Studie

Wer eine ordnungsgemäße Berichterstattung unterlässt, kann satte Gewinne erzielen. Wie hoch die Kosteneinsparungen sind, wurde in einer neuen Studie berechnet. Darin werden auch die Kosten beziffert, die durch Geräteplünderungen entstehen.

E-Schrott: Nichtkonformität zahlt sich erschreckend gut aus


Wer gesetzeskonform handelt, hat das finanzielle Nachsehen. Denn jene E-Schrott-Recycler, die ihre behandelten Mengen nicht ordnungsgemäß melden, sparen Betriebskosten und damit jede Menge Geld. Wie viel genau, haben Wissenschaftler der Universität der Vereinten Nationen (UNU) jetzt zum ersten Mal berechnet.

„Durch das Nichtberichterstatten sinken die Betriebskosten eines Unternehmens um 20 Prozent.“ Diese Zahl nannte Jaco Huisman, wissenschaftlicher Berater an der UNU, heute in seinem Vortrag beim International Electronics Recycling Congres (IERC) in Salzburg. „Das bedeutet, dass Firmen, die nicht ordnungsgemäß berichten, Gewinne erzielen, die die üblichen Gewinnspannen in der Recyclingindustrie weit übersteigen.“

Das Nichtmelden hat sogar noch einen „verborgenen Schatz“, wie es der niederländische E-Schrott-Experte Huisman ausdrückte. Denn dadurch könne man sich die Kosten für die Schadstoffentfrachtung und fachgerechte Entsorgung von gefährlichen und nicht gefährlichen Fraktionen sparen. „Das kann sich auf bis zu 32 Prozent der Gesamtbetriebskosten belaufen.“ Anders ausgedrückt mache das je nach Produktkategorie zwischen 25 und 220 Euro pro Tonne E-Schrott aus.

Meldekosten machen 20 Prozent der Betriebskosten aus

Darüber hinaus haben die Forscher um Huisman untersucht, welche Kosten für die zugelassenen europäischen Recycler durch die Berichterstattung und Audits entstehen. Demzufolge betragen die Meldekosten durchschnittlich 20 Prozent der Gesamtbetriebskosten.

Der größte Kostenfaktor ist dabei die Berichterstattung an die zuständige Behörde. Das macht zwischen 50 und 60 Prozent der Gesamtmeldekosten aus. 30 bis 35 Prozent entfallen auf die Meldung an die Rücknahmesysteme. Der Anteil für das Auditing beträgt zwischen 10 und 20 Prozent.

In Euro ausgedrückt: Pro Tonne E-Schrott muss ein gesetzeskonformer Recycler zwischen 40 und 50 Euro für die Berichterstattung und das Auditing berappen. Wer seine Mengen nicht korrekt meldet, kann also einen satten Gewinn einstreichen.


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Verluste durch Geräteplünderungen im dreistelligen Bereich

Den europäischen Recyclern geht durch die sogenannte Plünderung von Altgeräten zusätzlich eine hohe Geldsumme verloren. „Die nicht korrekte Entsorgung von Elektroschrott, bei der wertvolle Teile wie Motoren, Kompressoren, Festplatten, Kabel und Leiterplatten entnommen werden, bevor bei den Recyclern ankommen, führt zu einem jährlichen Verlust für die Industrie in Höhe von 170 Millionen Euro“, sagte Huisman. Durchschnittlich würden 22 Prozent des anfallenden E-Schrotts in Europa geplündert.

Der größte finanzielle Schaden und zugleich die größte Umweltbelastung entsteht bei der Plünderung von Kühl- und Gefriergeräten. „Über die Hälfte der Altgeräte gelangen nicht einmal in eine Recyclinganlage“, sagte Huisman. „Von den Geräten, die beim Recycler ankommen, enthalten 22 Prozent keinen Kompressor mehr.“

Aus über zwei Drittel der ausgedienten Kühl- und Gefriergeräte werden demnach ozonschädigende Gase in die Umwelt freigesetzt. Die Treibhausgasemissionen beziffert Huisman auf 8 Millionen Tonnen pro Jahr – das entspricht den jährlichen Emissionen von 6 Millionen Autos.

