HBCD-haltige Dämmstoffplatten

Gut ein halbes Jahr vor Ende des HBCD-Moratoriums ist eine bundesweit einheitliche Lösung für Dämmstoff-Abfälle in Sicht. Entsorgerverbände sehen jedoch noch Nachbesserungsbedarf. Die Deutsche Umwelthilfe befürchtet, dass Umweltstandards vernachlässigt werden könnten.

Lob und Kritik für HBCD-Entwurf


Die Bundesregierung will die Entsorgung von HBCD-haltigen Abfällen – Dämmstoff-Abfälle, die das Flammschutzmittel HBCD enthalten – noch vor der Sommerpause einheitlich regeln. Zu einem Ende April vorgelegten Referentenentwurf konnten sich die betroffenen Akteure vergangene Woche im Bundesumweltministerium äußern. Fazit: Die Verbände bvse und BDE begrüßen den Entwurf generell, fordern aber Korrekturen.

Zufrieden ist der BDE damit, dass der dynamische Querverweis zwischen deutscher AVV und europäischer POP-Verordnung endgültig gestrichen werden soll. Der Querverweis wurde infolge der EU-POP-Verordnung in die AVV integriert und legt fest, dass Polystyrol-Dämmstoff-Abfälle nicht mehr als 0,1 Gewichtsprozent (1.000 Milligramm je Kilogramm) HBCD enthalten dürfen. „Diese Verknüpfung ist europarechtlich ohnehin nie erforderlich gewesen“, sagt BDE-Präsident Peter Kurth.

Klarere Formulierung vonnöten

Aus Sicht des BDE muss der Entwurf zur Verordnung zur Überwachung von nicht gefährlichen Abfällen mit persistenten organischen Schadstoffen (POP) und zur Änderung der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) aber präzisiert werden. Insbesondere hinsichtlich der Frage, welche Abfallgemische und Sortierreste aus Behandlungsanlagen der POP-Nachweispflicht unterliegen sollen und welche nicht.

Aktuell heißt es im Entwurf: „Als POP-haltige Abfälle gelten auch in einer Anlage erzeugte oder in sonstiger Weise angefallene Gemische, die die in Absatz 1 genannten Abfälle enthalten,unabhängig davon, ob diese Gemische eine der in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 850/2004 aufgeführten Konzentrationsgrenzen unter- oder überschreiten.“ Bleibt es bei dieser Formulierung, „würden alle Gemische und Sortierreste unter die POP-Nachweispflicht fallen, ob zum Beispiel HBCD-haltig oder nicht“, so Kurth. Das könne nicht im Sinne des Erfinders sein.

Ähnlich äußerte sich Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse. „Wir brauchen verbindliche und vollzugstaugliche Konkretisierungen der Vorgaben, wann ein Gemisch als POP-haltig im Sinne der Verordnung gilt.“ Ansonsten befürchtet er, dass alle Sortierreste oder hergestellten Gemische einer Sortier-und Aufbereitungsanlage nachweispflichtig würden. „Das geht deutlich über die heutige Vollzugspraxis hinaus, die einen Nachweis für diejenigen Gemische und Sortierreste fordert, die gezielt aus gefährlich eingestuften HBCD-Abfällen entstehen.“

„Praxisnahes Nachweisverfahren“

Nachholbedarf sehen beide Verbände zudem hinsichtlich eines geplanten Nachweisverfahrens für die Zerstörungspflicht von POP-Abfällen. Im Gesetzentwurf wird vorgeschlagen, den Nachweis im Sammelentsorgungsnachweisverfahren per Übernahmeschein in Papierform abzuwickeln, wenn pro Baustelle nicht mehr als 20 Tonnen HBCD-haltige Dämmplatten – 40 Container – pro Jahr anfallen. Alle an der Nachweisführung Beteiligten müssen die erforderlichen Angaben untereinander elektronisch übermitteln.

Wie der BDE betont, sollte das Nachweisverfahren möglichst praxisnah gestaltet werden. „So sollte der Sammelentsorgungsnachweis auch bei Mengen von über 20 Tonnen jährlich Anwendung finden. Andernfalls würde der Abfallerzeuger mit unnötigem Verwaltungsaufwand belastet werden“, sagt BDE-Präsident Kurth.

Auch der bvse sieht das Nachweisverfahren kritisch: „Die Anwendung der Regelungen zum Nachweisverfahren als definierter Ausnahmebestand für POP-haltige Abfälle darf nicht zu einem Einfallstor für die Anwendbarkeit von Nachweispflichten für ungefährliche Abfälle führen“, so Hauptgeschäftsführer Rehbock. Dies würde nicht gefährliche Abfälle stigmatisieren und könnte sich negativ auf etablierte Verwertungswege ins Ausland auswirken.

Zudem befürchtet der Entsorgerverband deutlich höhere Kosten für kleine und mittelständige Betriebe aufgrund des elektronischen Nachweisverfahrens. Ferner könnten Begleitscheingebühren anfallen. „Uns sind keine Fälle bekannt, in denen Schwierigkeiten mit der Zerstörung von POP-haltigen Abfällen aufgetreten sind, die eine schärfere Überwachung rechtfertigen“, hob Rehbock hervor. Er fordert, dass „auch eine Alternative zum elektronischen Nachweisverfahren in Papierform möglich sein sollte.“

DUH: HBCD-haltige Abfälle als Sondermüll einstufen

Die Deutsche Umwelthilfe hat sich ebenfalls zum Referentenentwurf positioniert. Sie fordert die Bundesregierung auf, HBCD-haltige Abfälle als Sondermüll einzustufen. Darüber hinaus warnt der Umweltverband vor einer Gesetzgebung im Eilverfahren und einer „Bagatellisierung der Gefährlichkeit HBCD-haltiger Abfälle“. Dadurch würde nicht nur der Gesundheitsschutz vernachlässigt, sondern auch eine notwendige Entwicklung hin zu einem ressourcenschonenden Recycling verhindert.

„Das Recycling dieser Abfälle ist erheblich umweltfreundlicher als die thermische Verwertung“, argumentiert der DUH. Erste Ergebnisse einer aktuellen Ökobilanz des TÜV Rheinland wiesen auf etwa 50 Prozent niedrigere CO2-Emissionen hin. Zudem existierten bereits heute funktionierende Recyclingverfahren: „Mit der Schaffung adäquater gesetzlicher Rahmenbedingungen könnten innerhalb kurzer Zeit ausreichend Recyclingkapazitäten zur Verfügung stehen, die zu angemessenen Preisen eine hochwertige Verwertung gewährleisten und damit maßgeblich zur Ressourcenschonung beitragen“, so die DUH.

Pro Jahr fallen in Deutschland etwa 40.000 Tonnen HBCD-haltige Bauabfälle an. Seit 2016 gelten diese Abfälle (mit mehr als 0,1 Gewichtsprozent HBCD) als gefährlicher Abfall. Nachdem daraufhin die Entsorgungspreise stark stiegen und viele Handwerksbetriebe auf ihren Dämmplatten-Abfällen sitzenblieben, verständigte sich die Politik auf ein einjähriges Moratorium, das HBCD-haltige Dämmstoffe wieder als ‚nicht gefährlicher Abfall‘ einstuft. Das Moratorium läuft am 31. Dezember dieses Jahres aus.

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