Interview mit Michael Scriba

mtm-Geschäftsführer Michael Scriba über die zunehmende Verwendung von Verbundstoffen in Verpackungen, die Konsequenzen für das Recycling und Maßnahmen, wie sich die Recyclingfähigkeit von Verpackungen verbessern lässt.

„Für Recycler ist das ein Grauen“


Herr Scriba, in vielen Verpackungen finden sich zunehmend Verbundstoffe. Sind das Einzelfälle oder verbirgt sich dahinter ein genereller Trend?

mtm plastics GmbH
mtm plastics GmbH

Ich glaube nicht, dass dies nur Einzelfälle sind. Das ist durchaus ein Trend, der zu erkennen ist. Die Kombination verschiedener Materialien scheint sich zunehmend durchzusetzen, vor allem bei Kunststoff-Papier-Kombinationen.

Was bewegt die Hersteller zu solchen Verbundstoffen?

Offenbar geht es in erster Linie darum, Verpackungsgewicht einzusparen. Dadurch lassen sich dann auch Lizenzgebühren bei den dualen Systemen einsparen. Mit Papier, das für den Verpackungszweck eigentlich ungeeignet ist und mit etwas Kunststoff kombiniert wird, lässt sich zwar kein Gewicht, aber trotzdem Lizenzgebühren sparen, denn Papier kostet bei den dualen Systemen deutlich weniger. Das Problem ist nur, dass das Recycling solcher Verbundstoffe erheblich erschwert wird.

Weil die Materialien sich nicht verwerten lassen?

Zumindest sind sie schwer zu verwerten. Jeder Verwertungsprozess ist immer auch ein Sortier- und Reinigungsprozess, und bei Kombinationsmaterialien kann man vereinfacht sagen, dass ein Sortierergebnis umso zufälliger wird, je mehr unterschiedliche Materialien in einer Verpackung verarbeitet sind. Und ein zufälliges Sortierergebnis ist ein Widerspruch in sich. Wenn ich die Zielfraktion nur zufällig erreiche oder dort zufällig Bestandteile reinkommen, dann kann ich das Sortieren auch gleich ganz sein lassen. Damit entfällt dann aber auch eine hochwertige Verwertung.

Die Verbundstoffe beeinträchtigen also auch die Recyclatqualität?

Ja, das tun sie, wenn man überhaupt im Stoffkreislauf so weit kommt. Ein Kombinationsmaterial, das einen Recyclingprozess durchläuft, besteht eben nur zum Teil aus dem gewünschten Zielmaterial wie beispielsweise PE oder PP. Die anderen Bestandteile sind beispielsweise PET, Holz oder Papier. Und wenn diese Materialien in das Endprodukt gelangen, dann ist die Qualität des Endprodukts schlechter. Das wiederum schränkt seine Vermarktungsfähigkeit ein, weil die mechanischen Eigenschaften schlechter und damit die Anwendungsmöglichkeiten geringer werden.

Wie groß ist inzwischen der Anteil von Verbundstoffen an Verpackungen?

Das ist schwer zu beziffern. Nicht einmal die dualen Systeme, bei denen ja jede Verpackung gewogen und registriert wird, scheinen das zu wissen. Was man sagen kann, ist, dass der Trend zu Verbundmaterialien wie beispielweise Mehrschichtfolien und Papier-Kunststoffverbunden stärker wird und im Bereich der Mischkunststoffverwertung die Mehrschichtverpackungen heute mengenmäßig den überwiegenden Anteil ausmachen. Bekanntlich sind rund 50 Prozent des Inhalts des Gelben Sacks Mischkunststoffe, wovon die Mehrheit Mehrschichtverpackungen sein dürften. So betrachtet würden 25 Prozent der Verpackungen aus Verbundstoffen bestehen, wobei ich glaube, dass dies eine eher vorsichtige Schätzung sein dürfte.

Was kann die Recyclingwirtschaft tun, um den Trend zu stoppen?

