Recycling von Titan- und Titanlegierungschrotten

Flugzeugturbinen oder Hüftgelenk-Implantate sind ohne Titan oder Titanlegierungen undenkbar. Bislang wird der Werkstoff aber kaum recycelt. Wissenschaftlern ist das nun gelungen.

Neue Methode für Recycling von Titanlegierungen


Die erste Machbarkeitsstudie lief 2001. Das endgültige Ergebnis lag 2014 vor. Dazwischen suchten Forscher am Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling (IME) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) nach einem neuen Weg, Titanlegierungen zu recyceln und herzustellen. Erfolgreich, denn schließlich konnten sie eine Turbinenschaufel aus 100 Prozent recycelten Titan-Aluminiumlegierungen fertigen.

Die Hauptschwierigkeit war zunächst, das Material zurückzugewinnen. Bislang wird das in technisch aufwendigen und teuren Anlagen wie Elektronenstrahl- oder Plasmaöfen sowie Kaltwand-Induktionsöfen gemacht. Ein Recycling von Spänen, Gießläufern, Ausschuss mit Keramikkontakt oder End-of-life Produkten (Turbinenschaufeln, Wärmetauscher, Medizinprodukte) ist den Forschern zufolge gar nicht vorgesehen. Derartiges Material lande als Desoxidations- und Legierungselement in der Stahlindustrie – faktisch ein Downgrading.

Bekannte Verfahren kombiniert

Die Aachener Wissenschaftler setzen auf ein völlig neues Konzept: das Triple-Melt-Verfahren. Dieses nutzt Verfahren, die in der Metallurgie bereits etabliert sind. Am Anfang der Prozesskette steht das sogenannte Vakuuminduktionsschmelzen (VIM, englisch für Vacuum induction melting), gefolgt von einer Desoxidation und dem Umschmelzen im Vakuumlichtbogenofen (VAR, englisch für Vacuum arc remelting).

Im ersten Schritt werden die Legierungsschrotte in den keramischen Tiegel des Induktionsofens gegeben und aufgeschmolzen. Dazu wird Strom an eine Spule angelegt, die den Tiegel umgibt. Der erzeugt in der Tiegelfüllung starke Wirbelströme, die den Inhalt aufschmelzen und durchmischen. Das funktioniert wie ein Induktionskochfeld, das metallische Töpfe erwärmt. Zusätzlich wird das Aggregat mit Calciumoxid als Tiegelwerkstoff zugestellt, um die Schrotte zu verflüssigen und zu homogenisieren.

Der Vorteil: Durch VIM ist es möglich, stark kontaminierte Schrotte einzusetzen, so die Forscher. Zudem verbessere es die Raffinationseffizienz. So seien 65 bis 80 Prozent weniger Energie nötig als bei konventionellen Verfahren. Darüber hinaus könne die Qualität der Legierung gezielt eingestellt werden.

Sauerstoffgehalt im geforderten Rahmen

Das ist auch das Ziel der Desoxidation, dem zweiten Schritt der Prozesskette. Dabei wird der Schmelze ein chemisches Desoxidationsmittel zugesetzt (CaAl2). Dies ist dazu da, Sauerstoff, der beim Abkühlen frei wird, zu binden. Das verhindere wiederum das Gasblasen und somit Hohlräume im späteren Produkt entstehen. Von der Industrie gewünscht ist ein Sauerstoffgehalt zwischen 200 und 1.200 ppm (parts per million). Den konnten die Forscher nach eigenen Angaben erfolgreich einstellen.

Beim Vakuumumschmelzen werden anschließend etwaige Rückstände des Desoxidationsmittels entfernt. Das heißt: Calcium wird vollständig durch eine hohe Temperatur und einen geringen Druck abgedampft, so die Aachener Wissenschaftler. Als Produkt erhalten sie schließlich eine raffinierte Titan-Aluminium-Legierung. Die wurde per Feinguss zu Turbinenschaufeln mit einer typischen GE4822 (Ti-48Al-2Cr-2Nb) Duplex-Struktur vergossen.

Ausgezeichnetes Verfahren

Ihre Forschungsergebnisse kommentieren die Wissenschaftler selbstbewusst: „Sie liefern einen signifikanten Beitrag dazu, den Wertverfall von Titanschrotten deutlich zu stoppen.“ Das sei insbesondere für Mitteleuropa mangels Eigenressourcen als strategisch kritisch aufzufassen.

Ähnlich sah es wohl die Jury des „Kaiserpfalz-Preis der Metallurgie“. Sie hat das neue Recyclingkonzept am 5. Tag der Metallurgie in Goslar mit dem Preis ausgezeichnet. Der „Kaiserpfalz-Preis der Metallurgie“ ist mit 50.000 Euro dotiert. Geld, das die Aachener nutzen wollen, um ihre Forschung voranzutreiben.

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