Mittelstand

Die Geschäfte im deutschen Mittelstand laufen gut, aber gänzlich zufrieden sind die Unternehmen dennoch nicht. Denn viele Firmen haben Probleme bei der Mitarbeitersuche. Erste Unternehmen beklagen bereits Umsatzausfälle durch den Mangel an Fachkräften.

Fachkräftemangel spitzt sich zu


Das Geschäft brummt. Und zwar so gut, wie schon seit Jahren nicht mehr. Nach einer aktuellen Umfrage der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) sind 59 Prozent der deutschen Mittelständler uneingeschränkt zufrieden mit der Geschäftslage. Ein Drittel will sogar neue Jobs schaffen.

Doch ganz so einfach gestaltet sich das nicht. Denn 78 Prozent der Unternehmen beklagen, dass es ihnen schwer falle, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden, wie es im aktuellen EY-Mittelstandsbarometer heißt. Vor einem Jahr lag dieser Anteil noch bei 69 Prozent, Anfang 2015 bei 67 Prozent.

Insbesondere in den beiden deutschen Vorzeigebranchen Kraftfahrzeugbau und Elektrotechnik sind die Probleme groß. In diesen beiden Branchen fällt es laut EY 89 beziehungsweise 84 Prozent der Unternehmen schwer, offene Stellen adäquat zu besetzen. Aber auch in der privaten Entsorgungsbranche wird händeringend nach Fachpersonal gesucht, dort sind insbesondere Kraftfahrer gefragt.

100.000 offene Stellen

Nach einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit besteht der Fachkräfte-Mangel in insgesamt 20 Berufsgruppen. Allein im Bereich Technologie gibt es derzeit nach Angaben der Jobsuchmaschine Adzuna über 100.000 offene Stellen. Am größten sei die Zahl offener Stellen für den Bereich IT-Anwenderberatung sowie Softwareentwicklung und Programmierung (40.828 offene Stellen). Auf dem Fuße folgen Spezialisten in der Elektrotechnik (34.673 offene Stellen) sowie Ingenieure im Bereich Mechatronik und Automatisierungstechnik (28.250 offene Stellen).

Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften macht sich mittlerweile ganz konkret in den Büchern der Unternehmen bemerkbar. Gut jeder zweite Mittelständler (53 Prozent; Vorjahr: 49 Prozent) beklage, dass er Aufträge nicht annehmen könne, weil ihm geeignete Fachkräfte fehlen würden, berichtet die Beratungsgesellschaft EY in ihrem Mittelstandsbarometer.

Jeder neunte beklagt demzufolge sogar erhebliche Umsatzausfälle von mehr als fünf Prozent. Insgesamt dürfte sich der Schaden, der dem deutschen Mittelstand durch derartige entgangene Umsätze entsteht, nach EY-Berechnung auf jährlich gut 49 Milliarden Euro belaufen. Grundsätzlich sei dabei die Bereitschaft, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, so hoch wie seit Jahren nicht: 33 Prozent der Mittelständler planten, die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland zu erhöhen; das sei der höchste Wert seit zehn Jahren.

„In manchen Regionen ist der Arbeitsmarkt aber leer gefegt“, sagt Peter Englisch, Partner bei EY. „Größere Unternehmen suchen daher zunehmend im Ausland nach Mitarbeitern oder bauen entsprechende Funktionen außerhalb Deutschlands aus.“ Oder aber sie stellen Flüchtlinge ein. Immerhin 16 Prozent der Unternehmen beschäftigen bereits Flüchtlinge, wie aus dem EY-Mittelstandsbarometer hervorgeht. Weitere 59 Prozent wären grundsätzlich bereit, Flüchtlinge einzustellen.

Können Flüchtlinge Fachkräftemangel mildern?

Obendrein scheinen sich auch die Möglichkeiten für Unternehmen, Flüchtlinge als Arbeitskräfte zu rekrutieren, verbessert zu haben: Vor einem Jahr hätten noch 43 Prozent den Zugang für Betriebe zu qualifizierten Flüchtlingen als schwierig bezeichnet. Derzeit sähen dies nur noch 23 Prozent als Problem an.

Als größte Hürde für eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt nennen laut EY vier von fünf Mittelständlern mangelnde Deutschkenntnisse. Fehlende Qualifikationen sehe wie im Vorjahr knapp jeder zweite Befragte (46 Prozent).

Deutlich weniger Schwierigkeiten als Anfang 2016 bereitet offenbar die Bürokratie. Vor einem Jahr hätten noch 58 Prozent der Unternehmer die unklare Gesetzeslage während laufender Asylverfahren als Problem gesehen. Inzwischen seien es nur noch 34 Prozent. Nicht zuletzt habe sich der Anteil der Mittelständler, die die fehlende Planungssicherheit – etwa die Gefahr der Abschiebung – beklagen, binnen Jahresfrist von 52 auf 25 Prozent mehr als halbiert.

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