Internationaler Markt

Die Produktion von Edelstahl läuft weltweit auf Hochtouren. Auch die Schrottnachfrage entwickelt sich stabil. Experten sind zuversichtlich: Die Entwicklung könnte noch einige Zeit anhalten.

Edelstahlschrott: Nachfrage entwickelt sich robust


In der weltweiten Edelstahlindustrie gibt es derzeit wenig Anlass zur Klage. Grund sind die prall gefüllten Auftragsbücher der Edelstahlwerke. Derzeit bewege sich die Produktion von Edelstahl auf einem hohen Niveau, bestätigt Joost Van Kleef, Vorsitzender des BIR-Ausschusses für Edelstahl und Sonderlegierungen im aktuellen Marktbericht des Weltrecyclingverbands.

Der Aufwärtstrend herrscht aber nicht nur beim Auftragseingang, sondern auch bei den Rohstoffpreisen. An der Londoner Metallbörse LME haben sich vor allem die Nickelpreise gut entwickelt. Bis Ende Januar sind die Preise auf fast 14.000 US-Dollar pro Tonne nach oben geschnellt. Danach allerdings ging es wieder in den Keller: Die Preise sind Anfang Februar auf 13.000 US-Dollar gefallen.

Van Kleef rechnet für die Zukunft mit einer weiterhin unsicheren Preisentwicklung. Das gilt nicht für Nickel, sondern auch für Molybdän und Eisen. Nichtsdestotrotz bleibt der BIR-Vertreter grundsätzlich positiv gestimmt: „Angesichts des jüngsten Einkaufsmanagerindexes in den USA und der guten Konjunkturaussichten für Europa bleiben wir für das zweite Quartal sowohl bei den Auftragseingängen als auch bei der Produktion positiv.“ Diese Grundstimmung zeigt sich auch in den Äußerungen der einzelnen BIR-Ländervertreter:

  • Indien

In Indien können sowohl die Betreiber von Edelstahlwerken als auch deren Schrottlieferanten aufatmen. „Der Engpass bei den Steuer- und Zollrückerstattungen ist nun endlich beseitigt“, schreibt Andre Reinders vom Edelstahlschrotthändler Nicrinox im aktuellen BIR-„World Mirror für Edelstahl.“ Hier ist es im Zuge der drastischen Steuerreformen der indischen Regierung im vergangenen Jahr zu enormen Verzögerungen bei der Rückerstattung an die Industrieunternehmen gekommen.

„Die indische Industrie hat während der Übergangsphase der Steuerreform nicht nur unter dem Chaos gelitten, sondern auch unter den staatlichen Rückzahlungsverzögerungen“, betont Reinders. „Das hat zu teilweise drastisch verzögerten Zahlungen an die Schrottlieferanten geführt.“

  • Indonesien

Indonesien ist nach Einschätzung von Reinders im Begriff, zum zweitgrößten Edelstahlproduzenten der Welt aufzusteigen. Bislang hat Indien diese Position inne. Laut Reinders holt Indonesien aber immer stärker auf. Getrieben wird diese Entwicklung bemerkenswerterweise durch chinesische Edelstahlproduzenten.

„Der chinesische Konzern Tsingshan hat bereits im vergangenen Jahr mit der Produktion und dem Export von Edelstahlbrammen in seinem vollintegrierten Werk in Indonesien begonnen“, wie Reinders berichtet. Dieses Werk hat demnach eine Jahreskapazität von 1 Million Tonnen. Mittlerweile hätten noch mehrere chinesische Firmen angedeutet, dass die Edelstahlproduktion an ihren indonesischen Standorten zunehmen werde.

  • China und Taiwan

Im Gegensatz zum letzten Quartal 2017 läuft es derzeit nicht rund für Chinas Edelstahlsektor. Das lässt zumindest der Bericht von Vegas Yang vom Edelstahlschrottverarbeiter und -lieferanten HSKU Raw Material vermuten. Demzufolge hat die asiatische Edelstahlbranche „eine kleine Pause eingelegt“. Diese Pause könnte sich durchaus auf das gesamte erste Quartal erstrecken.

Dennoch stehen die chinesischen Werke im Vergleich zu Werken in anderen asiatischen Ländern besser dar: „Denn Chinas Regierung bleibt bei ihrer harten Haltung gegenüber hochgradig umweltbelastenden Hochöfen und veralteten Anlagen“, wie Yang begründet. Dies zwinge Hersteller von Nickel Pig Iron nicht nur dazu, ihre Risiko-/Ertragsspanne neu zu überdenken. Einige veraltete Mini-Edelstahlwerke würden zudem dazu gezwungen werden, die Produktion auslaufen zu lassen und ihre Marktanteile an größere, fortschrittlichere Werke abzugeben.

