Neue Regeln für Leiharbeit und Werkverträge

Die Koalition hat gestern einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Zeitarbeit künftig neu regeln soll. Davon sollen vor allem die rund eine Millionen Leiharbeiter in Deutschland profitieren. Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Koalition regelt Zeitarbeit neu


Union und SPD haben sich nach monatelangem Ringen auf neue Regeln zum Schutz von Arbeitnehmern verständigt. Einen entsprechenden Gesetzentwurf stellte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gestern (10. Mai) im Bundeskanzleramt vor. Mit dem Gesetz soll der Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen eingeschränkt werden.

„Es wird in Zukunft klare Regeln geben für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um den Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen zu bekämpfen“, betonte Nahles in Berlin. Künftig gelte: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, ohne Schlupflöcher zuzulassen. Im Einzelnen beinhaltet die Reform folgende Punkte:

  • „equal pay“: Dieser Punkt regelt, dass Zeitarbeiter nach neun Monaten im selben Entleihbetrieb Anspruch auf den gleichen Lohn wie Stammbelegschaften haben. Besteht ein Tarifvertrag über stufenweise Branchenzuschläge ist gleicher Lohn wie die Stammbelegschaft erst nach 15 Monaten Einsatzdauer Pflicht.
  • Übergangsfrist für Arbeitgeber: Die für „equal pay“ gültige Beschäftigungsdauer von neun Monaten zählt ab Inkrafttreten des Gesetzes. Die Regelung gilt nicht rückwirkend zum 1. Januar wie ursprünglich geplant, sondern erst ab dem 1. Juli 2017.
  • Höchstüberlassungsdauer: Eine Dauerentleihung von Zeitarbeitnehmern soll es nicht mehr geben. Generell darf ein Leiharbeiter höchstens 18 Monate im selben Entleihbetrieb eingesetzt werden. Danach muss er gehen oder vom Betrieb fest übernommen werden. Aber es gibt Ausnahmen: Gewerkschaften und Arbeitgeber, die schon eine gemeinsame Vereinbarung getroffen haben, können die Einsatzdauer verlängern. Zudem können Unternehmen, die keinem Flächentarifvertrag unterliegen und mit ihrem Betriebsrat eine entsprechende Vereinbarung treffen, die Überlassungsdauer verlängern.
  • Streikbrecher: Künftig dürfen Unternehmen Leiharbeiter nicht mehr als Streikbrecher einsetzen, wenn es einen Arbeitskampf gibt. Leiharbeiter dürfen aber dann weiter eingesetzt werden, wenn sie keine Aufgaben wahrnehmen, die bisher von Streikenden verrichtet wurden.

Beim Thema Werkverträge hatte die Koalition zuvor schon einen Kompromiss erzielt. So sollen für Werkverträge Kriterien definiert werden, um sie von normalen Arbeitsverhältnissen abzugrenzen. Darüber hinaus werden Werkverträge von der Zeitarbeit unterschieden, bei der Arbeitskräfte entliehen werden. Bei einem Werkvertrag wird eine Arbeitsleistung unabhängig von einer bestimmten Person eingekauft. Hierfür müssen die Arbeitgeber Sozialabgaben zahlen.

Zudem soll festgelegt werden, dass der Betriebsrat über Werkverträge informiert werden muss. Das ist bisher nicht so. Unterm Strich sollen die Klarstellungen helfen, dass Arbeitgeber Werkverträge nicht missbrauchen und es schwerer machen, Schutzstandards zu umgehen.

Noch vor der Sommerpause

Die Reaktionen zu Nahles Gesetzentwurf fielen unterschiedlich aus. Bernd Riexinger, Vorsitzender der Partei Die Linke, forderte hinsichtlich des „equal pay“, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit „vom ersten Tag an“ gelten soll. „Was haben Leiharbeiter davon, nach neun Monaten den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft zu bekommen, wenn mehr als die Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse höchstens drei Monate dauert?“

IG-Metall-Vorstandschef Jörg Hofmann sprach in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hingegen von einer Stärkung der Tarifparteien und will nun mit den Arbeitgebern so schnell wie möglich über nötige Anpassungen der Regeln verhandeln. Auch beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall stieß der Entwurf auf Zustimmung. Nun würden tarifvertragliche Spielräume bei der Gestaltung der Zeitarbeit erhalten bleiben, sagte Hauptgeschäftsführer Oliver Zander gegenüber der Deutschen Pressagentur.

Aus Sicht des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln sind die Leidtragenden der neuen Regeln in erster Linie die Zeitarbeitnehmer. „Ihren Arbeitgebern wird es erschwert, sie für längere Zeit an einem Einsatzbetrieb zu überlassen. Damit verlieren die Arbeitnehmer vor allem die Chance, sich „on the job“ beruflich weiterzuentwickeln“, heißt es in einer Stellungnahme. Zudem erhöhe sich ihr Beschäftigungsrisiko, weil es keine Garantie gebe, dass das Zeitarbeitsunternehmen für jeden Arbeitnehmer einen alternativen Einsatzbetrieb bereitstellen könne.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales arbeitet bereits an der Kabinettsfassung für den Gesetzentwurf. Geplant ist, das Gesetz am 18. Mai vom Bundeskabinett verabschieden zu lassen.

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