Es ist nicht so, dass wir Recycler nun fordern „Alles muss aus Mono-Material erzeugt werden“. Ich erkenne aber auch keinen Fortschritt darin, ein geringes Verpackungsgewicht zulasten der Verwertbarkeit zum Selbstzweck zu erklären. Aber es gibt bestimmte, hauptsächlich marketing-getriebene Designelemente in Verpackungen, die man schon mal infrage stellen könnte.

Welche Designelemente sind das?

Neben dem Einsatz von Papier mit Kunststoffen ist das beste Beispiel der übermäßige Gebrauch von Pigmenten und Druckfarben, um in der Verpackung bestimmte Farbeffekte zu erzielen. Das wird nur in den seltensten Fällen funktional begründet sein und ist in den meisten Fällen marketing-getrieben. Da kann man sicherlich den Hebel ansetzen. Klar ist, dass Marken-Farben dabei einen besonderen Schutz genießen. Aber es wird so viel Kreativität und technisches Know-how in die Gestaltung von Verpackungen investiert, da wäre es doch gelacht, wenn dieser Sachverstand nicht auch sinnvolle, recyclinggerechte Lösungen hervorbringen könnte. Eine andere Frage ist die Wahl von PET bei der Verpackung von Nicht-Getränken. Da gilt PET als hochwertiger im Vergleich zu PE oder PP, weil es glänzender im Regal steht und dadurch eine höherwertige Anmutung hat. Funktionale Vorteile halten sich eher in Grenzen. Auch hier ist es eine marketing-getriebene Materialentscheidung. Und bei PET, das nicht im Getränkeverpackungsbereich eingesetzt wird, stellt sich grundsätzlich die Frage: Ist das eigentlich überhaupt verwertbar? Und da sagen die PET-Recycler, dass sie es nicht wollen, entsprechende Sortierströme stauen sich schon bei den Sortierern.

Wie reagiert die Industrie, wenn Sie diese Probleme ansprechen?

Das Problembewusstsein ist schon größer geworden. Auch die Neugier auf unsere Problemkriterien, wie Dichte, Materialzusammensetzung, Pigment- Druckfarbeneinsatz, ist groß. Die Bereitschaft ist erkennbar, bestimmte Änderungen vorzunehmen. Aber der grundsätzliche Trend ist bei Weitem nicht gebrochen. Und deshalb müssen wir uns den Problemen jetzt stellen. Was eine große Rolle spielt, ist immer eine Gesamtbetrachtung des gesamten Lebenszyklus‘ einer Verpackung. Und da kann man sich als Recycler nur schwer durchsetzen, wenn man sagt: „Ich möchte aber, dass ihr ausschließlich auf das Recycling schaut“. In dieser differenzierten Diskussion befinden wir uns derzeit mit der Industrie. Da gibt es sicherlich auf allen Seiten viel zu lernen.

Gibt es auch schon konkrete Maßnahmen seitens der Industrie?

Die gibt es vereinzelt, ja. Das sehen Sie insbesondere im Bereich von Shampoo-Verpackungen, wo mittlerweile vielfach Deckel und Flaschenkörper aus einem Material sind und das Etikett möglicherweise auch noch. Ohne dass ich das jetzt empirisch beweisen könnte, habe ich auch den Eindruck, dass der Einsatz von Pigmenten im Körperpflegesegment zurückgegangen ist und dass sich insbesondere die großen Abfüller wie Procter & Gamble, Henkel oder UniLever bemühen, erste Schritte in die richtige Richtung zu tun. Aber das ist nur ein kleines Marktsegment. Die größeren Marktsegmente sind die ganzen flexiblen Verpackungen. Da ist noch viel zu tun, insbesondere im Bereich der Schalen. Hier finden wir noch viel zu viel eingefärbtes PET wie zum Beispiel schwarz eingefärbte Clamshells, in denen beispielsweise Tomaten liegen. Der Deckel ist meist transparent, die Schale schwarz und auch meistens noch aus PET – für jeden Recycler ein Grauen. Da ist noch viel zu tun.

Das Problembewusstsein ist auch beim Bundesumweltministerium vorhanden. Im Zuge des geplanten Wertstoffgesetzes sollen duale Systeme verpflichtet werden, im Rahmen der Lizenzentgeltbemessung Anreize zu setzen, um die Recyclingfähigkeit zu fördern. Hilft das?

