Überlassungspflicht versus gewerbliche Sammlung

Nach einem Rechtsgutachten ist die Einstufung von getrennt erfassten Bioabfällen als gemischte Abfälle europarechtswidrig. Nötig ist demnach ein eigener Abfallschlüssel. Die Folge wäre weitreichend: Die gewerbliche Sammlung wäre dann nicht mehr ausgeschlossen.

Gutachten prüft Möglichkeiten für gewerbliche Sammlung von Bioabfällen


Die Bedeutung von Abfallschlüsseln ist größer als gelegentlich angenommen. Schließlich ist die Entsorgungswirtschaft verpflichtet, Abfallschlüssel für eine Vielzahl rechtlich relevanter Dokumente zu verwenden. Sie ist darauf angewiesen, Abfälle möglichst eindeutig einem Abfallschlüssel zuordnen zu können. Bei fehlerhafter Zuordnung drohen in vielen Fällen empfindliche Sanktionen.

Von daher muss das Europäische Abfallverzeichnis eine zweifelsfreie Zuordnung ermöglichen. Das fordern auch die Rechtsanwälte Anno Oexle und Thomas Lammers von der Düsseldorfer Kanzlei Köhler & Klett. Sie haben im Auftrag des Entsorgerverbands BDE ein Gutachten über die Zulässigkeit der gewerblichen Sammlung von Bioabfällen erstellt. Dabei hängt es in erster Linie von der Einstufung der Bioabfälle in der Abfallverzeichnis-Verordnung ab, ob eine solche Sammlung möglich ist oder nicht. Gelten diese Abfälle als gemischte Abfälle (so wie Restabfall auch), dann greift die Überlassungspflicht ohne Ausnahme. Eine gewerbliche Sammlung ist somit ausgeschlossen. So schreibt es das Kreislaufwirtschaftsgesetz vor.

Erfolgt dagegen die Einstufung über einen anderen Abfallschlüssel, ist eine Ausnahme von der Überlassungspflicht zumindest theoretisch möglich. Voraussetzung hierfür wäre, dass eine gewerbliche Sammlung überwiegend öffentliche Interessen nicht gefährdet.

Eigener Abfallschlüssel für getrennt erfasste Bioabfälle

Die geltende Rechtslage ist klar: Die Bioabfallverordnung ordnet den Inhalt der Biotonne den gemischten Siedungsabfällen im Sinne der Abfallverzeichnis-Verordnung zu, also dem Abfallschlüssel 20 03 01. Zur Begründung heißt es in der Verordnung, dass die Abfallverzeichnis-Verordnung keine spezielle Abfallbezeichnung für getrennt erfasste Bioabfälle, insbesondere in Biotonnen, enthält. Weil somit Bioabfälle als gemischte Abfälle gelten, ist eine gewerbliche Sammlung nicht möglich. Doch das ist nach Auffassung der beiden Rechtsanwälte Oexle und Lammers europarechtswidrig.

Nach ihrer Meinung ist die Einstufung als gemischter Abfall nicht mit der Systematik der Abfallverzeichnis-Verordnung vereinbar. So dürfe der Abfallschlüssel 20 03 01 (gemischte Abfälle) nicht wie in der Bioabfallverordnung als „Auffangtatbestand“ für jene Siedlungsabfälle dienen, die sich keinem anderen Abfallschlüssel zuordnen lassen. Stattdessen müssten die Abfälle aus der Biotonne dem Abfallschlüssel 20 01 99 zugeordnet werden. Doch auch das sei eigentlich falsch. Denn sowohl das EU-Recht als auch das nationale Recht verlangten eine Getrenntsammlung von Bioabfällen. Deshalb müssten getrennt erfasste Bioabfälle einen eigenen Abfallschlüssel in der Abfallverzeichnis-Verordnung bekommen.

Denn schließlich sei auch der Abfallschlüssel 20 01 99 ein „Auffang-Abfallschlüssel“, argumentieren Oexle und Lammers. Das Problem mit einem solchen Auffang-Abfallschlüssel sei, dass bei statistischen Erhebungen, die beispielsweise zur Erhebung von Sammelquoten erforderlich sind, stets Zusätze zum Abfallschlüssel verwendet werden müssten, damit diese Informationen nicht verloren gehen.

„Dies wird der Funktion des Europäischen Abfallverzeichnisses nicht gerecht, welches gerade dazu dient, die Identifikation eines Abfalls allein anhand der Schlüsselnummer zu ermöglichen“, heißt es im Gutachten. „Auch aus diesem Grund ist es nötig, Bioabfällen einen eigenen Abfallschlüssel zuzuweisen.“

So sieht es auch der BDE. Er fordert schon seit Jahren einen eigenen Abfallschlüssel für die Inhalte der Biotonne. Nun will der Verband eine Änderung der geltenden Regelungen durchsetzen. In die Novelle der Bioabfallverordnung müsste ein eigener Abfallschlüssel für getrennt erfasstes Bio- und Grüngut aufgenommen werden, forderte BDE-Referentin Annette Ochs beim Biomasseforum vergangene Woche in Bad Hersfeld. Das Fehlen eines solchen Schlüssels erschwere nicht nur die statistische Erfassung der Bioabfallentsorgung, sondern führe auch zu Rechtsunsicherheiten für die betroffenen Entsorgungsunternehmen.

Mehr zum Thema
Kreislaufwirtschaft: Deutschland und China vereinbaren Aktionsplan
Neuer Roboter entleert Lebensmittelgläser in Sekundenschnelle
Nachhaltiger Flugtreibstoff SAF: Wie grün ist das Fliegen bereits?