Pilotanlage

Lässt sich aus Plastikmüll und Braunkohle ein neuer Grundstoff für die chemische Industrie gewinnen? Der Bund und das Land Sachsen-Anhalt glauben, ja. Sie wollen in eine Pilotanlage am Chemie-Standort Leuna investieren.

Kunststoffabfälle für die chemische Industrie


Im sachsen-anhaltinischen Leuna soll bis 2024 eine Pilotanlage mit innovativer Konversionstechnologie errichtet werden. Mit dem Vergasungsverfahren soll es möglich sein, Plastikmüll und Braunkohle in Grundstoffe für die chemische Industrie umzuwandeln. In die Anlage namens ‚Carbontrans‘ sollen 30 Millionen Euro fließen, hälftig getragen vom Bund und dem Land.

Das Projekt befindet sich noch in einer sehr frühen Phase. So wurde heute bekannt gegeben, dass Sachsen-Anhalt die Mittel bis 2024 erst einmal einplanen will. Zudem muss das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Förderung der Forschungsanlage an der TU Bergakademie Freiberg bewilligen. Dort soll der Reaktor, das Kernstück für die Pilotanlage, einschließlich Eintragsystem für Kohle und Abfälle entwickelt und getestet werden (Projekt COORVED).

„Pilotanlage leistet chemisches Recycling“

Kern der Konversionstechnik ist ein Reaktor, in dem die Ausgangsstoffe mit Sauerstoff und Wasserdampf unter Wärmeentwicklung bei Temperaturen von 1000 °C und darüber behandelt werden. Durch das Hinzufügen von Wasserstoff kann nach weiterer Aufbereitung und Aufreinigung ein Synthesegas gewonnen werden, das nahezu vollständig in Syntheseprodukte umgewandelt wird. Die Versorgung mit Wasserstoff und Sauerstoff erfolgt durch die derzeit ebenfalls in Leuna entstehende Elektrolyseplattform: Dort werden diese Elemente mittels Elektrolyse unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt.

„Was die Pilotanlage leistet, ist letztlich chemisches Recycling: Kohlenstoff wird nicht verbrannt, um dann als CO2 die Umwelt zu belasten, sondern für andere Stoffverbindungen genutzt. Damit bahnen wir den Weg für den Übergang von einer linearen Kohlenstoffwirtschaft, die mit der Verbrennung kohlenstoffhaltiger Produkte unter CO2-Freisetzung endet, zu einer weitgehend CO2-neutralen Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft“, sagt Professor Bernd Meyer, Direktor des Instituts für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen IEC an der TU Bergakademie Freiberg und Leiter des Geschäftsfelds Chemische Umwandlungsprozesse am Fraunhofer IMWS.

„Das heißt beispielsweise: Ein Kunststoffprodukt, das in Leuna hergestellt wird, kann am Ende seines Lebenszyklus wieder Ausgangsmaterial für neue Produkte sein“, ergänzt Meyer. Unter seiner Leitung werden Planung und Betrieb des Projekts koordiniert, an dem unter anderem die Hochschule Merseburg, das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna sowie das Entsorgungsunternehmen Romonta, die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft und die Unternehmen InfraLeuna und RWE Power beteiligt sind.

Baubeginn für 2022 geplant

„Mit der neuen Pilotanlage schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits eröffnet die stoffliche Nutzung eine Perspektive für die heimische Braunkohle, andererseits kann unsere Chemieindustrie unabhängiger von Erdöl und Erdgas werden“, sagte Armin Willingmann, Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung in Sachsen Anhalt. So könne eine innovative, emissionsarme Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft etabliert und der anstehende Strukturwandel in Kohleregionen erfolgreich gestaltet werden. Es sollen etwa 30 neue Arbeitsplätze entstehen.

Der Bau der Pilotanlage in Leuna ist für 2022 vorgesehen. Die Feinplanungen sollen voraussichtlich bis 2021 laufen. Für das Vorhaben ist federführend das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS) in Halle zuständig.

 

© 320° | 17.04.2018

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