Vom Grundsatz her ja. Die Frage ist nur, ob das, was damit einhergeht, auf Akzeptanz der betroffenen Wirtschaftskreise trifft. Die Recyclierbarkeit ist sicherlich ein Kostenfaktor bei den dualen Systemen, der bürokratische Aufwand aber auch. Je schwerer die Verpackung zu verwerten ist, desto geringer ist ihre Chance, in eine der hochwertigen Monofraktionen sortiert zu werden. Stattdessen landet sie in den Mischkunststoffen und muss entweder energetisch oder werkstofflich teuer verwertet werden. Aber das ist eben nur die eine Seite der Medaille. Die gesamte Betrachtung des Lebenszyklus ist die andere und da kann es sein, dass hocheffiziente Verpackungen in der Recyclierbarkeit etwas schlechter abschneiden, aber insgesamt einen enormen Beitrag leisten. Und ob man die dann diskriminieren sollte, indem mehr Lizenzentgelt bezahlt werden muss, das muss man sich erst nochmal genauer anschauen. Andererseits kann man sagen: Wenn eine Verpackung wirklich so hocheffizient ist, dann verkraftet sie auch einen gewissen Aufschlag bei ihren End of Life-Kosten. Und um die handelt es sich ja bei den Lizenzgebühren.

Reichen „Anreize“ aus, oder sollte die Forderung konkreter ausfallen?

Ich denke, man kann von einem Arbeitsentwurf nicht erwarten, dass dort schon eine sehr konkrete Regelung getroffen wird. Und generell sollte gelten, dass ein Gesetz eine Forderung aufstellt und auch Sanktionen benennt, für den Fall, dass diese nicht erfüllt wird. So sieht der Arbeitsentwurf derzeit auch aus. Es sollte der Wirtschaft überlassen werden, auf welchem Weg das Ziel erreicht wird. Damit würde man vermeiden, dass es Fehlsteuerungen gibt, nur weil der Gesetzgeber eine zu detaillierte Regelung trifft, die möglicherweise von der Entwicklung der Märkte überholt wird.

Das würde dann auf eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft hinauslaufen?

Ja, in diese Richtung könnte es gehen. Aus Sicht der Recycler ist es das Ziel, größere Mengen an hochwertigen Rezyklaten im Wertstoffkreislauf zu halten. Quantitativ schafft man das mit einer höheren Verwertungsquote, qualitativ mit mehr recycling-gerechtem Design.

Wie bewerten Sie den Arbeitsentwurf zum Wertstoffgesetz insgesamt?

Das ist eine gute Diskussionsgrundlage, die im Wesentlichen das wiedergibt, was wir Recycler wollen. Es ist insgesamt eine gute Basis, auf der man reden und die man weiterentwickeln kann. Allein das weitgehende Entgegenkommen gegenüber den Kommunen, die sich in keiner Weise kompromissbereit zeigen, bereitet Probleme: Wir Recycler befürchten mehr Verbrennung und sinkende Standards bei der Verwertung durch die Atomisierung der Sammel- und Sortiervorgaben, je nach Vorstellung der einzelnen örE.

Mehr zum Thema
Recycelbar und kompostierbar: Chipstüte aus Papier
Fragen und Antworten zum PET-Markt in Europa
Institute senken Konjunkturprognose – Nur noch Miniwachstum
Die neue Abfall­­­verbringungsverordnung kann kommen
KI sortiert Kunststoffe für Lebensmittel­verpackungen
Erstes deutsches Unternehmen für Schiffsrecycling
Verpackungsmüll: Warum bayerische Kommunen weiterhin auf das Bringsystem setzen
„Noch wenig Hinweise auf konjunkturelle Belebung“
Forscher: Plastik ist viel großräumiger verteilt als vermutet
Zu viel Bürokratie: „Das macht manche Firmen verrückt“
UN-Bericht: Die Welt produziert Jahr für Jahr mehr Elektroschrott
Nur rund ein Viertel der Kunststoffe in Europa wird recycelt