Sortier- und Recyclingquoten nachweislich auch mit anderer Technik erfüllen lassen. Ist es intelligent, alles klein zu hacken und möglicherweise nicht alles auseinander zu bekommen oder ist es besser, gegebenenfalls vorher abzusieben oder große Stücke zu entfernen oder gar einen Roboter hinzustellen? Die Sortiertechnik wird sich weiter entwickeln. Von daher ist es immer höchst problematisch, eine bestimmte Technik vorzugeben.

Wie sind die Verordnungsvorgaben im Bereich Bau- und Abbruchabfälle einzustufen?

Auch hier gibt es Problemfelder. So sollen Keramik, Ziegel und Beton in den Aufbereitungsanlagen getrennt werden. Die Getrennthaltung von Beton wird ohnehin schon gemacht, das ist kein Problem. Die Frage ist aber, was in einer Baustoffrecyclinganlage mit den getrennten Fraktionen gemacht wird? Die Antwort lautet: Die Betreiber werden es wieder zusammenwerfen, weil sich beispielsweise ein separates Keramik-Recycling schlichtweg nicht lohnt. Es wird auch kein Fliesen-Recycling aus Bodenbelägen gemacht.

Vielleicht lohnt es sich aber, wenn die Getrennthaltung funktioniert und dadurch die nötigen Mengen zusammenkommen? Immerhin will das BMUB will mit der Getrennthaltungspflicht die 20 Millionen Tonnen Gemische auf 10 Millionen Tonnen reduzieren.

Ja, aber das schafft man nicht mit der Gewerbeabfall-Verordnung, sondern nur mit der Ersatzbaustoff-Verordnung, weil mit dieser Verordnung etliche Millionen Tonnen Bauschutt auf die Deponie geschafft werden. Damit hat man dann auch weniger Gemische.

Die Deponierung ist aber nicht im Sinne der Kreislaufwirtschaft…

Das stimmt. Insofern ist die Getrennthaltungspflicht in der Gewerbeabfall-Verordnung schon ein nachvollziehbarer Ansatz. Doch was nützt ein guter Ansatz, wenn er sich nicht umsetzen lässt? Dennoch muss ich für die neue Gewerbeabfall-Verordnung auch eine Lanze brechen. Sie wird mit dafür sorgen, dass das Gipsrecycling eine echte Chance haben wird.

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