Abfallverbrennung

Abfallverbrennungsanlagen sind robust und können viel entsorgen. Aber manche Inputstoffe setzen auch diesen Anlagen zu. Die Folge sind starke Abnutzungen, technische Defekte oder unerwünschte Rückstände. Manches davon ist wissenschaftlich untersucht, einiges jedoch noch nicht.

Die vier Problemstoffe einer MVA


Das Rad der Produktneuerungen dreht sich immer schneller. Die neuen Produkte werden immer komplexer und enthalten dadurch auch viele unterschiedliche Materialien und Verbundstoffe. Früher oder später landen zumindest Teilströme davon in den thermischen Abfallbehandlungsanlagen. Doch manches davon stellt sich als problematisch dar.

Im Wesentlichen seien es vier Einsatzstoffe, die bei der Abfallverbrennung Probleme bereiten könnten, erläuterte der Aachener Abfallwirtschaftsprofessor Peter Quicker bei der Berliner Abfallwirtschaftskonferenz Ende Januar. Dazu gehörten faserverstärkte Kunststoffe und Nanomaterialien, aber auch POP-haltige Abfälle und Fraktionen aus dem Deponierückbau.

Negative Auswirkungen von CFK

Das größte Fragezeichen steht derzeit hinter den Carbonfaserverstärkten Kunststoffen (CFK). Der Einsatz von CFK-Materialien hat in den vergangenen Jahren sprunghaft zugenommen. Im Jahr 2016 betrug die globale Produktion an CFK bereits rund 100.000 Tonnen.

Anders als die glasfaserverstärkten Kunststoffe (GFK) können sich CFK-haltige Abfälle auf die Abfallverbrennung auswirken, und das in zweierlei Hinsicht. „Bedenken bestehen hinsichtlich der Auslösung technischer Defekte und wegen gesundheitlicher Beeinträchtigung der Mitarbeiter“, sagte Quicker, der an der RWTH Aachen das Lehr- und Forschungsgebiet Technologie der Energierohstoffe (TEER) leitet.

Zur Mitverbrennung von CFK-haltigen Abfällen haben der Professor und sein Team daher Versuche und Messungen durchgeführt. Dabei habe sich gezeigt, dass Carbonfasern in oxidierender Atmosphäre zwar thermochemisch umgesetzt werden können. „Dieser Prozess geht aber sehr langsam vonstatten“, betonte Quicker. Daher stehe zu erwarten, dass die Verweilzeiten in klassischen Hausmüllverbrennungsanlagen und möglicherweise auch in Sondermülldrehrohren nicht ausreichen, um eine vollständige Oxidation von Carbonfasern sicherzustellen.

Zementdrehrohre als Königsweg?

Anlagenbetreiber müssten daher ins Kalkül ziehen, dass die Fasern nach ihrer Freisetzung aus der Kunststoffmatrix zum Teil über den Abgaspfad aus dem Feuerraum ausgetragen werden. Oder aber sich in der Rostasche wiederfänden. „Negative Auswirkungen auf elektrostatische Partikelabscheider sind bereits dokumentiert“, so Quicker.

Eine mögliche Entsorgungsalternative könnten Zementdrehrohre sein. „Ergebnisse hierzu sind aus einem aktuell laufenden Forschungsvorhaben zu erwarten“, kündigte Quicker an. Angestoßen wurde das Projekt vom Umweltbundesamt (UBA). Das UBA erhofft sich dadurch mehr Klarheit hinsichtlich des Verhaltens von CF-Kunststoffen in thermischen Abfallbehandlungsanlagen.

„Im Rahmen des Projektes sollen großtechnische Versuche unter Zugabe von Carbonfaserverstärkte Kunststoffen in einer Hausmüll- einer Sondermüllanlage und in einem Zementwerk durchgeführt und hinsichtlich des Verbleibs der Carbonfasern möglichst vollständig bilanziert werden“, erklärte Quicker.

Nanopartikel verändern sich bei Verbrennung

Unsicherheit herrscht bei den Verbrennern auch hinsichtlich des zweiten Problemstoffes, der Nanomaterialien. Diese tauchen in immer mehr Verbraucherprodukten und sogar in Lebensmitteln auf. Die Nano-Konsumgüter-Datenbank des Woodrow Wilson Centers listete im vergangenen Jahr 1.827 nanomaterialhaltige Produkte beziehungsweise Produktlinien auf. Nach dem Englischen werden diese üblicherweise Engineered Nanomaterials, oder kurz ENM genannt.

„Die weltweite Produktionsmenge lag im Jahr 2010 bei 318.200 Tonnen“, zitierte Quicker aus einer Marktstudie. Das Hauptanwendungsgebiet ist demnach der Bereich Beschichtung, Farben und Pigmente mit 80.500 Tonnen (25 Prozent). Nanomaterialien finden sich daneben in größerem Maße auch in den Bereichen Elektronik und Optik (15 Prozent), Energie und Umwelt (14 Prozent) und Katalysatoren (12 Prozent).

