CCS-Pilotprojekt

Die Abtrennung und Speicherung von Kohlendioxid ist ein kostspieliges Unterfangen. Viele Betreiber von Waste-to-Energy-Anlagen sind deshalb zurückhaltend. In Oslo hingegen zeigt man sich experimentierfreudig.

Norwegische WtE-Anlage will CO2 abtrennen


Effektiver Klimaschutz zur Bekämpfung des Klimawandels ist ohne einen deutlich geringeren Kohlendioxidausstoß nicht möglich. Viele Akteure sind davon überzeugt, dass innovative Verfahren zur CO2-Abtrennung in Kraftwerken und Industrieanlagen und die anschließende Speicherung in tief liegenden geologischen Gesteinsschichten (engl. Carbon Capture and Storage, kurz CCS) einen erheblichen Beitrag dazu leisten könnten. Auch für Waste-to-Energy-Anlagen könnte diese Technologie eine große Zukunft haben. Davon ist die Stadtverwaltung der norwegischen Hauptstadt Oslo überzeugt.

Die Stadt betreibt mit der Klemetsrud-Anlage Norwegens größte WtE-Anlage. Hier werden jährlich 310.000 Tonnen Restabfälle, die zu 50 bis 60 Prozent aus Biomasse bestehen, zur Produktion von Strom und Fernwärme genutzt. In Zukunft sollen auch die dabei entstehenden 300.000 Tonnen CO2 sinnvoll genutzt und vor allem die Emissionen erheblich reduziert werden. Ende Januar hat die Stadt daher zusammen mit dem Unternehmen Aker Solutions ein CCS-Pilotprojekt gestartet. Der norwegische Konzern liefert weltweit Produkte, Systeme und Dienstleistungen für Kunden in der Öl- und Gasindustrie und beschäftigt rund 16.000 Mitarbeiter in 20 Ländern.

statistic_id167957_kohlendioxid---anteil-der-sektoren-an-den-emissionen-weltweit-2013Das Pilotprojekt ist laut Aker Solutions weltweit das erste Projekt für eine WtE-Anlage. Innerhalb von fünf Monaten will Aker Solutions seine aminbasierte CO2-Abtrenntechnologie für einen Einsatz bei WtE-Anlagen testen. Für den Test nutzt Aker Solutions seine mobile Einheit. Bevor das bei der Verbrennung entstehende Gas in die mobile Einheit gelangt, wird es in mehreren Schritten vorbehandelt. Wir gehen davon aus, dass wir bis zu 90 Prozent des CO2 abtrennen können“, sagt Oscar Graff, Leiter des Geschäftsbereichs CCS.

Geringerer Energieverbrauch dank neuem Lösungsmittel

Die Abtrennung soll mithilfe eines neu entwickelten Lösungsmittels erfolgen. „Das robuste Lösungsmittel hat seine betriebliche Leistung bereits bei der umfangreichen Forschung in Zusammenarbeit mit norwegischen Universitäten bewiesen“, erklärt Graff. Demnach soll weniger Energie verbraucht werden als bei herkömmlichen CO2-Abtrennverfahren. Gleichzeitig soll ein hoher Abscheidegrad und eine nur minimale Zersetzung und Verluste erreicht werden.

Abhängig davon, wie erfolgreich die Tests bei der WtE-Anlage Klemetsrud verlaufen, könnte bis 2020 eine Großanlage zur CO2-Abtrennung aus WtE-Gasen gebaut werden. Das aufgefangene Kohlendioxid soll anschließend zur Nordsee transportiert werden und in Öl- und Gasfeldern eingelagert werden, um den Druck und damit die Förderung zu erhöhen.

„Das ist eine Pionierarbeit, die ein großes Potenzial in sich birgt“, ist Valborg Lundegaard überzeugt. Der Leiter des Aker-Solutions-Geschäftsfelds Engineering Business hat dabei bereits die rund 450 WtE-Anlagen in Europa und die rund 700 Anlagen im Blick, die weltweit in Betrieb sind.

Niederländer setzen CO2 direkt zu Natriumhydrogencarbonat um

Auch in den Niederlanden zeigt man sich experimentierfreudig. Das Abfallverarbeitungs- und Energieerzeugungsunternehmen Twence hat bereits im Jahr 2011 in einer Verbrennungslinie seiner WtE-Anlage ein Verfahren zur Entfernung von CO2 getestet. Ende 2014 ist die Anlage am Standort in Hengelo offiziell in Betrieb genommen worden.

statistic_id196284_co2-lagerung---akzeptanz-im-5-kilometer-umkreisBei dem von Procede Gas Treating entwickelten Verfahren wird das CO2 aus dem Abgas entfernt und für die Mineralisierung verwendet. Das Kohlendioxid wird laut Twence in einer speziellen Reaktorkonfiguration mit Natriumcarbonat direkt zu Natriumhydrogencarbonat umgesetzt. Die produzierte Aufschlämmung von Natriumhydrogencarbonat werde direkt in der WTE-Anlage zur Entfernung von Chlorwasserstoff und Schwefeldioxid im Abgas verwendet, bevor dieser in die Atmosphäre freigesetzt wird.

Die Anlage produziert nach Unternehmensangaben jährlich 8.000 Tonnen Natriumhydrogencarbonat. Bei der Herstellung dieser Menge von Natriumhydrogencarbonat würden jährlich 2.000 Tonnen CO2 aus dem Abgas abgeschieden. Ein Vorteil der neuen Technologie liegt in der Kostenersparnis. Denn anstatt teures Natriumbicarbonat kaufen zu müssen, wird der kostengünstige Rohstoff Natriumcarbonat verwendet. Zudem könne eine Tonne Carbonat zu 1,6 Tonnen Hydrogencarbonat umgewandelt werden. Dies führe zu zusätzlichen Kosteneinsparungen aufgrund von niedrigeren Transportkosten und damit verbundenen zusätzlichen CO2-Emissionen. Der dritte und möglicherweise wichtigste Vorteil dieses Verfahrens aber sei die negative CO2-Bilanz.

CCS in Deutschland kein Thema

Bei den thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland hingegen ist CCS bislang kein Thema. Martin Treder, stellvertretender Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland (ITAD), macht dafür vor allem fehlende finanzielle Anreize verantwortlich. „Die Bundesregierung steht dem Thema CCS sehr skeptisch gegenüber“, sagt er. Daher sei in absehbarer Zeit auch keine staatliche Unterstützung zu erwarten, um in CCS-Technologien für Abfallverbrennungsanlagen zu investieren.

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