DSD warnt vor kommunaler Zuständigkeit

Die dualen Systeme stehen unter Druck. Kaum einer, der ein gutes Haar an ihnen lässt. Nun geht DSD in die Offensive - und nennt 6 Gründe, warum die Pläne der Grünen für ein Wertstoffgesetz nicht zukunftsweisend sind.

„Kein Flickenteppich mit 850 örE“


Schade, dass DSD-Chef Stefan Schreiter am vergangenen Dienstag nicht in der Berliner Ländervertretung Baden-Württemberg war. Der Schlagabtausch zwischen Schreiter und seinen Kritikern aus den Reihen mehrerer Grünen-Umweltminister wäre spannend gewesen. So war die anberaumte Diskussion um die Vorstellungen der Grünen vor allem eine Diskussion unter Gleichgesinnten. Lediglich BDE-Präsident Peter Kurth hielt die Fahne der privaten Entsorgungswirtschaft hoch.

Schreiter, wäre er anwesend gewesen, hätte Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller persönlich sagen können, dass er von seinem Vorstellungen für ein neues Wertstoffkonzept nichts hält. Das ist zunächst nicht überraschend, schließlich fordern die Grünen die Abschaffung der dualen Systeme. Doch DSD führt auch einige Argumente an, warum der Vorstoß der Grünen nicht erfolgversprechend scheint:

Recyclingpotenziale werden nicht ausgeschöpft

Während nahezu alle Sortier- und Verwertungsanlagen in Deutschland in privatwirtschaftlicher Hand sind, werden Müllverbrennungsanlagen zu einem großen Teil von Kommunen oder in kommunaler Beteiligung betrieben, argumentiert DSD. Durch eine alleinige Organisationsverantwortung der Kommunen bestehe die Gefahr, dass unterausgelastete MVAs – zulasten des Recyclings und der fünfstufigen Abfallhierarchie – vorzugsweise bedient werden.

örE können Bündelungsfunktion nicht leisten

Recycling ist kein Selbstzweck, betont DSD. Die gewonnenen Sekundärrohstoffe müssen in neuen Produkten ihre Anwendung finden. Voraussetzung sei, dass sekundäre Rohstoffe in puncto Qualität und Verfügbarkeit eine Alternative zu Primärrohstoffen darstellen. Dabei komme den dualen Systemen eine wichtige Bündelungsfunktion zu: Sie stehen laut DSD bundesweit in enger Abstimmung mit der herstellenden Industrie sowie Erfassern, Sortierern und Verwertern und sorgen für marktgerechte Standards und Stoffströme im industriellen Maßstab. „Der Flickenteppich von etwa 850 öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern kann diese Bündelungsfunktion nicht leisten“, argumentiert der Systembetreiber.

Lenkungswirkung der Produktverantwortung darf nicht entfallen

Der Vorschlag der Grünen-Umweltminister würde die Produzentenverantwortung von den Verwertungs- und Recyclingerfolgen entkoppeln und zu einer reinen Zahlungsverpflichtung herabstufen, befürchtet DSD. Damit würde die ökologische Lenkungswirkung im Sinne einer ressourcenschonenden und abfallarmen Produktion verloren gehen. Das Prinzip der Produzentenverantwortung habe sich als wesentlicher Lenkungsmechanismus der Kreislaufwirtschaft bewährt. Von daher würde es auch den erreichten Wirkungen entgegenlaufen, die Materialien PPK und Glas aus der Produzentenverantwortung herauszunehmen. Das würde „unüberschaubare Substitutionseffekte“ nach sich ziehen, warnt DSD. Die Erfolge beim Einsatz von recyceltem Papier und Glas sollten fortgeführt, nicht aufgegeben werden.

Ohne Wettbewerb werden die Entsorgungskosten steigen

Mit der Öffnung für den Wettbewerb haben sich die Kosten für die Verpackungsentsorgung in Deutschland halbiert, erinnert der Systembetreiber. Umgerechnet zahle jeder Bürger für den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne heute nur 11 Euro im Jahr. Kostensenkungen seien bei der Verpackungsentsorgung in den vergangenen 25 Jahren vor allem im Bereich Sortierung und Verwertung erzielt worden, beispielsweise durch automatische Sortieranlagen und die effiziente Bündelung von Stoffströmen durch die dualen Systeme.

„Die Festlegung von Standards im Bereich der Erfassungslogistik ist für die ökonomisch effiziente Umsetzung essentiell“, betont DSD. Dagegen würde die steigende Zahl von kommunalen Sondersammelsystemen die Kosten drastisch erhöhen. Da der Anteil der Kosten für die Sammlung bereits in der Vergangenheit prozentual stark gestiegen ist und heute schon etwa 63 Prozent der Gesamtkosten des Systems ausmacht, wären signifikante weitere Kostensteigerungen zu erwarten. Zusätzliche 16 Prozent der Gesamtkosten (rund 115 Millionen Euro) seien heute sogenannte Nebenentgelte, die die dualen Systeme jährlich an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entrichten, unter anderem für die Sauberhaltung der Glascontainerplätze.

Während die Kosten der Verpackungsentsorgung in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sind, entwickeln sich die Kosten für die Hausmüllentsorgung vielerorts in die gegenläufige Richtung, sagt der Systembetreiber. Dies sei auch auf die mangelnde Wettbewerbssituation bei der kommunalen Abfallentsorgung zurückzuführen. „Anreize für Kostensenkung bestehen hier nicht.“

Keine Vereinfachung von Vollzug und Kontrolle

Aus Sicht von DSD bleibt völlig unklar, wie Kommunen die Nachweispflicht über gesetzliche Sortieranforderungen und Verwertungsquoten erbringen sollen. Aktuell legen die zehn dualen Systeme allen Ländern eine lückenlose, nach einheitlichen Standards erarbeitete Dokumentation über alle Prozessstufen aller Verpackungsmengen vor, so der Systembetreiber. Mit etwa 850 öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern in der Verantwortung würde diese Nachweisführung deutlich verkompliziert. Auch Vollzug und Kontrolle würden keinesfalls vereinfacht, wie in den Eckpunkten gefordert – zumal Kommunen im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Akteuren praktisch nicht sanktionierbar sind.

Kommunen wären überfordert

Eine komplett kommunale Organisationsverantwortung würde den Großteil der Kommunen überfordern, ist DSD überzeugt. Vielerorts müssten entsprechende Strukturen kostenintensiv erst geschaffen oder Prozesse organisiert werden. Kommunen ohne eigenen Abfallwirtschaftsbetrieb etwa müssten die Entsorgungsleistungen ausschreiben und die Aufgabenerfüllung durch die Dienstleister stetig nachhalten. Um „echte Stoffkreisläufe“ zu schaffen, wie in den Eckpunkten vorgesehen, müssten die 850 öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zudem mit den einzelnen Herstellern das (recyclingfreundliche) Design von Verpackungen und anderen Produkten diskutieren. Viele kommunale Akteure hätten sich vor diesem Hintergrund bereits gegen eine Übertragung der Bereiche Sortierung und Verwertung ausgesprochen.

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