Baustoffrecycling in Italien

In Italien werden seit mehr als zwanzig Jahren Bauabfälle aufbereitet. Um welche Mengen es sich handelt und was damit genau passiert, ist häufig unklar. Giorgio Bressi, Technischer Direktor der Vereinigung italienischer Recyclingbaustoffproduzenten, gab auf der IFAT einen Überblick.

„Ersatzbaustoffe gehören zum guten Ton“


Bis zum Jahr 2020 sollen europaweit 70 Prozent der anfallenden ungefährlichen Baurestmassen verwertet werden. So lautet die Vorgabe der EU-Kommission. Legt man die Daten zugrunde, die die italienische Umweltschutzbehörde ISPRA nach Brüssel meldet, erfüllt Italien mit 75,5 Prozent bereits heute diese Recyclingquote. Doch Giorgio Bressi hat dazu eine andere Meinung.

„Ich glaube das nicht“, sagte der Technische Direktor der Vereinigung italienischer Recyclingbaustoffproduzenten ANPAR bei seinem Vortrag anlässlich der 1. Europäischen Ressourcenkonferenz auf der IFAT. „Die Zahlen der ISPRA von rund 48 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfällen pro Jahr inklusive Bodenaushub sind bloß Schätzungen, keine Daten“, sagte Bressi. Demnach generiere jeder Einwohner Italiens jährlich 0,8 Tonnen. Laut Untersuchungen des ANPAR fielen aber beispielsweise in der Region Trento schon zwei bis drei Tonnen Material pro Kopf und Jahr an.

bauinvestitionen---wichtigste-laender-europas-2014Generell ist die Datenlage dünn. „Das liegt zunächst einmal daran, dass das Ministerium für Umwelt und das Ministerium für Infrastruktur wenig miteinander kommunizieren“, wie Bressi ausführte. Darüber hinaus würden in Italien noch immer Baurestmassen illegal entsorgt und somit nicht erfasst. Des Weiteren sei es schwierig, dass es zwar Zahlen der ANPAR-Mitgliedsunternehmen – also der RC-Baustoffhersteller – gibt, nicht aber Zahlen der Baustoffproduzenten. Sie sind nach Angaben von Bressi nicht verpflichtet, ihre Produktionsmengen anzugeben.

Handlungsbedarf beim Gesetzgeber

Was dem Technischen Direktor der ANPAR ebenfalls Kopfzerbrechen bereitet, ist die Qualität der Recyclingbaustoffe. „Wir haben hier unterschiedliche Qualitäten am Markt“, sagte Bressi. „In Einzelfällen wurden bei Baumaßnahmen bereits mit Schwermetallen oder Asbest belastete Ersatzbaustoffe eingesetzt.“ Was hier fehle, seien eindeutige Vorgaben zum Einbau seitens des Gesetzgebers und die klare Unterscheidung von Abfall und Produkt.

Laut Bressi gibt es bislang lediglich klare Regeln für Sickerwassertests, aber keine Regeln, welche technischen Spezifikationen das Sekundärmaterial erfüllen soll. „Italien muss eigene Abfallendekriterien entwickeln, wie das bereits andere EU-Mitgliedstaaten auf Grundlage der EU-Direktive aus dem Jahr 2008 getan haben“, forderte Bressi. Zudem sollten rezyklierte Gesteinskörnungen ein CE-Siegel tragen, auch wenn das der Markt derzeit nicht wolle.

Parallel müssten Qualitätssicherungsmaßnahmen implementiert werden. Dazu gehört für Bressi in erster Linie eine stärkere Kontrolle des Abbruchs. Denn bislang werden in Italien überwiegend mobile Anlagen zur Aufbereitung von Bauschutt genutzt – und das trotz einer Vielzahl stationärer Anlagen mit guter Aufbereitungstechnik. Zudem forderte er, eine zentrale Planung für die Entnahme natürlicher Baustoffe.

Obwohl es in Italien hinsichtlich des Baustoffrecycling noch einiges zu tun gebe, zeigte sich Bressi abschließend positiv: „Im Norden Italiens ist der Einsatz von Ersatzbaustoffen weit verbreitet und gehört zum guten Ton.“ Die Regionen Trento, Venetien, und Lazio hätten bereits Richtlinien für Recyclingbaustoffe erarbeitet. Laut Bresse überarbeitet die ANPAR aktuell die technischen Spezifikation für sekundäre Materialien. Weitere Impulse erwartet die Vereinigung von einer EU-Richtlinie für Bau- und Bauabbruchabfälle.

© 320°/ek | 09.06.2016

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