Recycling von Elektrofahrzeugen

Edelmetalle, die in der Leistungselektronik von Elektrofahrzeugen stecken, lassen sich durchaus wirtschaftlich recyceln, meinen Wissenschaftler. Sie schlagen eine modifizierte Recyclingroute vor.

Hohe Rückgewinnungsraten von Edelmetallen möglich


Ob Unterhaltungssysteme oder Bordcomputer: Die Anzahl der Elektronikkomponenten in Fahrzeugen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. In Elektrofahrzeugen gehört die sogenannte Leistungselektronik gar zu den Schlüsselkomponenten. Aber auch unter Recyclingaspekten ist sie von Bedeutung – insbesondere was die Edelmetalle betrifft, die darin stecken.

Derzeit gehen 75 Prozent und mehr Edelmetalle in der Leistungselektronik verloren, heißt es in einem Vortrag, den das Öko-Institut auf der Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz präsentierte. So würden via Autoshredder/Post-Shredder Platinen derart zerkleinert, dass Edelmetalle in Staubform vorliegen und unwiederbringlich über die Fraktionen verteilt werden.

Die Leistungselektronik in Elektrofahrzeugen kommt inzwischen in zahlreichen Verwendungen zum Einsatz. Laut Öko-Institut finden sich die Komponenten insbesondere in:

  • Invertern, die den Gleichstrom der Batterie in Wechselstrom für den Elektromotor wandeln,
  • Gleichstrom-Gleichstrom-Wandler (DC-DC-Wandler), die das Bordnetz mit Niederspannung versorgen,
  • zusätzliche DC-Wandler, die bei einigen Fahrzeugen die Batteriespannung noch vor dem Inverter auf eine höhere Spannung transformiert,
  • Leiterplatten mit Steuerungselektronik und
  • Ladegeräten für das Aufladen der Batterie, was strenggenommen kein Teil des Leistungselektronikmoduls ist, aber für dieselben Verwertungsrouten interessant ist.

Um das Recycling zu fördern, hat das Öko-Institut gemeinsam mit der Firma Electrocycling, der Technischen Universität Clausthal, Volkswagen und PPM Pure Metals eine optimierte Recyclingroute entwickelt. Das Projekt lief unter dem Titel „Elektrofahrzeugrecycling 2020 – Schlüsselkomponente Leistungselektronik“ (ElmoReL 2020) und wurde vom Bundesumweltministerium gefördert. Für die Verwertung schlagen die Beteiligten einen Prozess in drei Schritten vor.

Im ersten Schritt wird die Leistungselektronik aus dem Elektrofahrzeug demontiert. Als mittlere Demontagezeit hat das Öko-Institut etwa 15 Minuten ermittelt. Das entspreche etwa 7,50 Euro Arbeitskosten.

Bei der Analyse der ausgebauten Einheiten hat sich den Forschern zufolge gezeigt, dass Aufbau und stoffliche Zusammensetzung der Module ähnlich sind. Demgegenüber variierten die Gewichte zwischen knapp 10 und gut 20 Kilogramm. Die größte Masse nahm dabei das Aluminiumgehäuse ein, gefolgt vom Folienkondensator als größtem Bauteil innerhalb der Leistungselektronik. Die Platine, in denen wertvolle Metalle wie Gold, Silber und Palladium sowie die Sondermetalle Zinn und eventuell Tantal stecken, machten 5 Prozent des Gewichts aus.


Durchschnittliche Zusammensetzung der Leistungselektronik

Stoff/Bauteil Anteil in %
Aluminium 56,1
Eisen 8,1
Kupfer inklusive Messing 8,7
Kunststoffe 5,8
Kondensatoren 13,9
Platinen 5,0
Kabel und Stecker 1,9
Sonstiges 0,5
Quelle: Öko-Institut

Darüber hinaus ermittelten die Wissenschaftler auch die stoffliche Zusammensetzung der Leistungselektronik. Dabei zeigte sich, dass der mit Abstand größte Anteil auf Aluminium entfällt, gefolgt von Kunststoff und Kupfer. Die kleinsten Anteile finden sich bei den Edelmetallen.


