Rückgewinnung von Neodym und Dysprosium

Der Bedarf an Dauermagneten wird in den kommenden Jahren stark wachsen und damit auch der Bedarf an Seltenen Erden. Noch gibt es kein großindustrielles Recyclingverfahren für Post-Consumer-Magnete, wohl aber etliche Forschungsprojekte. Vielversprechend ist unter anderem ein neues Verfahren der TU Freiberg.

Forscher gehen neue Recyclingwege für Dauermagneten


Gesinterte Neodym-Eisen-Bor-Magnete (NdFeB-Magnete) finden sich aufgrund ihrer extrem hohen Energiedichte in vielen technischen Anwendungen. Doch obwohl NdFeB-Magnete schon seit über drei Jahrzehnten auf dem Markt sind, gibt es bislang keine großindustriell umgesetzten Recyclingverfahren für diese stärksten unter den Permanentmagneten. Die meisten Verfahren drehen sich nur um Produktionsabfälle, nicht aber um Magnete in Elektroaltgeräten oder aus industriellen Anwendungen. Dabei ist die Notwendigkeit eines Recyclings der darin enthaltenen Seltenen Erden offensichtlich. Denn der Bedarf an Neodym und Dysprosium wird in den kommenden Jahren stark wachsen.

NdFeB-MagneteDas Öko-Institut geht in einer Studie zu Permanentmagneten davon aus, dass sich bis zum Jahr 2020 die weltweite Nachfrage für alle Anwendungen von NdFeB-Magneten von rund 60.000 Tonnen jährlich auf rund 120.000 Tonnen verdoppeln wird. Vor diesem Hintergrund hat ein Konsortium mit Beteiligung der TU Clausthal das Projekt „Seltenerd-Magnet-Recycling” (SEMAREC) ins Leben gerufen. Das Ziel ist die Entwicklung einer industriell umsetzbaren Recycling-Technologiekette für NdFeB-Magnete. „Das Semarec-Projekt hat zum Ziel, NdFeB-haltige Stoffströme sowohl aus dem Bereich von Produktions- als auch aus Konsumentenabfällen so aufzubereiten und zusammenzuführen, dass aus ihnen über ein hydrometallurgisches Verfahren wirtschaftlich ein marktfähiges Seltenerd- und weitere Metallkonzentrate gewonnen werden können“, erklärt Tobias Elwert, Leiter der Arbeitsgruppe Hydrometallurgie & Flotation, die am Lehrstuhl für Rohstoffaufbereitung und Recycling der TU Clausthal angesiedelt ist.

Hydrometallurgie für große Bandbreite an Stoffströmen geeignet

Im Rahmen des Projekts will die TU Clausthal zusammen mit Innova Recycling, Elektronik-Produkt Recycling und PPM Pure Metals potenziell geeignete Stoffströme identifizieren und analysieren. Aufbauend auf diesen Daten sollen Aufbereitungsverfahren zur Gewinnung von NdFeB-Konzentraten entwickelt werden. Für diese soll ein nachfolgender hydrometallurgischer Recyclingprozess bis in den kleinen Produktionsmaßstab weiterentwickelt werden. Die (Weiter-)Entwicklung von Verfahren zur mechanischen Aufbereitung und Hydrometallurgie im Labor- und kleinem Technikumsmaßstab fällt in den Aufgabenbereich der TU Clausthal. „Darüber hinaus übernehmen wir einen Großteil der physikalischen und chemischen Analytik“, schildert der Ingenieur Elwert.

