Interview

Die Abspaltung dreier Systembetreiber hat das duale System als Ganzes erschüttert. Künftig werden die drei Systeme das Clearing mit eigenen Verträgen regeln. Es sei kein anderer Weg übrig geblieben, sagt Michael Wiener, CEO des Grünen Punktes, im Interview.

„Die neuen Verträge werden maßgeblich sein“


Nach jahrelangen Diskussionen und Auseinandersetzungen um Markt- und Kostenanteile haben die drei dualen Systeme Grüner Punkt, BellandVision und Interseroh am Dienstagabend die Reißleine gezogen. Die drei Systeme haben die bestehenden Clearingverträge zum 31.12.2017 gekündigt und neue Verträge gezeichnet. Die Systembetreiber begründen ihren Schritt mit den „dreisten Tricksereien einzelner dualer Systeme“, die im Jahr 2016 erneut stattgefunden hätten.

Herr Wiener, wie ist die Kündigung der Clearing-Verträge zu verstehen: Die drei Systeme Der Grüne Punkt, BellandVision und Interseroh sind seriös, die anderen nicht?

Grüner Punkt
Grüner Punkt

Die neuesten Mengenmeldungen zeigen, dass einzelne Systembetreiber weiterhin auf Kosten der ehrlichen Marktteilnehmer und der Kreislaufwirtschaft Schlupflöcher nutzen und ihren finanziellen Pflichten nicht nachkommen. Für das Jahr 2016 beläuft sich der Schaden auf rund 50 bis 60 Millionen Euro. Aus Sicht von Bund und Ländern ist es unseriös, Verpackungen aus dem dualen System herauszudefinieren oder pauschal abzumelden. Die Interpretation überlasse ich Ihnen.

Haben Sie die anderen Systembetreiber im Vorfeld gefragt, ob sie sich ihrer Aktion anschließen?

Natürlich haben wir in der Gemeinsamen Stelle versucht, die geltenden Verträge entsprechend zu ändern, dazu war aber kein Konsens zu erzielen. Daher blieb uns nur der Weg übrig, den wir jetzt beschritten haben.

Das heißt, alle anderen dualen Systeme haben sich gegen neue Verträge ausgesprochen?

Wie gesagt – ein Konsens war nicht zu erzielen. Mit den neuen Verträgen setzen wir ein Zeichen, dass wir nicht bereit sind, die bisherige Praxis weiter hinzunehmen.

Was unterscheidet die neuen Clearing-Verträge von den bestehenden?

Ganz wesentlich ist, dass die neuen Verträge die LAGA-M37 in ihrer aktuellsten Form verbindlich aufnehmen. Danach ist es nicht mehr möglich, pauschale Abzüge vorzunehmen oder Verkaufsverpackungen als Transport- oder Industrieverpackungen umzudeklarieren. Das sind Tricks, um nicht die gesamte Vertragsmenge an die Clearingstelle melden zu müssen und damit den eigenen Kostenanteil zu minimieren. So etwas ist mit den neuen Verträgen nicht mehr möglich und damit steigt die Menge an Verpackungen, die an die Clearingstelle gemeldet werden. Damit würde auch die Differenz zwischen den DIHK-Mengen und denen der Clearingstelle minimiert. Das ist wesentlich für die Stabilität des Systems.

Aber pauschale Abzüge sind doch bereits nicht mehr zulässig. Seit Anfang 2016 gilt eine Zusatzvereinbarung zum Clearingstellenvertrag, in der festgelegt wurde, dass die DIHK-Zahlen mit den Ist-Mengen übereinstimmen müssen.

Ja, aber diese Zusatzvereinbarung ist nicht von allen Systembetreibern unterzeichnet worden.

Welche Folgen hat Ihre Kündigung für die Clearingstelle und die Zusammenarbeit der dort verbleibenden dualen Systeme?

Die neuen Clearing-Verträge decken jetzt schon fast zwei Drittel des Marktes ab. Damit sind sie aus meiner Sicht das maßgebliche Vertragswerk. Ich setze auch auf die Kunden der Konkurrenten – die sollten ihren Dienstleister mal fragen, warum er den neuen und deutlich besseren Verträgen nicht beitreten will.

Wenn es künftig zwei Clearingstellen-Verträge gibt mit unterschiedlichen Regelungen, wird es dann auch zwei Clearingstellen geben?

Das wird man sehen. Klar ist, dass die Unterzeichner der neuen Verträge nach den Regeln der M37 abrechnen und für einen reibungslosen Übergang von der Verpackungsverordnung zum Verpackungsgesetz sorgen werden.

Die dualen Systeme versuchen seit Jahren, alle erdenklichen Schlupflöcher zu schließen, doch offenbar mit wenig Erfolg. Nun soll mit der neuen Zentralen Stelle alles besser werden. Ist nicht doch zu befürchten, dass auch unter Aufsicht der Zentralen Stelle die Tricksereien weitergehen werden?

Nicht wenn sie richtig aufgebaut wird und da bin ich zuversichtlich. Die Zentrale Stelle wird ja ganz andere Möglichkeiten der Prüfung und Kontrolle haben und sie kann von vornherein Regeln setzen, an die sich alle zu halten haben. Das bedeutet gleiche Bedingungen für alle. Und übrigens wird die Zentrale Stelle auch im Nachhinein die Zahlen für 2018 prüfen, auch wenn die Regelungen des Gesetzes erst 2019 in Kraft treten. Das ist für die Inverkehrbringer wichtig: Sie sollten sicher sein, dass wirklich alle ihre Verpackungen am dualen System teilnehmen und ihr Systembetreiber nicht irgendwelche Abzüge vornimmt. Das würde die Zentrale Stelle im Nachhinein ermitteln.

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