  • USA

Die US-Wirtschaft wächst besser als erwartet. „Im dritten und vierten Quartal 2017 wuchs das BIP um 3,2 Prozent beziehungsweise um 2,6 Prozent“, schreibt Rick Dobkin, Shapiro Metals, & Barry Hunter, Hunter Alloys. Das hat auch die Industrieproduktion angekurbelt. „Da die Industrieproduktion sehr gut ist, ist auch die Produktion von Industrieschrott sehr hoch.“

Beim Altschrott sieht die Situation allerdings anders aus. Hier wirken sich laut Dobkin vor allem das relativ schwierige Winterwetter, fehlende Abbruchaktivitäten sowie der anhaltende Mangel an Lkw-Fahrern negativ aus. Dennoch entwickele sich die US-Schrottindustrie insgesamt gesund.

„Die Nachfrage der US-Edelstahlwerke nach Schrott bleibt bis in das zweite Quartal hinein stabil“, prognostiziert Dobkin. Die Schrottverfügbarkeit könnte allerdings hinter der Nachfrage herhinken. Was zu mehr Wettbewerb unter den großen Schrottlieferanten führen würde.

  • Italien

Die italienischen Stahlwerke fragen seit Dezember 2017 deutlich mehr Edelstahlschrott nach, wie Ruggero Ricco vom italienischen Lieferanten von Edelstahl und Superlegierungen Nichel Leghe Spa berichtet. „Der Binnenmarkt hat es sich zunächst schwergetan, diese Nachfrage zu befriedigen“, betont Ricco. Infolgedessen sei es zu einem Anstieg der Schrottimporte aus anderen EU-Staaten gekommen.

Seit Jahresbeginn aber sei der inländische Schrottabsatz auf einem sehr guten Niveau. „Wir durchleben gerade die beste Zeit seit Jahren“, wie es Ricco nahezu euphorisch formuliert.

  • Großbritannien

2017 war für die britische Edelstahlindustrie ein „recht zufriedenstellendes Jahr“. So drückt es Jonathan Bower von ELG Haniel Metals aus. Die Schrottpreise hätten zwar aufgrund der Volatilität des Nickelmarktes und der Wechselkurse während des gesamten Jahres geschwankt. Dennoch hätte die Branche insgesamt ein besseres Jahr als die beiden vorangegangenen verzeichnet.

Dieses Jahr könnte sogar noch einen draufsetzen. Denn das Produktionsniveau soll laut Bower mindestens das Niveau von 2017 erreichen. Somit wird voraussichtlich auch die Nachfrage der britischen Werke nach Edelstahlschrott gut bleiben. Die Schrottverfügbarkeit bleibe bislang von der Volatilität in der Preisgestaltung unbeeinträchtigt.

Trotz des Gegenwinds in den Konjunkturaussichten Großbritanniens, der anhaltenden Preisvolatilität und der Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Brexit: Der Recycler und Händler mit Rohstoffen für die Edelstahlindustrie ELG Haniels bleibt laut Bower für das kommende Jahr vorsichtig optimistisch.

  • Superlegierungen

Der Bedarf an Superlegierungen entwickelt sich derzeit gut. Das ist vor allem der guten Nachfrage aus der Luft- und Raumfahrtindustrie zu verdanken. „Boeing hat seine Flugzeugauslieferungen im vierten Quartal 2017 gesteigert, um Airbus zu schlagen“, schreibt Uwe Dierkes vom Metallrecycler und -händler Siegfried Jacob Metallwerke. Airbus hat im vergangenen Jahr demzufolge über 760 Jets gebaut.

Die beiden Flugzeugbauer werden voraussichtlich noch einige Zeit wichtige Abnehmer für Superlegierungen bleiben. Denn laut Dierkes verfügen beide Unternehmen noch immer über einen enormen Auftragsbestand.

Gestützt wird die positive Entwicklung durch die beiden Bereiche der Energieerzeugung und der Automobilindustrie. Der Ausbau der Elektromobilität habe bereits die Nachfrage nach Superlegierungen auf Nickel- und Kobalt-Basis in die Höhe getrieben – und damit auch die Preise. Der Bedarf an Lithium, Kobalt und Nickel wird höchstwahrscheinlich auch künftig steigen. Schließlich haben sich etliche Staaten bereits Ziele hinsichtlich des Einsatzes von Elektrofahrzeugen gesetzt.

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