„Der Vorteil von hydrometallurgischen gegenüber pyrometallurgischen Recyclingverfahren für NdFeB-Magnete besteht darin, dass diese Verfahren sowohl für oxidierte Abfälle wie beispielsweise Schleifschlämme aus der Magnetproduktion als auch metallische Abfälle geeignet sind und besser auf verschiedene Verunreinigungen adaptierbar sind“, erläutert Ewert. Hydrometallurgische Verfahren haben aber auch ihre Nachteile. In der Regel brauchen sie deutlich mehr Prozessstufen und produzieren Abwasser. „Da wir im Projekt allerdings die Verarbeitung einer großen Bandbreite an Stoffströmen unterschiedlicher Qualität anstreben, haben wir uns für einen hydrometallurgischen Ansatz entschieden.“

In dem von Elwert und seinem Team entwickelten hydrometallurgischen Prozess werden die Magnete beziehungsweise oxidierte Pulver im ersten Schritt in Salzsäure gelöst. Anschließend werden aus der Lösung Eisen als Eisen(III)-Oxidhydroxid und Cobalt als Cobaltsulfid gefällt. Als Letztes werden die Seltenen Erden gegebenenfalls nach einer Trennung mittels Solventextraktion, durch eine Fällung mit Oxalsäure zurückgewonnen.

Laut Elwert läuft das Projekt gerade erst an, baut aber in Teilen auf das bereits abgeschlossene Projekt „Recycling von Komponenten und strategischen Metallen aus elektrischen Fahrantrieben (MORE)“ auf. Hierin hat ein Konsortium unter der Leitung von Siemens Recyclinglösungen für permanenterregte Elektromotoren aus Hybrid- und Elektrofahrzeugen entwickelt. Das Nachfolgeprojekt Semarec ist auf drei Jahre angelegt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 800.000 Euro gefördert.

US-Forscher stecken Magnete in den Radiowellenofen

US-Forscher vom Ames Laboratory gehen einen ganz anderen Weg. Sie nutzen Radiowellen, um die in den Magneten steckenden Seltenen Erden zurückzugewinnen. Die gesinterten und unbeschichteten NdFeB-Magnete werden zunächst in einer automatischen Mörsermühle in zwei bis vier Millimeter lange Stückchen zerkleinert. Anschließend werden noch Magnesiumstückchen hinzugefügt und alles in einen Radiowellenofen gegeben. „Der Radiowellenofen erhitzt das Material auf 850 Grad und schmilzt das Magnesium durch Induktionserwärmung“, erklärt Ryan Ott, der die Forschungsarbeiten leitet. Das Magnesium könne gezielt die Seltenen Erden aus dem Magnetschrott herauslösen. Die nicht gewünschten Bestandteile, also Eisen und Bor, bleiben in den Magnetstückchen zurück. Die Seltenen Erden seien in flüssigem Magnesium löslich und diffundierten während des Prozesses heraus.

Das Magnesium und der Seltene-Erden-Mix werden anschließend in einen Barren gegossen und abgekühlt. Um die Seltenen Erden vom Magnesium zu trennen, setzten die Wissenschaftler das Verfahren der Vakuumdestillation ein, die bei erniedrigtem Druck durchgeführt wird. Dadurch wird die Siedetemperatur der zu trennenden Flüssigkeiten verringert. Das Magnesium verdampft, zurück bleiben die Seltenen Erden mit einer Reinheit von über 97 Prozent. „Die Eigenschaften der zurückgewonnenen Seltenen Erden schneiden im Vergleich mit denen unveredelter Seltener Erden sehr günstig ab“, behauptet Ott. Die Recyclingmaterialien würden über dieselben Eigenschaften wie die Primärmetalle verfügen.

Verfahren der TU Freiberg

Noch verharren diese Verfahren im Labormaßstab beziehungsweise stehen erst noch ganz am Anfang. Die Chemiker der Technischen Universität Bergakademie Freiberg sind da schon einen großen Schritt weiter. Ihr Wiederaufbereitungsverfahren für NdFeB-Magnete setzt gerade zum Sprung aus dem Labor in die industrielle Produktion an. „Die FNE Entsorgungsdienste Freiberg will das Verfahren übernehmen“, berichtet Martin Bertau, Direktor des Instituts für Technische Chemie. Eine Demonstrationsanlage mit einer Kapazität von 100 Jahrestonnen sei in Planung.

