Schadensregulierung

Ein Großbrand im eigenen Betrieb zählt zu den Dingen, die kein Unternehmer erleben möchte. Schlimm genug, wenn es doch dazu kommt. Doch danach wird es nicht besser. Versicherungen, Polizei, Behörden – die Probleme fangen dann erst richtig an, wie das Beispiel eines Entsorgers aus der Nähe von Leipzig zeigt.

Ein Großbrand und die Folgen


Es war der Abend des 7. Mai in diesem Jahr, als Jörg Parentin den Anruf bekam. „Es brennt. Du musst schnell kommen“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Parentin sprang in sein Auto und fuhr im Eiltempo zu seinem Entsorgungsbetrieb nach Großpösna bei Leipzig. Schon von Weitem konnte der Geschäftsführer der Parentin GmbH sehen, wie die Rauchsäule zum Himmel aufstieg. Eine große Halle, in der Altholz, Dachpappe und Abfälle aus Kunststoff lagerten, stand in Flammen.

Als Parentin das Betriebsgelände seines Familienunternehmens erreichte, war die Feuerwehr bereits da. Drei Tage brauchte sie, um den Brand zu löschen. Parentin selbst versuchte, Schlimmeres zu verhindern. „Ich bin mit einem Radlader in die brennende Halle gefahren, um das Material herauszuholen“, erinnert sich der 50-Jährige an seinen waghalsigen Einsatz.

Hunderte Tonnen Abfall, darunter Carbon, hat er vor den Flammen retten können. Seine Mitarbeiter haben außerdem verhindert, dass das Feuer auf benachbarte Gebäude, in denen ebenfalls Müll lag, übergriff. Glücklicherweise hat sich niemand verletzt. Erleichterung wollte aber trotzdem nicht so recht aufkommen, denn der materielle Schaden war immens.

Haben Sie das Feuer selbst gelegt?

Allein den Sachschaden beziffert Parentin auf rund sechs Millionen Euro. Zur Bilanz des Unglücks zählen eine abgebrannte Lagerhalle, eine lahmgelegte Stromversorgung, eine zerstörte Aufbereitungstechnik und ein ausgebrannter Elektrobagger. Hinzu kommt tonnenweise Brandabfall, der als Sondermüll auf einer Deponie teuer entsorgt werden musste.

Außerdem hat Parentin Einnahmenverluste – rund ein Drittel der Verarbeitungskapazitäten steht seither still. „Ich muss den Betrieb komplett neu ordnen“, berichtet der Geschäftsführer. Von einer Insolvenz sei seine Firma zwar nicht bedroht, doch ohne Zweifel belastet der Großbrand die Unternehmenskasse. Auch auf den Kosten für den Feuerwehreinsatz bleibt Jörg Parentin vorerst sitzen.

Vorerst – denn Parentins Hoffnung ruht nun auf den Versicherungen. Diese reagierten nach dem Unglück recht schnell, schon wenige Tage nach dem Feuer standen Brandgutachter der Maschinen- und der Gebäudeversicherung bei ihm im Büro. Parentin führte die Experten über das Betriebsgelände und stellte sich ihren Fragen.

Acht Stunden dauerte das ganze Prozedere. „Das war nicht alles angenehm“, sagt er rückblickend. Die Gutachter wollten beispielsweise wissen, wie es wirtschaftlich um die Firma bestellt ist. Ihre erste Frage aber lautete, ob Parentin das Feuer selbst gelegt habe. „Die müssen das fragen“, sagt Parentin. Trotzdem beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Da nahm er sich einen Anwalt. Den Rechtsvertreter zieht er seitdem regelmäßig zu Rate.

Zweimal wurde Parentin verhört

Die Versicherungen waren aber nicht die einzigen, die unbequeme Fragen stellten. Auch die Polizei knöpfte sich Parentin vor. Sie ermittelte wegen Brandstiftung. Zweimal wurde Parentin verhört, einmal kurz nach dem Brand bei ihm im Betrieb. Beim zweiten Mal wurde er auf die Wache bestellt. Das war rund sechs Wochen später. Am Ende stellten die Beamten ihre Ermittlungen, die auch gegen ihn gerichtet waren, ein. „Sie gehen davon aus, dass es sich um Selbstentzündung handelt“, erzählt Parentin. Ob die Versicherungen das genauso sehen, wisse er nicht.

Die Vertreter der Gebäudeversicherung statteten Parentin noch einen zweiten Besuch ab. Sie sammelten kistenweise Dokumente ein, darunter Genehmigungsunterlagen der Behörden und Jahresabschlüsse des Unternehmens. Wenig später verließen das Büro wieder.

Vorwurf der Überwachungsbehörde

Mittlerweile sind fast fünf Monate seit dem Brand vergangen und Jörg Parentin hat noch keinen Cent von den Versicherungen gesehen. Dass sie ihn so lang zappeln lassen, hängt sehr wahrscheinlich mit einem weiteren Verdacht zusammen, dem er sich ausgesetzt sieht: Die zuständige Überwachungsbehörde wirft ihm vor, dass er in der Halle, die abgebrannt ist, zu viel Abfall gelagert hatte. Es soll mehr gewesen sein als genehmigt war.

Parentin bestreitet das und ist zuversichtlich, dass die Behörde bei genauerer Prüfung ihren Vorwurf wieder zurückzieht. Dann, so hofft er, würden sich auch die Vorbehalte der Versicherer endlich in Luft auflösen. Erst wenn sie den Schaden anerkennen und erstatten, erst dann wird wohl auch wieder so etwas wie Normalität in den Familienbetrieb Einzug halten. Doch das wird wohl noch eine Weile dauern.

 

320°/mb

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