Emissionsrechtehandel

Rat und Parlament der EU haben sich heute auf eine umfassende Reform des Emissionshandels geeinigt. Die deutsche Stahlwirtschaft ist entsetzt: Die vereinbarte Reform sei eine existenzielle Bedrohung für ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.

„Dies ist eine existenzielle Bedrohung“


Der Rat der EU-Mitgliedstaaten und das EU-Parlament haben sich heute auf eine umfassende Reform des Emissionshandels für den Zeitraum 2021 bis 2030 geeinigt. Die Einigung sieht unter anderem vor, dass deutlich mehr CO2-Zertifikate aus dem Markt genommen werden als bisher. Befürworter der Reform versprechen sich davon die nötige Knappheit am Markt, um wirksame Anreize für Investitionen in den Klimaschutz zu setzen.

„Es ist gut, dass nach jahrelangen Verhandlungen diese Einigung erreicht wurde“, kommentierte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks die erzielte Einigung. „Mit dieser Reform wird das Instrument des Emissionshandels nach 2020 endlich Wirkung entfalten für den Klimaschutz. Es ist zugleich gelungen, faire Regeln für die Industrie festzulegen. Die europäische Industrie wird sich zwar anstrengen müssen, wird aber vor unfairem internationalen Wettbewerb geschützt.“

„Technisch nicht erreichbarer Benchmark“

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl reagierte jedoch mit Unverständnis auf die heutige Einigung. „Mit diesem Ergebnis ist es Brüssel nicht gelungen, Klimaschutz mit der industriellen Wirklichkeit der Stahlindustrie in Einklang zu bringen“, kritisiert Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl.

„Die Stahlindustrie in Deutschland und Europa steht in einem intensiven globalen Wettbewerb mit Konkurrenten aus Ländern, die keine CO2-Kosten zu tragen haben“, betont Kerkhoff. „Nun wird sie für das gesamte kommende Jahrzehnt mit einer erheblich zu geringen Zuteilung von Zertifikaten konfrontiert, die sie nicht durch technische Maßnahmen ausgleichen kann – dies ist eine existenzielle Bedrohung für ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.“

Zwar sei es richtig, dass die für die Industrie insgesamt verfügbaren Zertifikate allgemein angehoben werden sollen. Die Weiterführung der Kompensationsregelung für emissionshandelsbedingte Strompreissteigerungen sei ebenfalls ein wichtiges Element zu Wahrung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit, auch wenn sie in der heutigen Form noch nicht ausreichend sei.

„Unsere Appelle zu einer für die Stahlindustrie besonders wichtigen Korrektur der nachgewiesen technisch nicht erreichbaren Benchmarks sind hingegen unbeantwortet geblieben“, bemängelt Kerkhoff. Dabei hatte das Europäische Parlament sogar entsprechende Vorschläge vorgelegt. „Die neue Bundesregierung muss nun dringend einen Weg für eine nachhaltige Lösung dieses Problems für die Stahlindustrie finden“, so der Verbandspräsident.

Kostenlose Zuteilung für gefährdete Industriezweige

Wie das Bundesumweltministerium (BMUB) hervorhebt, sei es ein weiterer Erfolg der Reform, dass der Emissionshandel künftig besser mit nationalen Maßnahmen verzahnt werden kann. „Wenn ein Mitgliedstaat zum Beispiel Kohlekraftwerke stilllegen will, kann er Zertifikate im eingesparten Umfang vom Markt nehmen. Bislang bestand zumindest theoretisch die Gefahr, dass zusätzliche nationale Einsparungen in einem Land durch Mehremissionen in einem anderen Land zunichte gemacht werden. Dabei hilft auch die Marktstabilitätsreserve.“

Die Reform stelle zugleich sicher, dass die energieintensive Industrie weiterhin vor unfairem Wettbewerb aus dem Ausland geschützt wird („Carbon Leakage“). Laut BMUB sehen die Regelungen sehen weiterhin eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für gefährdete Industriezweige vor. Über einen Sicherheitspuffer in Höhe von 3 Prozent werde künftig sichergestellt, dass es hier nicht mehr zu pauschalen Kürzungen kommen kann.

Allerdings darf die kostenlose Zuteilung sogenannte Benchmarks nicht übersteigen, die sich an den 10 Prozent effizientesten Unternehmen im jeweiligen Sektor orientieren. Die Benchmarks werden dann jährlich an den technologischen Fortschritt angepasst.

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