Geräteplünderungen verhindern Schaffung von Arbeitsplätzen

Bei den anderen Produktkategorien ist der Anteil der geplünderten Altgeräte aber ebenfalls hoch. Im Einzelnen belaufen sich die Anteile auf:

  • 26 Prozent aller IT-Geräte
  • 22 Prozent aller Bildschirmgeräte
  • 18 Prozent aller Haushaltskleingeräte
  • 17 Prozent aller Haushaltsgroßgeräte

All die illegal entfernten Bauteile haben einen ökonomischen Wert – nur nicht für die Recycler. Diese Verluste sollten in den Verträgen, die die Betriebe zumeist mit Rücknahmesystemen abgeschlossen haben, berücksichtigt werden, fordert die EERA. Der europäische E-Schrott-Recycler-Verband hat angekündigt, die Entwicklung bei den E-Schrott-Plünderungen weiterzuverfolgen. Die prozentualen Anteile der Plünderung sollen jährlich veröffentlicht werden.

Die Plünderung von Elektro- und Elektronikaltgeräten verursacht aber nicht nur einen großen wirtschaftlichen Schaden. Dadurch gehen auch Arbeitsplätze verloren beziehungsweise werden gar nicht erst geschaffen. Die UNU-Wissenschaftler schätzen, dass dadurch in Europa mindestens 150 Arbeitsplätze nicht geschaffen wurden.

Mit illegalen Praktiken sinken Betriebskosten um 32 Prozent

Europaweit werden bislang nur 35 Prozent der Elektro- und Elektronikabfälle als gesammelt und behandelt dokumentiert. Dass dieser Anteil auch 15 Jahre nach der Umsetzung der europäischen WEEE-Richtlinie noch immer gering ausfällt, bezeichnet die EERA als enttäuschend.

Der Großteil der Altgeräte wird vermutlich immer noch nicht gesetzeskonform entsorgt und recycelt. „Illegale Exporte, das Plündern von Altgeräten aber auch das Mischen nicht verschmutzter Altgeräte in Großshreddern sind Praktiken, bei denen Elektroschrott nicht entsorgt wird und/oder die ordnungsgemäße Entsorgung gefährlicher und nicht gefährlicher Fraktionen unterbleibt“, warnt die EERA, die die UNU-Studie in Auftrag gegeben hat.

Aber die Versuchung zum Schritt in die Illegalität beziehungsweise den gesetzlichen Graubereich ist groß. Lassen sich laut Studie doch mit all diesen Praktiken bis zu 32 Prozent der Betriebskosten einsparen, die bei einem gesetzkonformen Recycling anfallen würden.

Recycler sollten für entgangene Einkünfte entschädigt werden

Um diese Missstände und Benachteiligungen der gesetzeskonform handelnden Recycler aus dem Weg zu räumen, geben die UNU-Wissenschaftler in ihrer Studie einige Empfehlungen. Eine davon ist die Einführung verbindlicher Normen, um gleiche Ausgangsbedingungen für alle zu schaffen. Darüber hinaus schlagen sie vor, dass die Recycler für die durch die Plünderungen entgangenen wirtschaftlichen Einkünfte entschädigt werden.

Um ein Level-Playing-Field für die Elektroschrottbehandlung zu schaffen, hat auch die EERA ein Maßnahmenbündel zusammengestellt. Neben der Forderung, dass Dienstleistungsverträge Geräteplünderungen berücksichtigen sollten, setzt sich die Branchenorganisation unter anderem dafür ein, dass eine Berichterstattung verbindlich vorgeschrieben werden muss.

Die Berichterstattung müsse generell eine höhere Priorität erhalten. Zudem sollten die Aufsichtsbehörden mehr Zeit für die Berichterstattung aufwenden. Auch müssten diese sowie auch die regionalen beziehungsweise kommunalen Behörden ihre Kenntnisse über die Risiken der Nichtkonformität und Nichtberichterstattung vertiefen. Nicht zuletzt sieht die EERA in den Zertifikaten zugelassener Recyclingbetriebe ein wirksames Instrument, um die Konformität überprüfen zu können.

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