Durchschnittliche stoffliche Zusammensetzung der Leistungselektronik (inklusive Metallgehalt in Platinen)

Stoff Anteil in %
Aluminium 58,1
Eisen 8,9
Kupfer 12,3
Zinn 0,11
Gold 0,0009
Silber 0,0032
Palladium 0,00015
Tantal 0,0012
Niob 0,0001
Antimon 0,029
Kunststoff 18,6
Sonstiges 1,95
Quelle: Öko-Institut

Manuelle Zerlegung lohnt sich nicht

Nach der Demontage wurden die Leistungselektronikmodule mittels Prallmühle mechanisch aufbereitet und sortiert. Eine manuelle Zerlegung untersuchten die Forscher ebenfalls, stellten aber fest: Der personelle Aufwand ist so hoch, dass er den Wert der Metalle in der Leistungselektronik deutlich übersteigt.

Im Ergebnis lag eine Fraktion Aluminium mit Anhaftungen vor. Diese wurde in einem weiteren Aufbereitungsschritt gereinigt und direkt in Aluminiumschmelzwerken eingesetzt. Fraktionen, die kupferhaltige Bestandteile aus Kabeln und Eisenbestandteile enthalten, wurden weiter mechanisch aufbereitet, angereichert und in die geeigneten Hüttenprozesse weitergereicht.

Die wichtigste Fraktion – die Leiterplattenfraktion – lag nach der Sortierung weitestgehend intakt und rein vor, bilanzieren die Wissenschaftler. Damit könne sie direkt den etablierten Elektrorecyclingrouten zugeführt werden. Üblicherweise wird diese Fraktion in Sekundärkupferhütten geliefert, wo das enthaltene Kupfer, Gold, Silber, Palladium und Zinn zurückgewonnen wird. Zudem wurden die heizwertreichen Bestandteile der Leiterplatte als Energieträger verwertet.

Zusätzliche Aufbereitungsstufe entwickelt

Weil über den Weg der Sekundärkupferhütten aber einige Sondermetalle wie beispielsweise Tantal verloren gehen, schlagen die Wissenschaftler einen dritten Aufbereitungsschritt vor. Dabei werden die Platinen chemisch entstückelt, also Lötverbindungen zwischen Bauteil und Platine gelöst.

Wie es in Berlin hieß, wurden dazu erste Vorversuche durchgeführt. Als effektiv habe sich eine Lösung aus Salzsäure in Kombination mit Wasserstoffperoxid erwiesen. Eine Behandlung bei 60 Grad Celsius, im sauren Milieu und einem Redoxpotenzial von größer 600 Millivolt (Silber/Silberchlorid) beschleunige den Prozess. Abhängig von der Bestückung seien nach maximal 140 Minuten alle Bauteile entfernt.

Die Bauteilfraktion wurde anschließend sensorgestüzt sortiert, um verschiedene, marktfähige Metallkonzentrate zu erzeugen. Beispielsweise lasse sich eine palladiumreiche Fraktion (1.000 parts per million) gewinnen, erklärten die Wissenschaftler. Zudem könnten Tantalkonzentrate generiert werden. Die entstückten Platinen wurden an Kupferhütten verkauft.

Des Weiteren wurden innerhalb Lösungsschritts Kupfer, Zinn, Eisen, Blei, Aluminium, Zink und Nickel aufkonzentriert. Daraus könnten insbesondere Kupfer, Zinn, Blei und Nickel zurückgewonnen werden.

Deutliche Ressourceneinsparung

Insgesamt generiert die modifizierte Recyclingroute höhere Rückgewinnungsquoten für Edelmetalle und Zinn, sind die Experten überzeugt. Etwa 98 Prozent der Metalle gelangten zurück in den Kreislauf. Im Gegensatz dazu seien es über die Autoshredderroute nur 20 bis 25 Prozent. Zusätzlich könnten durch die chemische Platinenentstückung schätzungsweise etwa 90 Prozent des Tantals und 93 Prozent des Zinns zurückgewonnen werden.

Umgerechnet auf eine Tonne Leistungselektronik bedeutet das ein Mehrrecycling von 6,7 Gramm Gold, 23,5 Gramm Silber, 1,3 Gramm Palladium und 527 Gramm Zinn sowie 320 Gramm Zinn und 10,4 Gramm Tantal (chemischer Schritt). Käme die modifizierte Recyclingroute künftig flächendeckend zum Einsatz, könnten deutlich Ressourcen eingespart werden: Die Experten schätzen, dass sich auch ohne chemische Platinenentstückung aus einer Million Elektrofahrzeuge 7 Tonnen Zinn, 85 Kilogramm Gold, 300 Kilogramm Silber, 17 Kilogramm Palladium und 70 Tonnen Kupfer mehr wiedergewinnen ließen als über die Autoshredderroute.

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