Urteil

Eine Kommune darf Aufgaben an einen Zweckverband übertragen, ohne dafür ein Vergabeverfahren vorzuschalten. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Das Recht auf kommunale Selbstverwaltung wird dadurch gestärkt.

EuGH stützt interkommunale Zusammenarbeit


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass die Übertragung von Aufgaben auf einen Zweckverband durch eine Kommune eine reine Organisationsentscheidung ist und nicht unter das EU-Vergaberecht fällt (Az: C-51/15). Darauf weist die Berliner Kanzlei GGSC hin.

Der Entscheidung des EuGH lag ein Nachprüfungsverfahren zugrunde, das Remondis gegen die Region Hannover eingeleitet hatte. Remondis wollte die Region Hannover zur Ausschreibung von Entsorgungsleistungen verpflichten, die diese im Jahr 2003 auf den zu diesem Zweck gegründeten Zweckverband Abfallwirtschaft Hannover (aha) übertragen hatte. Das OLG Celle hatte deshalb dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Gründung eines Zweckverbandes und die Aufgabenübertragung auf diesen in den Anwendungsbereich des EU-Vergaberechts fallen. GGSC hat aha vor dem EuGH vertreten.

Die Vorlagefrage des OLG Celle hat der EuGH verneint, wie GGSC mitteilt. Der EuGH habe betont, dass die öffentlichen Stellen frei entscheiden können, ob sie für die Erfüllung ihrer im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben auf den Markt zurückgreifen oder hiervon absehen wollen. Die Kompetenzverlagerung auf einen Zweckverband sei kein „öffentlicher Auftrag“ im Sinne des Vergaberechts.

Außerdem habe der EuGH auch deutlich gemacht, dass es für die Vergabefreiheit der Kompetenzübertragung auf einen Zweckverband nicht darauf ankommt, ob und in welchem Umfang der Zweckverband neben seinen satzungsmäßigen Aufgaben auch auf dem Markt tätig ist. Ob und in welchem Umfang öffentliche Einrichtungen bestimmte Tätigkeiten auf dem Markt ausüben können oder nicht, falle unter die Organisationshoheit der Mitgliedstaaten.

„Damit stellt der EuGH in begrüßenswerter Deutlichkeit klar, dass die Anforderungen an vergabefreie Inhousegeschäfte oder interkommunale Kooperationen (Begrenzung der marktbezogenen Tätigkeit auf maximal 20 Prozent) für die Aufgabenwahrnehmung durch Zweckverbände (oder die Kommunen selbst) nicht gelten“, erklärt GGSC.

Kommunale Selbstverwaltung wird gestärkt

Auch der Kommunalverband VKU begrüßt das Urteil. „Das Urteil stärkt das Recht auf kommunale Selbstverwaltung“, betont Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche. Der EuGH räume damit den Kommunen die Kompetenz ein, ihre Aufgabenerfüllung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu organisieren und dabei auch zusammenzuarbeiten. „Es ist gut, dass in dieser Frage nun Rechtssicherheit besteht“, zeigt sich Reiche zufrieden.

Laut VKU wird die interkommunale Zusammenarbeit insbesondere in Gegenden wichtiger, in denen die Bevölkerungszahlen aufgrund des demografischen Wandels und Abwanderung zurückgehen. „Wenn Kommunen ihre Aufgaben der Daseinsvorsorge in Zweckverbänden gemeinsam organisieren, können sie Synergien schaffen und damit im Sinne der Bürgerinnen und Bürger wirtschaftlich handeln“, erklärt der Verband. Deshalb würden sich immer mehr Kommunen zu erfolgreich operierenden Zweckverbänden zusammenschließen.

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