Gefährliche Abfälle

Immer mehr gefährliche Abfälle landen in Müllverbrennungsanlagen. Dahinter stecken vor allem wirtschaftliche Gründe. Denn die Einsparung ist lukrativ: Sie kann bis zu 150 Euro pro Tonne betragen.

Mitverbrennung in MVA: „Reizvolle Form des Öko-Dumpings“


Bei der Mitverbrennung gefährlicher Abfälle in Hausmüllverbrennungsanlagen (MVA) ist seit einigen Jahren ein erheblicher Mengenanstieg zu beobachten. Auffällig ist vor allem, dass MVA immer mehr gemischte gefährliche Abfälle annehmen, die aus Vorbehandlungsanlagen und Zwischenlägern stammen. Diese Entwicklung sieht vor allem der Bundesverband Deutscher Sonderabfallverbrennungsanlagen (BDSAV) mit großer Sorge. „Die intensive Nutzung von Vorbehandlungsanlagen und die thermische Behandlung von vorgemischten Abfällen aus diesen Anlagen in MVA ist eine neue und wirtschaftlich reizvolle Form des Öko-Dumpings“, kritisiert BDSAV-Geschäftsführer Horst Suchomel.

„Die Menge der in MVA entsorgten gefährlichen Abfälle hat ein derartig großes Ausmaß erreicht, sodass bei bestimmten MVA nicht mehr nur von einer Randaktivität gesprochen werden kann“, sagte Suchomel bei der Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz. Allein in Nordrhein-Westfalen habe es eine Zunahme zwischen 2010 und 2013 von 142.500 Tonnen auf 220.000 Tonnen gegeben. Das ist eine Steigerung um satte 54 Prozent. Bundesweit ist die Menge gefährlicher Abfälle, die zur Mitverbrennung in MVA gegeben werden, im selben Zeitraum von rund 240.000 Tonnen auf 340.000 Tonnen gestiegen, wie aus Untersuchungen des Beratungsunternehmens Prognos hervorgeht.

Über Begleitscheine erfasste gefährliche Abfälle in Deutschland von 1993 bis 2020 (in Millionen Megagramm) Hinter dieser Entwicklung stecken nach Ansicht von Suchomel vor allem wirtschaftliche Gründe: „Die zunehmend spürbaren Überkapazitäten bei der Hausmüllverbrennung, aber auch bei Ersatzbrennstoff-Kraftwerken und Waste-to-Energy-Anlagen führen zu einer chronischen Unterauslastung auch von MVA.“ Die Verbrennung in MVA ist zudem günstiger als die Verbrennung in Sonderabfallverbrennungsanlagen (SAV). Anlieferer können laut Suchomel zwischen 100 und 150 Euro pro Tonne sparen, wenn sie die gefährlichen Abfälle an MVA anstelle von Sonderabfallverbrennungsanlagen (SAV) liefern.

Verwertung von MVA-Schlacken im Straßenbau bedenklich?

Auch bei der Vorbehandlung der gefährlichen Abfälle durch Vermischen und andere nicht hochwertige Prozessschritte würden beträchtliche wirtschaftliche Vorteile generiert – alles zum Nachteil der vergleichsweise teuren SAV. Dabei seien die Vorbehandlung in mechanischen und chemisch-physikalischen Behandlungsanlagen sowie die thermische Verwertung in MVA mit mehr Gesundheits- und Umweltrisiken verbunden als die Behandlung in Sonderabfallverbrennungsanlagen, betont der BDSAV. Vor allem die im Vergleich zu SAV schlechteren Verbrennungsbedingungen in den MVA sieht der Verband sehr kritisch.

Der große Vorteil einer SAV gegenüber einer MVA liegt in den hohen Temperaturen zwischen 1.000 und 1.300 Grad, bei dem die Abfälle verbrannt werden. Die Verbrennungstemperaturen des Feststoffbetts auf dem MVA-Rost erreichen dagegen nur 600 Grad. „Unter den in den SAV herrschenden Verbrennungsbedingungen mit einer effektiven Abgasreinigung ist eine sichere Zerstörung aller Schadstoffe möglich. Die festen Rückstände sind teilweise verglast, sodass eher von einer Schlacke als einer Asche gesprochen werden kann. Der Anteil an unverbranntem Abfall ist sehr gering“, zählt Suchomel einige Punkte auf, die aus seiner Sicht für eine Verbrennung gefährlicher Abfälle in den SAV sprechen.

Anders als bei SAV ist der Feuerraum bei MVA nicht geschlossen. Dadurch könnten Anteile von Asche und unverbranntem Feststoff durch den Rost sickern. Die Asche selber reagiere im Unterschied zur SAV-Schlacke über einen gewissen Zeitraum nach, d.h. die Umwandlungsprozesse seien noch nicht abgeschlossen.

In der Asche einer MVA seien sogar die Ausgangsmaterialien der Verbrennung zum Teil noch deutlich zu erkennen und würden Rückstände eines nicht unerheblichen Anteils von gefährlichen Abfällen enthalten. Der BDSAV-Geschäftsführer rät daher eindringlich, die Verwertung von MVA-Schlacken im Straßenbau zu überdenken. Derzeit wird ein Drittel der MVA-Schlacken im Straßenbau verwertet. „Die Verbrennung soll eine Schadstoffsenke darstellen, insbesondere bei der Verbrennung von gefährlichen Abfällen, und nicht die in der Asche angereicherten Schadstoffe großflächig verteilt werden, auch wenn vordergründig alle Grenzwerte einer Verwertung eingehalten werden.“

Höhere Anforderungen an Qualität der Vorbehandlung stellen

„Wir haben in Deutschland technisch hochwertige MVA, die hervorragend für die Verbrennung von Haus- und Gewerbeabfällen geeignet sind“, betont Suchomel. „Der Einsatz von gefährlichen Abfällen kann allerdings Auswirkungen auf den gesamten Anlagenbetrieb haben, mit Konsequenzen für die Abfallanlieferung und –überwachung, Anlagentechnik der Rostfeuerungsanlagen und die Aschen aus dem Verbrennungsprozess.“ So seien die MVA in der Regel nicht ausreichend gut auf eine geeignete Voruntersuchung gefährlicher Abfälle, sprich Probenahme, Analyse, Dokumentation etc. vorbereitet. Auch in Sachen Anlagensicherheit, Arbeits- und Brandschutz seien die meisten MVA auf den Einsatz gefährlicher Abfälle nur unzureichend vorbereitet und eingestellt.

Der BDSAV fordert daher, dass die thermische Behandlung von Output-Strömen von Vorbehandlungsanlagen in MVA und auch EBS-Kraftwerken nur noch zugelassen werden sollte, wenn es sich nicht um gefährliche Abfälle handelt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die thermische Behandlung von gefährlichen Abfällen aus Vorbehandlungsprozessen ausschließlich in SAV erfolgen darf. Auch bei der Vorbehandlung selbst sieht der Verband noch viel Verbesserungswürdiges. Er fordert, Anforderungen an die Qualität der Vorbehandlungsprozesse und deren Prozessschritte in engeren Grenzen als bisher zu stellen und möglicherweise hochwertige Verfahren als die besonders geeigneten Verfahren im Markt festzulegen.

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