Umsatzsteuer

Ein neues Gutachten stuft die Umsatzsteuerbefreiung für Kommunen als rechtswidrig ein. Im Bereich Abfallwirtschaft seien die Voraussetzungen für ein solches Steuerprivileg nicht gegeben, heißt es. Damit stellt sich das Gutachten gegen die Rechtsauffassung des Bundesfinanzministeriums.

Gutachten greift Steuerprivileg der Kommunen an


Die in Deutschland geltende Umsatzsteuerbefreiung für kommunale Entsorgungsunternehmen ist rechtswidrig. Zu dieser Einschätzung gelangt Professor Roman Seer vom Institut für Steuerrecht und Steuervollzug der Ruhr-Universität Bochum in einem Gutachten für den Entsorgerverband BDE. Demnach komme eine Steuerfreiheit von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen nur in ganz speziellen Bereichen in Betracht und das auch nur, wenn keine größeren Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privaten Anbietern zu befürchten sind. „Diese Voraussetzungen aber sind im Bereich der Abfallwirtschaft eindeutig nicht gegeben“, so der Steuerexperte.

„Die Sonderstellung führt zum einen zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zugunsten kommunaler Betriebe und zum anderen werden die Bürger für die gleiche Leistung bundesweit unterschiedlich belastet“, sagt Seer. „Die Milch zum Beispiel wird ja auch überall gleich besteuert, egal ob der Verbraucher sie im Supermarkt oder in der Drogerie kauft.“

Private Unternehmen werden benachteiligt

Die Umsatzsteuer ist eine indirekte Verbrauchssteuer, die den Konsum des Endverbrauchers besteuern soll. Dabei dürfe es keine Rolle spielen, ob die Leistungen für den Verbraucher von einem kommunalen Betrieb oder von einer Gesellschaft der Privatwirtschaft angeboten werden, betont der BDE. Gleichwohl hält das Bundesfinanzministerium auch nach der Neuregelung des Paragrafen 2 b des Umsatzsteuergesetzes an der Privilegierung kommunaler Betriebe fest, wie das Ministerium in einem Schreiben vom 16.12.2016 klargestellt hat.

Der BDE hält diese Auffassung für falsch. Damit widersetze sich das Bundesfinanzministerium der Aufforderung der Europäischen Kommission, nach der die Bundesrepublik Deutschland für Wettbewerbsgleichheit sorgen muss. Laut BDE gilt das Steuerprivileg nicht nur für kommunale Betriebe in der Abfallwirtschaft. Es benachteilige auch zahlreiche weitere private Dienstleistungsunternehmen für den öffentlichen Sektor – von der Energiewirtschaft über den Landschaftsgartenbau bis hin zur Informationstechnologie.

„Verbraucher verliert Kostenkontrolle“

Der BDE beklagt schon seit geraumer Zeit einen „Trend zur Verstaatlichung“. Im Jahr 2006 habe in Deutschland der Anteil der Kommunen bei der Sammlung von Hausmüll 2006 noch bei 38,7 Prozent gelegen, rechnet der Verband vor. Zehn Jahre liege der Anteil bei 47 Prozent. In den neuen Bundesländern sei der Anteil im gleichen Zeitraum um mehr als 25 Prozent geklettert.

Für Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU Thüringen und Vorsitzender der Konferenz der finanzpolitischen Sprecher aller Bundesländer, ist diese Entwicklung fatal. „Der Staat sollte es tunlichst vermeiden, die Umsatzsteuerprivilegierung zur eigenen Steuervermeidung zu nutzen. Unsere Gesellschaft ist gerade durch das System der sozialen Marktwirtschaft sehr erfolgreich. Es kann nicht sein, dass wir in Bereichen wie der Abfallentsorgung und anderen Branchen auf Strukturen setzen, die ausdrücken sollen, dass der Staat alles besser kann. Das kann er nicht, und das ist auch nicht seine Aufgabe.“

„Der Verbraucher verliert durch die Monopolstellung kommunaler Betriebe seine Kostenkontrolle“, sagt BDE-Präsident Peter Kurth. Im Wettbewerb hätte er diese Kontrolle noch, denn den günstigsten Preis für die Leistung erhalte er nur dann, wenn er zwischen Angeboten verschiedener Unternehmen wählen könne. „Wir möchten uns im fairen Wettbewerb mit den kommunalen Betrieben messen – Grundvoraussetzung dafür ist eine gleiche Steuerbelastung von öffentlichen und privaten Anbietern. Möge der Bessere dann im Sinne der Bürger gewinnen“, so Kurth weiter.

VKU hält dagegen

Der VKU hingegen widerspricht der Forderung des BDE, öffentliche und private Unternehmen steuerlich gleich zu belasten. „Der Vorschlag ist unvereinbar mit grundlegenden Prinzipien des deutschen und europäischen Steuerrechts und verkennt die hierzu eindeutige Rechtsprechung sowohl des Bundesfinanzhofs als auch des Europäischen Gerichtshofs“, so VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche.

Richtig sei, dass der Staat dort, wo er in Wettbewerb mit der Privatwirtschaft tritt, steuerpflichtig ist. Dies sei bei der Hausmüllentsorgung aber ebenso wenig der Fall, wie zum Beispiel bei der Ausstellung eines Personalausweises, meint der VKU. In beiden Fällen müssten und dürften nur die Kommunen gegenüber dem Bürger tätig werden. Der gesetzliche Auftrag hierzu seiklar und unmissverständlich.

„Der Umstand, dass sich die Kommunen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung entscheiden können, private Dienstleister zur Unterstützung einzuschalten, ändert daran nichts“, betont der Kommunalverband. „Kommunen sind keine Konkurrenten für private Entsorger, sondern deren Auftraggeber und Kunden. Dies zeigen auch die Zahlen: 50 Prozent der Aufträge der Kommunen werden von privaten Unternehmen der Entsorgungsbranche erledigt.“

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