Grundlage des Verfahrens ist die ebenfalls an der TU Freiberg entwickelte sogenannte SepSelsa-Technologie. Damit können selbst kleinste Mengen Seltener Erden und anderer Rohstoffe wie Quecksilber aus Leuchtstoffabfällen zurückgewonnen werden. Auch an der Entwicklung dieses Trennverfahrens haben die FNE Entsorgungsdienste mitgearbeitet. Mittlerweile läuft dort eine größere Anlage, die für die Verarbeitung von 15 Jahrestonnen an Produktionsabfällen ausgelegt ist.

Das neue Verfahren zum Recycling der Seltenen Erden Neodym und Dysprosium aus den Permanentmagneten sei aber nicht identisch mit der SepSelsa-Technologie, erklärt Bertau. Hier spielt die Gasphasentransportchemie eine große Rolle. Unter dem Begriff chemischer Gasphasentransport fasst man eine Vielzahl von Reaktionen zusammen, die ein gemeinsames Merkmal haben: Ein Festkörper wird mittels einer chemischen Reaktion bei einer bestimmten Temperatur in die Gasphase überführt und bei einer anderen Temperatur und an einer anderen Stelle wieder als Feststoff abgeschieden. Ein Beispiel hierfür ist die Halogenglühlampe. Hier dampft Wolfram von der heißen Drahtwendel ab. Die verdampften Wolframatome reagieren mit dem Halogen Iod, das sozusagen das Transportvehikel für die Wolframatome ist. Angetrieben durch den Temperaturunterschied zwischen Glühwendel und Kolbeninnenwand zirkuliert diese gasförmige Wolfram-Iod-Verbindung im Kolben. Wo sie dem Glühdraht wieder nahe kommt, zerfällt sie, so dass wieder metallisches Wolfram auf dem Glühfaden abgeschieden wird.

Verkaufserlös für Ammoniak deckt Großteil der Prozesskosten

„Im Fall des zum Patent angemeldeten Magnetrecyclings ist die Situation ähnlich und doch anders“, sagt Bertau. „In beiden Fällen nutzt man die Eigenschaft des Ammoniumchlorids (NH4Cl) aus, sich leicht unter erhöhter Temperatur zu zersetzen. Bei Gasphasentransportreaktionen ist NH4Cl ein bewährtes Transportmittel, für die Magneten aber beschreiten wir einen anderen Weg.“ Während normalerweise das so freigesetzte Chlorwasserstoffgas als Transportvehikel diene, werde es hier als Aufschlussmittel genutzt. Überschüssiges NH4Cl verbleibe dabei nicht im Magnetmaterial, sondern scheide sich an einer Kondensationsfläche ab. Damit steht es für seinen nächsten Einsatz wieder zur Verfügung. So stellen die Freiberger Technischen Chemiker sicher, dass nur so viel Säure verbraucht wird, wie auch tatsächlich benötigt wird.

Überschüssiger Chlorwasserstoff verbindet sich erneut mit Ammoniak und wird in gleicher Weise abgeschieden. Das durch den Chlorwasserstoff-Verbrauch übrigbleibende Ammoniakgas wird ausgewaschen und kann als wässrige Lösung in den Markt gegeben werden. „Auf diese Weise kann allein durch den Verkaufserlös des Ammoniaks ein Großteil der Prozesskosten bestritten werden“, erläutert Bertau.

Der gasförmige Chlorwasserstoff reagiert nun mit dem im Magneten enthaltenen Neodym, Dysprosium und Eisen zu den jeweiligen Chloriden. Durch Zugabe von Wasser werden sie herausgelöst, übrig bleibt festes Bor, das leicht abfiltriert werden kann. Aus der wässrigen Lösung werden Neodym und Dysprosium durch Zugabe von Fluorwasserstoff in Form ihrer schwerlöslichen Fluoride als Mischfluorid ausgefällt und abfiltriert. Die Reinheiten des Neodym-Dysprosium-Fluorids liegen nach Auskunft der Chemiker im Rohprodukt bei über 99 Prozent. Für das in der wässrigen Phase verbleibende Eisen(II)-chlorid gebe es ebenfalls einen Markt.

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