Überkapazitäten drücken auf die Preise

Glasscherben sind gefragt. Doch die Aufbereiter können davon kaum profitieren. Sie kämpfen mit schlechter Input-Qualität und hohen Anforderungen aus der Industrie.

Glasrecycling: Hohe Nachfrage, hoher Druck


Glasverpackungen werden immer schicker. Und beliebter. Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 2,8 Prozent mehr Behältergläser herstellt als im Jahr zuvor. Mit dem Anstieg der Produktion werden auch immer mehr Glasscherben verarbeitet. Die Glasrecycler können von diesem Trend aber nur bedingt profitieren. Ihnen machen vor allem der schlechte Wareneingang und die kurzen Verträge zu schaffen.

4,18 Millionen Tonnen Behälterglas wurde im Jahr 2014 in Deutschland produziert. Für die Glasherstellung verwenden die Produzenten gerne viele Scherben. „Pro 10 Prozent eingesetzte Scherben können 3 Prozent Energie gespart werden“, sagt Johann Overath, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Glasindustrie. „Da würde die Behälterglasindustrie gerne so viele Scherben wie möglich einsetzen.“

Umsatz der Glasindustrie in Deutschland nach Branchensektoren in den Jahren 2010 bis 2013 (in Millionen Euro) Tatsächlich liegt der Scherbeneinsatz über alle Farben bei rund 60 Prozent, bei Grünglas werden bis zu 90 Prozent Sekundärscherben eingesetzt. Ging es nach den Produzenten, so könnten die Quoten auch noch höher liegen. Allein, es fehlt an geeignetem Material. „Im Bereich Grünglas ist das Ergebnis sehr zufriedenstellend, beim Braun- und Weißglas würden wir gerne mehr Scherben einsetzen; dieses wird jedoch durch die oftmals mangelnde Scherbenverfügbarkeit verhindert“, so der Hauptgeschäftsführer.

So sind die Glasrecycler im Gegensatz zu vielen anderen Recyclen in der luxuriösen Situation, dass die Nachfrage nach ihrem Material sogar das Angebot übersteigt. Dennoch können sie daraus kein Kapital schlagen. „Das Problem ist, dass vor allem bei Weißglas die Scherbenmischung absolut sauber sein muss“, erklärt Marnix-Jan Oostrijck, Betriebsleiter bei Glasrecycling Leeseringen und Vorsitzender des Fachverbands Glasrecycling im Entsorgerverband bvse. „Wir können zwar dank neuer Technologien immer bessere Qualität herstellen und bieten auch immer mehr weiße Scherben an. Aber die Nachfrage steigt stetig und irgendwo ist die Trenntechnik auch begrenzt.“

Endabnehmer wollen immer dünnere Holglasbehälter

Das Problem der Qualität ist nicht neu. Schon seit vielen Jahren kämpfen die Recycler damit an beiden Enden der Kette. Zum einen auf Seite des Ankaufs und auf der anderen Seite nach der Aufbereitung beim Verkauf an die Glasindustrie. Um ein wenig Klarheit in die Lieferbeziehungen zu bekommen, haben die Beteiligten vor ein paar Jahren zwei Leitfäden entwickelt, die Standardblatt T120 und T121 genannt wurden.

Recycling von Behälterglas in der EU 2012Ersteres wurde vom Bundesverband Glasindustrie und den beiden großen Entsorgerverbänden BDE und bvse erarbeitet und ist eine Leitlinie zu Qualitätsanforderungen an Glasscherben zum Einsatz in der Behälterglasindustrie. Die Glasindustrie ist mit der Wirkung der Leitlinie zufrieden: „Wir stellen eine deutliche Verbesserung bei der Qualität der aufbereiteten Scherben fest. So sind zum Beispiel sehr viel weniger Störstoffe wie Keramik, Porzellan und Steine in den Scherben enthalten“, sagt Overath. „Die Aufbereiter haben in die Technik ihrer Aufbereitungsanlagen investiert, was sich bei der Qualität sehr bemerkbar macht.“

Auch Recycler Oostrijck bestätigt die Investitionen der Glasrecycler: „Viele Aufbereiter bauen ständig um.“ Wie hoch die Investitionen der Branche jährlich sind, kann er nicht sagen. „Das behalten die Unternehmen für sich.“ Obwohl die Forderungen der Abnehmerindustrie die Recycler oft vor große Herausforderungen stellen, hat Oostrijck dafür auch Verständnis: „Die Hütten sind auch durch die Anforderungen der Endabnehmer getrieben. Sie wollen immer dünnere Holglasbehälter bei gleicher Festigkeit. Das ist ein Kraftakt.“

