Ernüchternder EU-Report

In den EU-Staaten wird nur etwa ein Drittel des E-Schrotts ordnungsgemäß und nach der WEEE-Richtlinie entsorgt. Das belegt eine neue Studie unter der Federführung Interpols. Der Material- und Ressourcenverlust ist enorm.

Europas Defizite bei der E-Schrott-Entsorgung


Die europäischen Mitgliedsstaaten haben große Defizite bei der effektiven Umsetzung der Elektro- und Elektronik-Altgeräte-Richtlinie (WEEE-Richtlinie): Im Jahr 2012 sind in den 28 EU-Ländern plus Norwegen und die Schweiz 9,45 Millionen Tonnen Elektro- und Elektronikschrott angefallen. Lediglich 35 Prozent (3,3 Millionen Tonnen) der ausgemusterten Geräte landeten in den offiziellen Sammel- und Recyclingeinrichtungen. Der große Rest von 6,15 Millionen Tonnen wurde anders „entsorgt“.

Schätzungsweise 1,5 Millionen Tonnen Altgeräte wurden in Länder außerhalb der EU exportiert, wie es im Abschlussreport des EU-Projekts Countering WEEE Illegal Trade (CWIT) heißt. Lediglich 200.000 Tonnen davon waren offiziell als gebrauchte Elektro- und Elektronikgeräte deklariert. Die übrigen 1,3 Millionen Tonnen Altgeräte haben die EU undokumentiert verlassen. Rund 70 Prozent davon (900.000 Tonnen) bestanden aus noch funktionsfähigen Second-Hand-Geräten, 30 Prozent (400.000 Tonnen) waren reiner E-Schrott.

E-Schrott-Entsorgung CWIT-ReportVon diesen illegalen E-Schrott-Exporten wird jedoch nur ein geringer Prozentsatz aufgedeckt. Laut Interpol führte die Beschlagnahmung von lediglich 2.000 Tonnen illegal verschifften E-Schrotts zu einer gerichtlichen Verurteilung und/oder Geldbußen oder zivilrechtlichen Sanktionen. Der Interpol-Projektkoordinator David Higgins bezeichnet den Handel mit Elektroschrott daher auch als eine „hoch profitable Aktivität mit einem geringen Risiko, entdeckt zu werden“.

3,15 Millionen Tonnen nicht ordnungsgemäß recycelt

Bemerkenswert ist im Zusammenhang mit den illegalen Aktivitäten auch eine andere, weitaus größere Zahl: Fast die zehnfache Menge dessen, was an E-Schrott illegal außerhalb Europas exportiert wurde, wurde in Europa selbst falsch deklariert, illegal hin- und hergeschoben oder unsachgemäß behandelt. Insgesamt soll es sich laut Studie um eine Menge von 4,65 Millionen Tonnen handeln. Schätzungsweise 3,15 Millionen Tonnen E-Schrotts wurden demzufolge nicht gesetzeskonform gesammelt und recycelt. Das beinhalte unter anderem 2,2 Millionen Tonnen an stahlhaltigen Haushaltsaltgeräten, die zusammen mit anderem Metallschrott gesammelt und unter Bedingungen recycelt wurden, die den Standards nicht entsprechen.

Zudem wird ein großer Teil an wertvollen Materialien von Wertstoffdieben ausgeschlachtet. Die Verfasser der Studie schätzen, dass etwa 750.000 Tonnen werthaltiger Gerätekomponenten die offiziellen Sammelstellen erst gar nicht erreichen. Darunter auch eine erhebliche Menge an Kühlschrank-Kompressoren: Von insgesamt 300.000 Tonnen würden 84.000 Tonnen geraubt. Zudem gehen den Sammelstellen und Recyclern rund 180.000 Tonnen Kabel und IT-Komponenten verloren. Diese würden üblicherweise nach Asien exportiert, meistens als Materialfraktionen zur weiteren Separation.

Nicht zuletzt trägt auch das Verhalten der Konsumenten zum Verlust an E-Schrott und werthaltiger Materialien bei. Denn geschätzte 750.000 Tonnen an kleinen Altgeräten landeten 2012 im Restmüll. Die Menge pro Einwohner und Jahr schwankt dabei je nach Land zwischen 1 und 2 Kilogramm. Diese Zahlen basieren auf einer Literaturrecherche, die 15 EU-Staaten abdeckt. Die Daten sind laut Verfasser dann auf die EU-28 plus Norwegen und die Schweiz hochgerechnet worden.

Horrender Material- und Wertverlust

All das bedeutet einen enormen Material- und Ressourcenverlust für die vorschriftsmäßig arbeitenden europäischen E-Schrott-Verwerter. Und damit auch einen enormen ökonomischen Verlust. Den Gesamtwert der Materialien, die nicht für eine gesetzeskonforme Verarbeitung in Europa zur Verfügung standen, berechnen die Autoren auf bis zu 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Die durch die illegale Entsorgung eingesparten Kosten werden mit 150 bis 600 Millionen Euro jährlich beziffert.

Doch eigentlich sind die Ergebnisse des CWIT-Berichts nicht wirklich neu. Dass zum Beispiel nur rund ein Drittel des anfallenden E-Schrotts in Europa in den offiziellen Sammel- und Recyclingstrukturen ankommt und fachgerecht entsorgt wird, haben bereits vorhergehende Studien festgestellt. Auch die Vorschläge der CWIT-Experten zur Bekämpfung des Problems sind an sich nichts bahnbrechend Neues.

Dass sich die EU-Länder auf einheitliche Richtlinien und glasklare rechtliche Definitionen wie zum Unterschied zwischen Gebrauchtgeräten und Abfall verständigen müssen, ist eine Forderung, welche die Recyclingbranche seit vielen Jahren erhebt. Auch die Forderungen nach einer besseren Ausbildung von Polizei, Staatsanwaltschaften und auch Richtern sowie einer international koordinierten Informationen der Strafverfolgungsbehörden sind nicht neu. Diese und andere Schwachstellen im Kontroll- und Sanktionssystem hatte die Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik schon 2012 in ihrer Studie „Elektrorecycling. Eine ethische Risikoanalyse“ identifiziert.

Doch neben allen negativen Zahlen wartet die Studie auch mit einer Erkenntnis auf, die zumindest ein wenig beruhigt. Denn die organisierte Kriminalität hat sich bei der E-Schrott-Entsorgung noch nicht verfestigt. „Das organisierte Verbrechen ist zwar in einigen Mitgliedsstaaten in illegale Abfallentsorgungsketten verstrickt. Der Verdacht, dass das organisierte Verbrechen sich aktiv an den illegalen E-Schrott-Aktivitäten beteiligt, hat sich anhand der vorliegenden Informationen nicht bestätigt“, schreiben die Autoren der Studie. Hierzu sollen aber noch weitere Informationen gesammelt werden.

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