Zweifel am Nutzen

Eine separate Biotonne würde außer Gebührensteigerungen nicht viel bringen, ist sich der Kreistag Karlsruhe sicher. Deshalb lehnt er die Tonne ab. Auch bei der Wertstofferfassung legt sich der Kreis quer.

Landkreis Karlsruhe lehnt Biotonne ab


Seinen Entschluss hat der Kreistag mit diversen Untersuchungen vorbereitet. Dazu zählen eine repräsentative Haushaltsbefragung und eine Restabfallanalyse mit Prognose der erfassbaren Bioabfallmengen. Hinzu kommen eine Ökobilanz und die Untersuchung der wirtschaftlichen und rechtlichen Auswirkungen. Alle Ergebnisse bestärken den Landkreis in seiner Einschätzung, dass eine separate Biotonne nicht sinnvoll wäre.

Eine zusätzliche Biotonne hätte nur marginale ökologische Vorteile, würde aber eine um 20- bis 40-prozentige Gebührenerhöhung nach sich ziehen, betont der Landkreis. „Da eine separate Biotonne nur eingeführt werden muss, wenn dies zur Erfüllung der gesetzlichen Verwertungspflichten erforderlich und wirtschaftlich zumutbar ist, stellte der Kreistag fest, dass unter diesen Umständen für den Landkreis Karlsruhe keine Verpflichtung besteht, die Bioabfälle mit einer zusätzlichen Tonne zu sammeln und verzichtete auf deren Einführung“, erklärte der Landkreis im Anschluss an die Kreistagssitzung am vergangenen Donnerstag.

Ob der Kreis mit dieser Argumentation durchkommen wird, ist fraglich. Nach Paragraf 11 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind überlassungspflichtige Bioabfälle ab 1.1.2015 getrennt zu sammeln. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger kann entscheiden, ob er die Bioabfälle über ein Hol- oder ein Bringsystem erfasst. Ausnahmen von sind nur möglich, wenn ein Ökobilanzvergleich belegt, dass die alternative Verwertung ökologisch vorteilhafter ist.

Der Kreis Karlsruhe muss also belegen, dass die Erfassung der Bioabfälle über den Restmüll und die anschließende Verwertung in der MVA Mannheim ökologisch vorteilhafter ist. Zu berücksichtigen ist ebenfalls der Vorrang der stofflichen Verwertung. Zwar sind die stoffliche und die energetische Verwertung ab einem Heizwert des Abfalls von 11.000 kJ/kg gleichwertig, doch dieser Fall dürfte bei einem gemischten Restabfall kaum eintreten.

Was heißt wirtschaftliche Zumutbarkeit?

Weitere Ausnahmen von der separaten Erfassung über eine Biotonne sind nur dann möglich, wenn die separate Erfassung technisch und/oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Technisch unzumutbar wäre die Biotonne dann, wenn die Aufstellung der Behälter nicht möglich ist oder zu keiner bedeutenden Steigerung der Erfassungsmengen führen würde. Das Bundesumweltministerium selbst hat jedoch in seinen Schlussfolgerungen zur Getrenntsammlung von Bioabfällen klargestellt, dass aus seiner Sicht die Getrenntsammlungen generell als technisch möglich anzusehen ist.

Ab welchem Schwellenwert die wirtschaftliche Unzumutbarkeit greift, ist offen. Nach Angaben des Rechtsanwalts Wolfgang Siederer von der Berliner Kanzlei GGSC wird die Getrennterfassung nicht schon deswegen wirtschaftlich unzumutbar, weil sie eine Gebührenerhöhung nach sich zieht. Denn der Gesetzgeber gehe davon aus, dass durch die Getrennterfassung Mehrkosten entstünden – und diese Mehrkosten nehme der Gesetzgeber für die Zielerreichung auch in Kauf.

Darüber hinaus hatte Claus-Gerhard Bergs, Referatsleiter für Siedlungsabfälle im BMUB, auf einer bvse-Veranstaltung im März bereits deutlich gemacht, dass Gerichte in der Vergangenheit auch Kostensteigerungen im Umfang von 30 bis 50 Prozent als wirtschaftlich zumutbar anerkannt hätten. Die 20- bis 40-prozentige Gebührenerhöhung, die der Landkreis Karlsruhe in Aussicht stellt, wäre demnach hinnehmbar.

„Keine zwingende Notwendigkeit, jetzt schon zu handeln“

Wie der Kreistag in Karlsruhe auf seiner Sitzung ebenfalls beschlossen hat, will er auch seine bestehende Wertstofftonne vorerst beibehalten. „Eine Änderung unseres gut funktionierenden und allseits akzeptierten Wertstoffsammelsystem ist im Moment angesichts der unklaren Rechtsumsetzung und der vielen offenen Fragen nicht sinnvoll“, erklärte Landrat Christoph Schnaudigel.

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz sieht ab dem Jahr 2015 die getrennte Sammlung von Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfällen vor. Im Kreis Karlsruhe gibt es aber schon seit Jahren eine Wertstofftonne, über die Altpapier, Verpackungen und stoffgleiche Nichtverpackungen gemeinsam erfasst werden.

Wie der Kreis hervorhebt, bestehe unter Fachleuten nur Einigkeit, dass Wertstoffe getrennt vom Restabfall gesammelt werden müssten, was der Landkreis Karlsruhe bereits seit vielen Jahren praktiziere. Und zwar so erfolgreich, dass die vom Land Baden-Württemberg für das Jahr 2020 anvisierte Erfassungsquote für Wertstoffe von 160 kg pro Einwohner bereits heute übertroffen würden. „Da die Bundesregierung überdies plant, die Wertstofferfassung mit einem Wertstoffgesetz bundeseinheitlich zu regeln, sah der Kreistag keine zwingende Notwendigkeit, jetzt schon zu handeln und ein seit Jahrzehnten bewährtes Sammelsystem zu ändern“, hieß es nach der Sitzung.

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