Entwicklung bis 2025 in Deutschland

Was wird die Zukunft für Müllverbrennungsanlagen bringen? Fallende Mengen oder steigende? Eine Studie hat die zu erwartenden Inputströme bis 2025 untersucht.

Neue Input-Ströme für Abfall-Verbrennungsanlagen


In Zukunft könnten deutlich weniger Abfälle für eine thermische Behandlung zur Verfügung stehen. Denn alle Bemühungen, die stoffliche Verwertung zu stärken, müssten eigentlich bedeuten, dass der Anteil der thermischen Verwertung rückläufig ist. Dies gilt umso mehr, als allgemein ein Bevölkerungsrückgang vorhergesagt wird und dadurch weniger Abfälle anfallen würden. Also insgesamt ein fallender Markt mit rückläufigen Verbrennungskapazitäten?

Keineswegs, sagen Wissenschaftler der Institute CUTEC und Fraunhofer UMSICHT, die den Abfallverbrennungsmarkt in einem Sachverständigengutachten untersucht haben. Die Experten erwarten vielmehr, dass der Bedarf an Abfallverbrennungskapazitäten in den kommenden Jahren hoch bleiben wird.

„Die öffentlich vielfach diskutierte Ansicht zur Minderauslastung von Müllverbrennungsanlagen und Ersatzbrennstoff-Kraftwerken bestätigt sich nicht“, heißt es in einem Beitrag der Institute für die Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz. Alle Betreiber würden von einer guten Auslastung berichten und ihre Geschäftsaussichten bis 2020 als gut einstufen. Die Wissenschaftler haben in ihrem Gutachten (Titel: „Umweltschutzgerechte Verwertung nicht etablierter Stoffströme in Abfallverbrennungsanlagen“) für das Umweltbundesamt insgesamt sieben Trends ausgemacht, welche die Inputströme und -mengen bis 2025 beeinflussen werden:

1. Bevölkerungsentwicklung und Verstädterung

Viele Prognosen gehen von einem Bevölkerungsrückgang aus. „Die Entwicklung der neueren statistischen Daten allerdings zeigt einen anderen Trend“, betonte Matthias Franke, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheit- und Energietechnik (Umsicht) bei der Berliner Konferenz. Demnach steigt die Bevölkerung in Deutschland seit 2011 jedes Jahr leicht an. Das bedeute, dass sich die Abfallmenge bis 2025 nicht reduziere, sondern im Gegenteil tendenziell zunehme.

Zudem nehme die Verstädterung zu, womit eine deutliche Zunahme der Restabfallmenge verbunden sei. „Es zeichnet sich der Trend ab, dass die im Zuge eines verstärkten stofflichen Recyclings erwarteten Mengenreduzierungen für die thermische Behandlung teilweise kompensiert werden könnten.“ Trotz verbesserter Recyclingquoten könnte die Abfallmenge zur thermischen Verwertung also steigen.

2. Importe aus dem europäischen Ausland

Die Entwicklung der Abfallimporte aus dem europäischen Ausland haben die Sachverständigen exemplarisch an der Situation der Exporte aus Großbritannien nach Deutschland festgemacht. „Seit 2012 ist ein starker Anstieg der notifizierten Abfallimporte zur Verbrennung auszumachen“, so Franke. Im Jahr 2012 seien es erst 71.000 Tonnen gewesen, innerhalb von nur zwei Jahren bis 2014 ist die Importmenge auf 614.000 Tonnen angestiegen.

Bei den von Großbritannien nach Deutschland exportierten Abfällen zur Verbrennung handelt es sich laut Franke größtenteils um Ersatzbrennstoffe (EBS). „Wurden 2010 keinerlei EBS nach Deutschland importiert, waren es 2014 schon 500.996 Tonnen. Für 2015 werden 660.000 Tonnen prognostiziert.“ Hintergrund für diese Entwicklung ist einerseits die sich kontinuierlich erhöhende Deponiesteuer auf den Inseln. „Andererseits sind thermische Behandlungskapazitäten knapp, entsprechend ausgelastet und damit teuer.“

Das alles führt dazu, dass der Export von EBS zu kontinentaleuropäischen Behandlungsanlagen eine attraktive, weil günstigere Alternative geworden ist. Daran wird sich voraussichtlich auch so bald nichts ändern. Zwar befänden sich allein in England 46 EBS-Heizkraftwerke im Bau und 14 in der Planung, aber die Realisierung sei nicht gesichert.

Ab 2017 sei aber kein weiterer Anstieg der Exportmengen zu erwarten. Die Experten erwarten, dass bis mindestens 2020, möglicherweise auch bis 2030 mit einem gleichbleibend hohen Export von jährlich etwa 500.000 bis 600.000 Tonnen EBS aus Großbritannien zu rechnen ist.

3. Heizwertreiches Material aus dem Deponierückbau

Betrachtet man die schiere Menge an Abfall, die in den deutschen Deponien schlummert, könnte man von einem hohen Potenzial an heizwertreichem Material ausgehen: „Seit 1950 wurden insgesamt rund 4,7 Milliarden Tonnen Abfälle in Deponien abgelagert. Davon stammen 1,6 Milliarden Tonnen aus dem Siedlungsabfallbereich. Das darin abgelagerte Potenzial an heizwertreichem Material wird mit 486 Millionen Tonnen angegeben“, fasst Franke frühere Einschätzungen zusammen. Neuere Untersuchungen gehen von einem leicht niedrigeren theoretischen Potenzial an heizwertreichen Stoffen aus. Dieses soll zwischen 432 und 486 Millionen Tonnen liegen.

