Mehr Mitglieder, mehr Einfluss

Erst die Textilrecycler, jetzt die Baustoffrecycler: Der bvse wirbt erfolgreich um neue Mitglieder. Am liebsten holt er sie gleich verbandsweise. Auch die jüngste Verflechtung mit dem Verband Baustoff Recycling Bayern war von langer Hand vorbereitet.

Im Netz des bvse


Von Stephan Krafzik

Die harte Währung von Verbänden ist die Zahl der Mitglieder. Sie steckt den Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten ab. Von ihr hängt die Fähigkeit eines Verbands ab, politische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Nicht nur, weil Verbände mit vielen Mitgliedern mehr Gehör bei politischen Entscheidungsträgern erfahren, sondern auch, weil viele Mitglieder die Verbandskasse füllen und damit die Kampagnenfähigkeit steigern. Mehr Mitglieder bedeuten also mehr Macht.

Die Zahl der Mitglieder ist darüber hinaus das wesentliche Kriterium für die Bewertung der Erfolgsbilanz derjenigen Personen, die an der Spitze des Verbands stehen. Das gilt vor allem für den Hauptgeschäftsführer. Ob es ihm gelungen ist, den Anliegen des Verbands ausreichend Gehör zu verschaffen, lässt sich in der Regel nicht zweifelsfrei beurteilen, die Zahl der Mitglieder hingegen eignet sich besser als Bewertungsmaßstab. Dieses Erfolgskriterium ist messbar.

Vor diesem Hintergrund kann Eric Rehbock zufrieden sein. Der Hauptgeschäftsführer des Entsorgerverbands bvse hat es zum zweiten Mal in seiner Amtszeit geschafft, einen kleinen Verband an den bvse zu binden. Die Weichen hierfür hatte der bvse schon Ende 2010 gestellt, als er die Gründung des Fachausschusses „Baustoffrecycling“ beschloss. Kurze Zeit später verkündete dann der Verband Baustoff Recycling Bayern (BR Bayern) seine Absicht, „sich als Mitglied in den bvse einzugliedern“. Die Basis für den Zusammenschluss bildete schließlich im Jahr 2013 die Gründung des bvse-Fachverbands Mineralik. Dessen Vorsitz übernahm Jürgen Weber, Geschäftsführer der Moosleitner Umwelt GmbH. Sein Chef Matthias Moosleitner wiederum ist der Präsident von BR Bayern.

Über 100 zusätzliche Mitglieder

Mit der Satzungsänderung des BR Bayern Ende November wurde sodann die letzte Hürde aus dem Weg geräumt. Damit können ab dem kommenden Jahr alle ordentlichen Mitglieder von BR Bayern auch ordentliches Mitglied des bvse werden. Rund 150 Mitglieder hat der bayerische Verband. Nicht alle werden in den bvse eintreten, aber mit rund 120 neuen Mitgliedschaften kann der bvse voraussichtlich rechnen. Damit stärkt der Verband nicht nur seine Fachkompetenz im Bereich Baustoffrecycling, sondern auch seine Stellung als bundesweiter Spartenverband.

Auch wirtschaftlich dürfte die Akquise der neuen Mitglieder ein Erfolg werden. Allerdings kommen auf den bvse auch zusätzliche Kosten zu. Denn BR Bayern-Geschäftsführer Stefan Schmidmeyer wird künftig auf der Payroll des bvse stehen. Zwar nicht zu 100 Prozent, aber zum großen Teil. Die Verflechtung beider Verbände sieht nämlich vor, dass der BR Bayern erhalten bleibt. Der Verband wird unter diesem Namen allerdings nur noch in Bayern wirken, wo er vor Ort als Ansprechpartner etabliert ist. Geht es um Angelegenheiten auf Ebene des Bundes und der EU, treten die Baustoffrecycler als bvse in Erscheinung. BR Bayern-Geschäftsführer Stefan Schmidmeyer wird also künftig den Großteil seiner Arbeitszeit für den bvse verwenden, nur der kleinere Anteil wird auf den BR Bayern entfallen.

Dass Schmidmeyer als Geschäftsführer im bvse agieren wird, ist von Vorteil. Wer ihn kennt und die Auftritte des Bayern bei Fachveranstaltungen in diesem Jahr verfolgt hat, wird nicht daran zweifeln, dass er sich mit dem bvse identifizieren und die Rolle als bvse-Vertreter auch vorleben wird. Für die Integration des BR Bayern ist das von Bedeutung. Schmidmeyer wird eine wichtige Scharnierfunktion ausüben müssen, damit bvse und BR Bayern auch als Einheit funktionieren.

Erfahrungen mit dem FTR

Der bvse weiß das. Der Verband hat bereits Erfahrungen mit der Integration einer Interessenvertretung sammeln können. Seit 2009 gehört der Fachverband Textilrecycling FTR bereits zum bvse. Die Textilrecycler schlüpften damals unter das Dach des bvse, doch von Anfang an war klar, dass sie ihre Identität nicht aufgeben wollen. Der Fachverband heißt zwar nicht mehr FTR, sondern FTR im bvse, aber zu größeren Zugeständnissen waren die Textilrecycler nicht bereit. Bis heute sagt man ihnen nach, ein sehr eigenständiges Dasein im bvse zu führen.

Ob damit die Integration des FTR in den bvse gelungen ist oder nicht, vermag man von außen nicht verlässlich zu beurteilen. Offenkundig ist aber die FTR-Identität nach wie vor stark ausgeprägt. Als der FTR im April 2013 seine Frühjahrstagung in Wien durchführte, kam es auf dem Podium zur Diskussion zwischen bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock und FTR-Präsident Michael Sigloch. Rehbock verwahrte sich gegen Kritik aus den Reihen des FTR. Erst im weiteren Verlauf der Diskussion gab sich Rehbock wieder versöhnlicher. Am Ende war auch FTR-Präsident Michael Sigloch zufrieden. „Herr Rehbock“, sagte er, „jetzt sind Sie einer von uns.“

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