In der Verbrennung können sich die Nanopartikel laut Quicker auf verschiedene Weise verändern: Sie können vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand wechseln und umgekehrt. Oder es kann zu Agglomerationen und Aggregatbildung kommen. Die Nanomaterialien, die mit dem Inputmaterial in die Verbrennung gelangen, könnten grundsätzlich in die Schlacke eingebunden oder mit dem Abgas aus der Feuerung ausgetragen werden.

Weiterer Forschungsbedarf

Zum thermischen Verhalten von Nanomaterialien gab es bislang bereits verschiedene Untersuchungen. Diese fanden meist im Labormaßstab statt, es gab aber auch einige großtechnische Versuche. Auch das TEER hat dazu eigene Versuche durchgeführt. „Alle Untersuchungen zeigen, dass der Hauptaustragspfad von ENM die festen Rückstände sind, insbesondere die Schlacke und Filterasche“, fasste der Abfallwirtschaftsprofessor zusammen.

In allen Untersuchungen habe sich darüber hinaus gezeigt, dass die vorhandenen Abgasreinigungen für die Abscheidung von Nanomaterialien sehr gut geeignet sind. „Dies verwundert nicht, da bei der Verbrennung ohnehin Nanopartikel aus der Gasphase gebildet werden und auch diese, wie die niedrigen Emissionswerte der Abfallverbrennungsanlagen zeigen, sicher abgeschieden werden“, betonte Quicker. Eine Gefährdung durch den Austrag von ENM über den Abgasweg schätzt der Verbrennungsexperte daher als sehr gering ein.

Das klingt, als ob Nanomaterialien im Großen und Ganzen unproblematisch sind. Allerdings besteht noch Untersuchungsbedarf, was das Verhalten von ENM in der Schlacke angeht. So zum Beispiel die Aufbereitung, der Einsatz als Baustoff oder die Deponierung. Forschungsbedarf besteht laut Quicker auch noch bei metallischen oder reaktiven Nanopartikeln wie Nanosilber oder Carbon Nanotubes. Denn bislang hätten sich die Untersuchungen auf mineralische Nanopartikel beschränkt.

HBCD-Abfall: MVA garantiert sichere Entsorgung

Problemstoff Nr. 3 sind die HBCD-Abfälle. In Zukunft wird eine große Menge an Dämmstoffen auf die Verbrenner zukommen, die das problematische Flammschutzmittel HBCD enthalten. In den kommenden vierzig Jahren soll insgesamt eine kumulierte Menge von 7,2 Millionen Tonnen HBCD-haltigen Abfällen anfallen, wie eine Untersuchung im Auftrag des UBA ergeben hat.

Im Vergleich zu den anderen Einsatzstoffen halten sich die Probleme allerdings in Grenzen. Vielmehr gilt die Hausmüllverbrennungsanlage als Referenzverfahren für die sichere Zerstörung von HBCD-haltigen Abfällen. Hierzu wurden großtechnische Versuche im MHKW Würzburg durchgeführt.

„In zwei Versuchen wurden HBCD-haltige Dämmstoffe gemeinsam mit Restmüll verbrannt“, erzählte Quicker. „Durch Erfassung und Analyse aller ein- und ausgehenden Massenströme konnte eine Zerstörungseffizienz von 99,99 Prozent für HBCD nachgewiesen werden.“ Das belege, dass Abfallverbrennungsanlagen in der Tat für die Entsorgung HBCD-haltiger Stoffe geeignet seien.

EBS aus Deponat besitzt schwierige Eigenschaften

Der vierte Einsatzstoff, der Schwierigkeiten bereiten kann, sind Ersatzbrennstoffe (EBS) aus Deponat. Wie Quicker hervorhob, laufen vermehrt Vorhaben, Deponien wegen des Flächenbedarfs oder aus ökologischen Erwägungen abzutragen. „Dabei fallen im großen Umfang brennbare Materialien an, die sinnvollerweise nicht erneut deponiert, sondern zunächst inertisiert werden sollten.“

In einem Forschungsprojekt wurde deshalb getestet, wie sich Rohmaterial und EBS aus dem Deponierückbau bei der Verbrennung verhalten. „Die erzeugten EBS wurden in zwei Abfallverbrennungsanlagen, einem EBS-Kraftwerk und in einem Zementdrehrohr durchgesetzt. Rohdeponat wurde nur in einer der Abfallverbrennungsanlagen eingesetzt“, berichtete Quicker.

Bei allen Versuchen habe sich gezeigt, dass EBS aus Deponat durchaus schwierige Eigenschaften besitzt. Eine Verbrennung – bevorzugt als Mix mit Frischmüll – in einer klassischen Abfallverbrennungsanlage sollte aber unproblematisch sein. Vorausgesetzt, die Anlage verfüge über einen gut regelbaren Rost und eine moderne Abgasreinigungsanlage.

Auch eine Verbrennung von unaufbereitetem Rohdeponat sei möglich. Das klappt allerdings nur in hoher Verdünnung mit Frischmüll. Quicker gibt hier ein Verhältnis von 1:10 an. Höhere Anteile von Rohdeponat würden sonst zu Problemen mit der Feuerführung führen.

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