Illegale Müllsammler aus Osteuropa

Mehrere Projekte versuchen Ungarns Abfallwirtschaft voranzutreiben. Auch dadurch, dass die informellen Sammler in die Entsorgungskette integriert werden.

„Jeden Tag fahren tausende Menschen über die Grenze“


Über die grenzüberschreitende informelle Abfallsammlung in Mittel- und Osteuropa war bislang kaum etwas bekannt. Genaue Daten gab es lange Zeit nicht. Ebenso wenig Überlegungen, ob diese informellen Müllsammler nicht in die „offizielle“ Abfallwirtschaft eingebunden werden könnten. Diesen beiden Fragen ist das TransWaste-Projekt nachgegangen. Ziel des drei Jahre laufenden Verbundprojekts war es, in Zusammenarbeit aller Beteiligten Lösungsansätze für den Umgang mit der informellen Abfallwirtschaft in Mitteleuropa aufzuzeigen.

Das Ausmaß der illegalen Müllsammlung schilderte Zsolt István vom Institut für Logistik- und Produktionstechnik der Zoltán-Bay-Stiftung für Angewandte Forschung, Bay-LOGI, beim Green Electronics Event in Budapest so: „Jeden Tag fahren tausende Menschen aus Osteuropa über die Grenzen nach Österreich und Deutschland, um vor allem Elektro- und Elektronikaltgeräte, Altmetalle und Sperrmüll einzusammeln. Diese Sammlungen unterliegen weder einer behördlichen Erfassung noch folgen sie gesetzlichen Grundlagen. Zudem verursachen sie in ihren Heimatländern große Probleme, da sie keiner sachgemäßen Entsorgung zugeführt werden. Sowohl die unsachgemäße Behandlung als auch das Littering von Abfall können zu ernsthaften ökologischen Belastungen führen.“

Nicht nur, dass sie illegal Müll sammeln, es gibt auch keine offizielle Rubrik, in die diese Sammler einzuordnen sind. „Sie befinden sich mit ihrer Tätigkeit in behördlichem Niemandsland und haben somit keinen Anspruch auf Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherungen“, erklärte István. „Das Ziel unseres Projekts war, eine Win-win-Lösung zu finden und die Sammeltätigkeit dieser Menschen in die Legalität zu hieven.“ Dabei sei der International Second-Hand-Service (ISHS) eine große Hilfe gewesen.

Diese Interessensplattform hat im April vergangenen Jahres mit dem Training und der Ausbildung der Lomis, wie die informellen Sammler in Ungarn genannt werden, begonnen. Gegenstand der Kurse waren unter anderem Umweltschutz, Abfallmanagement und -transport. „72 Lomis haben die abschließenden Examen bestanden und eine Registrierung vom ISHS bekommen“, sagt István. Damit sind sie nun offizielle Sammler, die direkt in die formellen Abfallwirtschaftsstrukturen eingebunden sind.

Die Idee, verschiedenste Partner in Sachen Abfallentsorgung und Recycling unter einen Hut zu bringen, steckt auch hinter dem National Industrial Symbiosis Programme (NISP). „Die dem Programm zugrunde liegende Idee ist so einfach wie bestechend: Der Abfall eines Unternehmens wird Rohstoff eines anderen, wobei das erstere Unternehmen Geld für die Entsorgung und das letztere für die Beschaffung einspart“, erklärte Annamária Virág vom ungarischen Non-Profit-Unternehmen für die Entwicklung der Industrie, IFKA, im vergangenen Monat beim Green Electronics Event. IFKA hat in Ungarn das erste nationale Industrie-Symbiose-Programm gestartet.

Die Initiative für dieses National Industrial Symbiosis Programme wurde 2005 vom britischen Privatunternehmen International Synergies ins Leben gerufen. Dieses Programm setzt in erster Linie auf Eigenengagement. „Wir bringen die Abfallerzeuger und die Recycler miteinander in Kontakt, als Initialzündung für eine weitergehende Zusammenarbeit. Das geschieht über Workshops, wo sich die verschiedenen Industriepartner kennenlernen, über Telefonate und Unternehmensbesuche aber auch über unsere Datenbank“, fasst Virág die Tätigkeit von IFKA zusammen. Mittlerweile nehmen rund 500 Unternehmen am NISP Ungarn teil. Durch andere, damit zusammenhängende Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen sind derzeit sogar 857 Unternehmen am NISP beteiligt.

Beim Green Electronics Event konnte Virág von mehreren erfolgreich durchgeführten Abfallpartnerschaften im Bereich des Elektro- und Elektronikschrotts berichten. Ein Folgeprogramm steht bereits in den Startlöchern. Dieses Projekt legt das Augenmerk unter anderem auf die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie und will Innovationen beim Recycling fördern. Zudem sollen noch weitere Abfallströme ins Visier genommen werden.

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