Entsorgungsproblem

Die Rotorblätter von Windenergieanlagen werden immer größer, ihre Zusammensetzung ist komplex, die Verwertung unklar. Das Aufkommen der ausgedienten Blätter soll in den kommenden Jahren sprunghaft steigen, doch die Recyclingindustrie ist darauf nicht vorbereitet.

Die schwierige Verwertung von Rotorblättern


Bisher ist das Problem noch klein: In Deutschland sind im Jahr 2015 knapp 1.600 Tonnen an alten Rotorblättern aus Windkraftanlagen angefallen. Dass sie noch kaum recycelt werden können, ist noch kein allzu großes Thema.

Doch das wird sich bald ändern: Denn bereits in drei Jahren wird dieses Abfallvolumen zwölfmal so hoch sein und bei 20.000 Tonnen liegen. Schon im Jahr 2030 werden etwa 30.000 Tonnen ausgedienter Rotorblätter zum Recycling anfallen, prognostizieren Alexandra Pehlken und Henning Albers von der Universität Oldenburg und der Bremer Hochschule. Hinzu kommen auch noch die Produktionsabfälle.

Rotorblätter werden immer länger

Der massive Anstieg der alten Rotorblätter hat mehrere Ursachen. Zum einen werden einige der derzeit rund 27.300 Windenergieanlagen (WEA) bald ihre Regellaufzeit von etwa 20 Jahren erreichen. Die Menge wird sich außerdem erhöhen, da schon bei der Herstellung der Blätter mit bis zu 30 Prozent überdurchschnittlich viele Produktionsabfälle anfallen, erklärten die beiden Wissenschaftler gestern (7. März) bei der Berliner Recyclingkonferenz.

Zum anderen werden dank höherer Leistungsfähigkeit der Anlagen auch die Rotorblätter immer länger. Während bei älteren Modellen oft 40 Meter ausreichten, sind mittlerweile Blätter von 70 bis 80 Metern Länge längst keine Seltenheit mehr. Für die Recycler besonders herausfordernd: Die riesigen Teile zu zerkleinern.

Hinzu kommt, dass die Zusammensetzung der Rotorblätter extrem komplex ist. Die Blätter bestehen aus verschmolzenen Schichten und neben Glas- und Carbonfaser werden auch Aluminium, PVC, Lack oder Gummi verwendet. Die Fasern können nach jetzigem Stand der Technik nicht erhalten werden.

„Eines ist von vornherein klar“, betonten die Wissenschaftler. „Aus Rotorblättern werden wohl nie wieder Rotorblätter.“ Da immer mehr Rotorblätter nicht nur mit Glasfaserverbunden (GFK), sondern auch mit Carbonfaserverbunden (CFK) herstellt werden, kommen auf die Recycler laut Wissenschaftler auch noch Probleme im Arbeitsschutz zu.


windenergie---nennleistung-nach-bundesland-2016


Wenig etablierte Recyclingwege

Für beide faserverstärkte Kunststoffe der Rotorblätter gibt es bislang nur wenig etablierte Recyclingwege, sagten die Wissenschaftler. Im Zusammenhang mit der Betrachtung verschiedener Verwertungsoptionen seien Verfahren zur Zerkleinerung des Ausgangsmaterials entscheidend. So wurde beispielsweise das Zersägen der Blätter mit Diamantseilsägen unter einem Wassernebel und mit großformigen Trennscheiben getestet. Das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie testet mit der TH Nürnberg die Sprengung der Rotorblätter.

Dennoch: Echte stoffliche Verwertungsoptionen konnten sich noch nicht durchsetzen. Zwei Verfahren haben aber immerhin Potenzial, dafür in Frage zu kommen. Zum einen werde an der Pyrolyse zur Rückgewinnung der Fasern geforscht, erklärten die Wissenschaftler. Dabei müssten aber Prozessparameter gefunden werden, die die Eigenschaften der Fasern möglichst wenig beeinträchtigen, die Polymermatrix aber möglichst vollständig zersetzen.

Anschließend müssen weitere Begleitstoffe wie Metalle von den Fasern abgetrennt werden. Ein weiteres Problem ist, dass die Fasern unterschiedlich lang sind und durch den Mix von CFK und GFK aus der Pyrolyse ein Fasergemisch hervorgeht. Außerdem bleibt nach Angaben der Wissenschaftler die Frage nach den Anwendungsmöglichkeiten der rezyklierten Fasern offen.

Verwertung als Granulat

Bei der zweiten Option zur stofflichen Verwertung kann das Material der Rotorblätter als Verbund bestehen bleiben. Dieser wird schrittweise verkleinert und als Granulat in Halbzeugen verwertet.

Besser auf dem Markt zu etablieren scheint sich die materialangepasste Zerkleinerung und die nachfolgende stoffliche und energetische Verwertung in Zementfabriken. „Dabei wird eine Mischung aus Sekundärbrennstoffen und GFK im Calcinator des Zementwerks mit einem mittleren Heizwert von 15 Megajoule pro Kilogramm zur Energiegewinnung genutzt“, sagten die Wissenschaftler. In den festen Rückständen seien außerdem eine Menge Silizium- und Calciumoxidverbindungen, die im Zementklinker Kalkstein und Quarzsand ersetzen.

Problematische energetische Verwertung

Verbrannt wird derzeit weder GFK noch CFK. Denn da die Fasern nicht lang genug im Brennofen bleiben, werden sie nicht vollständig verbrannt. Bei GFK bleiben so Rückstände in den Filtern hängen. Bei Verbrennungsversuchen von CFK wurden zudem in der Schlacke möglicherweise krebserregende Fasern gefunden.

Als Lösung für das Recyclingproblem schlagen die Wissenschaftler unter anderem vor, dass die Akteursgruppen – Hersteller, Baugruppen, Windparkbetreiber und -besitzer, Genehmigungsbehörden und Rückbauer sowie Entsorger – frühzeitig miteinander sprechen. Die Hersteller sollten besser über die Art der eingesetzten Materialien in den Blättern informieren. Außerdem müssten Lösungen zu Zerlegung und Zerkleinerung der immer größer werdenden Blätter gefunden werden.

Auch Remondis-Manager Herwart Wilms hatte erst kürzlich vor dem Recyclingproblem gewarnt: „Da kommt ein Riesenproblem auf uns zu“, sagte er dem Wirtschaftsmagazin „Capital“. „Momentan weiß aber niemand, wohin mit dem unbrauchbaren Windradmüll. Die Betreiber bieten uns viel Geld, damit wir ihnen das abnehmen“, sagte Wilms. Remondis könne aber auch nur ganz wenig davon zwischenlagern. Momentan versuche das Unternehmen, neue Verfahren zum Recycling zu entwickeln.

© 320°/ek | 08.03.2017

Mehr zum Thema
Mehr Rezyklate, weniger Plastik: Was Apple bislang erreicht hat
Wird die Energie- und Antriebswende ausgebremst?
Batteriepaket der Raumstation ISS schlägt in Wohnhaus ein
Neue Marke: Heraeus bietet Produkte aus recycelten Edelmetallen an
Alternative Papiersorten: Wie gut sind die Top Ten wirklich?
Der längste Streik in der Geschichte der IG Metall
Thyssenkrupp kündigt Abbau von Stahlkapazitäten an
PreZero plant LVP-Sortieranlage in Dänemark
Rohstoffimporte: „Höchste Zeit für einen Kurswechsel“
Gute Nachfrage lässt Altpapierpreise steigen
Deutsche Industrie weiter im Plus
Bis zu 11 Millionen Tonnen Plastikmüll auf dem Meeresboden