Nachruf

Der Tod von Karl J. Thomé-Kozmiensky ist ein herber Verlust für alle, die ihn kannten und für alle, die nicht mehr die Chance haben, ihn kennenzulernen. Er hat die deutsche Abfallwirtschaft geprägt wie kaum ein anderer – nicht nur fachlich, sondern auch persönlich. Ein Nachruf.

Einer der ganz Großen


Von Stephan Krafzik

Als ich den Umschlag vor wenigen Tagen vor mir liegen sah, hatte ich spontan ein ungutes Gefühl. Keine Wurfsendung für einen seiner Kongresse, die sonst regelmäßig im Briefkasten liegen, sondern ein rechteckiger Umschlag mit leichter Umrandung. Der Absender war der TK-Verlag. Ich wusste, dass es ihm gesundheitlich nicht besonders gut geht. Aber möglicherweise waren es einige Fotos, die er noch gefunden hatte von einem der letzten Kongresse. Die hat er immer gerne verschickt.

Leider waren es keine Fotos. Es war seine Todesanzeige.

Der Abfallwirtschaftsprofessor Karl Joachim Thomé-Kozmiensky ist tot. Am Sonntag vorvergangener Woche ist er 80 Jahre alt geworden, am Donnerstag darauf ist er gestorben. Der Mann, der die Abfallwirtschaft prägte wie kaum ein anderer, ist gegangen. Es ist ein herber Verlust für alle, die ihn kannten und für alle, die nicht mehr die Chance haben, ihn kennenzulernen.

Thomé-Kozmiensky war einer der ganz Großen. Er war groß, weil er darauf verzichtete zu zeigen, wie groß er wirklich ist. Er war nicht nur ein anerkannter Abfallexperte, er war auch ein Ästhet, ein Kunstliebhaber, ein Schelm, einer, der die Etikette pflegte und zugleich ein diebisches Vergnügen hatte anzuecken.

Ich habe Thomé-Kozmiensky vor vielen Jahren kennengelernt. Ich war regelmäßig als Journalist bei seinen Kongressen und hatte ihn schätzen gelernt. Anfangs nur in meiner Funktion als Journalist. Denn Thomé-Kozmiensky nutzte die Begrüßung zu Beginn der Konferenz gerne als Generalabrechnung mit der Abfallwirtschaft. Ob MBA oder Verpackungsverordnung, wenn es um schmissige Zitate ging, war auf ihn Verlass. Ich glaube, ich habe keinen Artikel über seine Ausführungen geschrieben, ohne ein Zitat von ihm für die Überschrift zu verwenden. Dafür waren die Zitate einfach zu gut.

Irgendwann später habe ich ihn persönlich kennengelernt. Er hat mich oft zum Abendessen am Vorabend seiner Kongresse eingeladen. Ich bin immer gerne gekommen, auch wenn es regelmäßig bedeutete, schon am Sonntagmittag nach Berlin zu fliegen. Ich mochte die Unterhaltung mit ihm, sie war gepflegt, sie war inspirierend und sie war amüsant unterhaltsam, weil er es wie kein anderer verstand, mit feiner Ironie den alltäglichen Irrsinn zu kommentieren.

Vertieft haben wir unsere Bekanntschaft vor einigen Jahren. Wir hatten damals überlegt, ob wir unsere Kräfte bündeln und gemeinsam etwas auf die Beine stellen sollten. Unser Strategietreffen fand in Neuruppin, dem Standort seines TK-Verlages statt. Thomé-Kozmiensky hatte mich eingeladen, in seinem Haus zu übernachten. Wir kochten abends Spargel, tranken Wein und unterhielten uns. Es war ein geistreicher Abend.

Thomé-Kozmiensky war damals schon Mitte 70, aber er war noch voller Tatendrang. Während andere Golf spielten, überlegte er sich, wie er den Verlag weiter entwickeln konnte. Er wäre damals gerne noch jünger gewesen, um seine Pläne umzusetzen. Es ist der Fluch des Alters: im Kopf fühlt man sich noch jung, der Körper jedoch spricht eine andere Sprache.

Sein Körper war es auch, der seine Pläne durchkreuzte, im hohen Alter nach Berlin umzuziehen. Thomé-Kozmiensky hatte ein wunderschönes Anwesen in Neuruppin, doch in Berlin, so fand er, sei einfach mehr los. Da blitzte es wieder auf, sein Tatendrang, sein Wille, etwas anzupacken und zu unternehmen. Gewöhnlich ist das nicht, dass jemand mit Mitte 70 in die Großstadt ziehen und dort ein neues Haus kaufen will.

Wenn man sich mit Thomé-Kozmiensky unterhielt, war man gefordert. Er war ein aufmerksamer Zuhörer, Small Talk war nicht sein Ding. Er war ein Freund des niveauvollen Gesprächs, bei einem guten Glas Wein, ausgestattet mit einem scharfen Gespür für sein Gegenüber. Als wir in seinem Wohnzimmer saßen und uns über die Zukunft unterhielten, kam er kurz auf die Gemälde an seiner Wand zu sprechen. Ich selbst finde Kunst schön und interessant, aber ich verstehe nichts davon. Thomé-Kozmiensky hat das schnell erkannt und das Thema gewechselt. Er hätte mit einem Monolog zeigen können, wie viel er von Kunst versteht, aber das hatte er nicht nötig.

Größe hat der, der nicht zeigt, wie groß er ist. Auf Thomé-Kozmiensky trifft das zu. Sein bescheidenes Auftreten und respektvoller Umgang mit anderen Menschen hat ihn ausgezeichnet. Und wer ihn persönlich kennengelernt hat, weiß, dass er ein großes Herz hatte. Thomé-Kozmiensky hat die deutsche Abfallwirtschaft entscheidend geprägt, er hat ihr viel hinterlassen und er hat ihr ein Gesicht gegeben.

Dieses Gesicht kann man jetzt nur noch auf Fotos betrachten. Auf einem der Fotos in den Kongressflyern steht Thomé-Kozmiensky im Garten hinter dem Verlagsgebäude, angelehnt an einen Stein. Diesen Stein hat er schon vor Jahren anfertigen lassen. Der Stein wird nun umziehen auf den Friedhof in Berlin. Es ist sein Grabstein.

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