Problem ist der Transport

Die zweite Leitlinie T121 wurde von den Aufbereitern erarbeitet und regelt die Beprobung von Glasscherben. „So können wir die Verlässlichkeit der Messergebnisse sicher stellen“, sagt Oostrijck. „Das ist ein guter Schritt, um zu sagen, worüber wir bei den Proben überhaupt reden. Das hat auf alle Fälle zu einer besseren Grundsituation geführt.“ Zu einer besseren Qualität der Scherben, die die Aufbereiter geliefert bekommen, hat die T121 jedoch nicht geführt. Laut Oostrijck ist die Qualität des Inputs in den vergangenen Jahren „massiv schlechter geworden“.

Schuld sind für ihn zwei Dinge: Die Umschlagplätze, die es in immer größerer Zahl gibt und der Transport der Scherben. „Auf den Plätzen wird mit den Scherben rabiat umgegangen, da fährt auch mal ein Radlader durch“, sagt Oostrijck. Ihm sind die Umschlagplätze generell ein Dorn im Auge, bessere wäre es, die Scherben direkt zum Aufbereiter zu bringen. Und zwar vernünftig transportiert. Das bedeutet: Keine Wege über 80 Kilometer und keine Gemischtspeditionen wo noch Sand und Kies in den LKW liegt.

Verwertungsquote von Verpackungen aus Glas in Deutschland in den Jahren 2001 bis 2011 „Je länger die Scherben transportiert werden, je häufiger sie umgeschlagen werden, desto kleiner werden sie und desto schwieriger ist es, sie zu sortieren und Fremdstoffe auszuschleusen.“ Schuld seien vor allem die Dualen Systeme, die bei Abholung und Transport ausschließlich kaufmännisch denken würden. „Die Probleme, die dabei entstehen, werden auf die Aufbereiter abgewälzt“, kritisiert der Recycler. Wie hoch der Verschmutzungsgrad im Schnitt ist, kann Oostrijck nicht beziffern, „das ist wirklich sehr unterschiedlich“.

Überkapazitäten bei der Aufbereitung

Neben der schlechten Qualität und den hohen Anforderungen der Abnehmer, machen den Glasrecyclern auch die Preise zu schaffen. Denn trotz der starken Scherbennachfrage seitens der Glashersteller, herrschen Überkapazitäten bei der Aufbereitung im Markt. Mit jeder Investition vergrößern die Aufbereiter auch ihre Kapazität. Um die Kosten reinzuholen, müssen sie mehr Menge verarbeiten und konkurrieren um die gesammelten Scherben. Und diese werden laut Oostrijck im Einkauf immer teurer.

Die gestiegenen Einkaufspreise und Aufbereitungskosten können die Recycler aber nicht auf die Abnehmer abwälzen. „Im Verkauf machen wir leider auch nicht mehr viel Geld“, sagt der Betriebsleiter. „Vor allem werden die Verträge und Ausschreibungen immer kürzer, da wird es schwer zu kalkulieren und hohe Preise zu verlangen.“ Trotz magerer Marge, Insolvenzen in dem Bereich sind Oostrijck für Deutschland keine bekannt.

Obwohl die Aufbereiter unter schwierigen Marktbedingungen arbeiten, findet Oostrijck auch positive Aspekte seiner Branche. Als eine der wenigen Stoffströme funktionieren bei aufbereitetem Altglas die Abfallende-Kriterien problemlos. Da die Qualitätsvorgaben der Industrie bereits sehr hoch sind, werden die EU-Vorgaben für die Einstufung als Produkt ohnehin schon erfüllt. Und auch das ungeliebte A-Schild, das Abfalltransporte kennzeichnet, müssen die Transporter nicht mehr angeheftet haben. „Das zeigt ganz klar, dass Scherben kein Abfall sind“, sagt Oostrijck.

Und eine weitere Entwicklung freut den Recycler: Auch im Flachglasbereich werden immer mehr Scherben eingesetzt. Bisher kamen diese überwiegend aus der eigenen Herstellung als Produktionsreste. „Inzwischen ist auch die Flachglasindustrie im Stande, Post-consumer-Glas zu verarbeiten“, sagt Oostrijck zufrieden.

Einen Überblick über die Glasaufbereiter und Glashütten in Deutschland erhalten Sie hier.

© 320°/ek | 24.02.2015

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