Allerdings steht dieses Potenzial nicht automatisch auch für Abfallverbrennungsanlagen zur Verfügung. Mit Ausnahme des Verbundprojekts TönsLM gibt es derzeit nämlich keine Deponierückbaumaßnahmen. Derartige Maßnahmen seien aufwendig und derzeit nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich, erklärte Franke. Der Fraunhofer-Wissenschaftler geht davon aus, dass ein Deponierückbau erst in Jahren bis Jahrzehnten wirtschaftlich und nutzeneffizient durchführbar sein wird. Brennstoff aus dem Rückbau von Deponien wird daher auf absehbarer Zeit kein Mengenpotenzial für die Abfallverbrennung eingeräumt.

4. Stoffströme aus MBA-Anlagen

Die Gesamtmenge an Siedlungsabfällen, die in Anlagen mit mechanischer und biologischer Technologie behandelt werden, beziffert Franke auf etwa 6,9 Millionen Tonnen. Daraus ergäben sich rechnerisch etwa 4,1 Millionen Tonnen an Brennstoffen beziehungsweise an EBS. Künftig allerdings seien rückläufige Mengen und geringere Wertstoffgehalte aufgrund verschiedener sich ändernder Rahmenbedingung zu erwarten. Als Beispiele nennt Franke die Verpflichtung zur verstärkten getrennten Erfassung und Behandlung von Bioabfällen, Getrennthaltung und Sortierung von Gewerbeabfällen und Maßnahmen zur Abfallvermeidung.

Daher werde es zu einer weiteren Verschärfung des Wettbewerbs kommen. Dieser werde zu einer Umnutzung der vorhandenen Anlagenkapazität und Umstellung der Verfahren führen. Möglich sei die Umstellung der klassischen MBA auf einen alleinigen Betrieb der mechanischen Stufe zur Aufbereitung von Restsiedlungsabfällen, bei einem gleichzeitigen Verzicht auf den Weiterbetrieb der biologischen Stufe. Denkbar sei auch eine komplette Umstellung von MBA-Anlagen auf Behandlung von biogenen Abfällen, wie es schon in den MBA in Kaiserslautern und Gescher umgesetzt worden ist.

Die Umstellung der Aufbereitung in klassischen MBA auf eine verstärkte biologische Trocknung und nachgeschaltete Brennstoffgewinnung könnte zu Mengensteigerung bei Brennstoffen in einer Bandbreite von 300.000 bis 600.000 Tonnen EBS pro Jahr führen.

5. Klärschlamm

„Das geplante Verbot der landwirtschaftlichen Verbringung von Klärschlamm wird mittelfristig eine zusätzliche Menge von 800.000 bis 1,3 Millionen Jahrestonnen Trockensubstanz zur energetischen Verwertung bringen“, wie die Sachverständigen in ihrer Studie erwarten. Potenziell interessant und technisch möglich sei die Umrüstung einzelner MVA-Linien auf die Monoverbrennung von Klärschlamm, meint Franke. Das könnte für die Betreiber auch wirtschaftlich interessant sein. „Da die MVA derzeit aber gut ausgelastet sind, ruhen diesbezügliche Planungen.“ Ab 2018 bis 2025 könnte diese Möglichkeit aber durchaus attraktiv werden.

6. Feinfraktion aus der Aufbereitung von Baustellenabfall

Da die Feinfraktion aus der Aufbereitung von Baustellenabfällen einen hohen Anteil an organischen Bestandteilen aufweist, kann sie nicht direkt deponiert werden. Diese Fraktion muss erst thermisch behandelt werden. „Das Material besitzt zwar aufgrund geringer kohlenstoffhaltiger Bestandteile keinen hohen Heizwert“, gibt Franke zu bedenken. Gemischt mit heizwertreichem Abfall könne aber der Gesamtdurchsatz der Abfallverbrennungsanlagen erhöht werden. Zum Input-Mix für Abfallverbrennungsanlagen könnte die Feinfraktion aus gemischten Bau- und Abbruchabfällen etwa 1 Million Tonnen pro Jahr beitragen.

7. POP-haltige Abfälle

Ein weiterer, möglicherweise interessanter Stoffstrom könnten die mit persistenten organischen Schadstoffen (POP, von englisch Persistent Organic Pollutants) belasteten Abfälle werden. Diese können zur Anreicherung von Schadstoffen in der stofflichen Verwertung führen. „Für diese Abfallströme kommt eine thermische Behandlung in Frage, da enthaltene Schadstoffe vollständig zerstört werden“, erklärt Franke.

Auch ökonomisch sei dieser Strom für Anlagenbetreiber attraktiv. Derzeit würden POP-haltige Abfälle aber wegen technischer Schwierigkeiten und möglicher Einschränkungen der Ascheeigenschaften für die Verwertung oft nur zögerlich angenommen. Die Sachverständigen sehen hier ein Potenzial von circa 900.000 Jahrestonnen.

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